Bazedoxifen
- Autor(en): Urspeter Masche
- pharma-kritik-Jahrgang 32
, Nummer 14, PK809
Redaktionsschluss: 18. April 2011
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2010.809 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Bazedoxifen (Conbriza®) wird zur Vorbeugung und Behandlung der postmenopausalen Osteoporose empfohlen.
Chemie/Pharmakologie
Bazedoxifen gehört zu den selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM). Diese Substanzen besitzen im Gegensatz zu den Östrogenen kein Steroidgerüst, vermögen sich aber aufgrund ihrer Tertiärstruktur an Östrogenrezeptoren festzusetzen – wobei sie in einigen Geweben als Agonisten, in anderen als Antagonisten eingreifen. Die selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren waren bislang vertreten durch Tamoxifen (Nolvadex® u.a.) und Toremifen (Fareston®), die beim Mammakarzinom verwendet werden, sowie durch Raloxifen (Evista®), das sich wie Bazedoxifen bei Osteoporose einsetzen lässt.
Bazedoxifen bindet sich an beide im Körper vorkommenden Östrogenrezeptor-Typen (ER-alpha und ER-beta). Wie Raloxifen ahmt es im Knochen- und Fettgewebe die Östrogenwirkung nach, während es auf Brustdrüse und Endometrium ohne stimulierenden Effekt ist. Keinen Einfluss hat es auf klimakterische Beschwerden.(1,2)
Pharmakokinetik
Nach Einnahme von Bazedoxifen verstreichen ungefähr 2 Stunden, bis die maximale Plasmakonzentration erreicht ist. Einige Stunden später kann eine zweite Konzentrationsspitze auftreten, die als Ausdruck eines enterohepatischen Kreislaufs angesehen wird. Die biologische Verfügbarkeit beträgt 6%; in Kombination mit Nahrung steigt sie je nach Fettgehalt um 20 bis 70% (was aber keine klinische Konsequenzen erwarten lässt). Die Plasmaproteinbindung liegt über 96%. Bazedoxifen wird grösstenteils via Glukuronidierung metabolisiert und mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Halbwertszeit beträgt ungefähr 30 Stunden. Bei eingeschränkter Leberfunktion nimmt die Exposition durchschnittlich um das Vierfache zu; bei Niereninsuffizienz ist dagegen nicht mit einer verzögerten Elimination zu rechnen.(2)
Klinische Studien
Unter den Studien, die für die aktuell gültige Indikation wesentlich sind, finden sich ein paar, die sich mit dem knochenabbauhemmenden Effekt befasst haben, sowie eine grosse, in der die frakturverhütende Wirkung untersucht worden ist. (Daneben gibt es Studien, in denen Bazedoxifen zusammen mit konjugierten Östrogenen verabreicht wurde – in der Absicht, Osteoporoseprophylaxe und Behandlung von klimakterischen Beschwerden zu vereinen, die Risiken der reinen Hormongabe zu minimieren und so die Indikation von Bazedoxifen dereinst zu erweitern.)
Von den Studien, in denen die Bilanz auf die Knochendichte geprüft wurde, zählte die grösste 1434 gesunde Frauen mit zurückliegender Menopause. Aufnahmekriterien waren eine erniedrigte Knochendichte an Lendenwirbelsäule oder Fe- mur (T-Wert zwischen −1,0 und −2,5) oder sonstige Risiko- faktoren für eine Osteoporose. Es wurden doppelblind fünf Gruppen gebildet, in denen Bazedoxifen (10, 20 oder 40 mg/Tag), Raloxifen (60 mg/Tag) oder Placebo verordnet wurde; alle Teilnehmerinnen erhielten 600 mg Calcium pro Tag. Nach zwei Jahren ergab die Bestimmung der Knochendichte mit allen drei Bazedoxifen-Dosen einen höheren Wert als mit Placebo: an der Lendenwirbelsäule betrugen die Unterschiede 1,1% mit der niedrigen, 1,4% mit der mitt- leren und 1,5% mit der hohen Dosis, am Femur 1,3%, 1,8% und 1,6%. Verglichen mit Raloxifen war das Ergebnis indessen praktisch identisch.(3)
Der Schutz gegen Frakturen wurde bei 6847 postmeno- pausalen Frauen untersucht, die an einer Osteoporose litten (mit einem T-Wert zwischen −2,5 und −4,0 oder mit einer bekannten Wirbelfraktur). Sie bekamen doppelblind Baze- doxifen (20 oder 40 mg/Tag), Raloxifen (60 mg/Tag) oder Placebo. Zusätzlich verabreichte man allen Calcium (1000 bis 1200 mg/Tag) und Vitamin D (400 bis 800 IE /Tag).
Nach der Kaplan-Meier-Methode wurde die Inzidenz von neuen Knochenbrüchen kumulativ über einen Zeitraum von drei Jahren errechnet: bei den Wirbelfrakturen betrug sie bei Bazedoxifen 2,3% mit der 20-mg- und 2,5% mit der 40-mg- Dosis, bei Raloxifen 2,3% und bei Placebo 4,1%; bei den nicht-vertebralen Frakturen waren es 5,7 bzw. 5,6% mit Bazedoxifen, 5,9% mit Raloxifen und 6,3% mit Placebo. Zwischen Bazedoxifen und Raloxifen fanden sich bei den Frakturraten keine Unterschiede; die Wirkung auf Knochendichte und biochemische Parameter des Knochenstoffwechsels (C-Telopeptide, Osteocalcin) war indessen bei Raloxifen ausgeprägter als bei Bazedoxifen.(4)
Mit einem verkleinerten Kollektiv wurde die Studie noch weitergeführt (die Raloxifen-Gruppe wurde im vierten Jahr weggelassen). Das Fünfjahresergebnis bestätigte die frakturverhütende Wirkung von Bazedoxifen im Vergleich zu Placebo.(5)
Mit ergänzenden Analysen bzw. Untersuchungen wurden mögliche Folgen von Bazedoxifen an Brustdrüse und Uterus beurteilt: Bei einem Teil der Frauen, die sich an der oben beschriebenen Frakturprophylaxe-Studie beteiligt hatten, waren Mammographien angefertigt worden. In einer retrospektiven Auswertung liess sich hinsichtlich der radiologischen Brustgewebedichte kein Unterschied zwischen Bazedoxifen und Placebo ermitteln.(6)
Bei 497 postmenopausalen Frauen wurden in einer Doppelblindstudie mit transvaginalen Sonographien Veränderungen der Endometrium-Wanddicke kontrolliert. Nach sechs Monaten bewegte sich deren Zunahme unter Bazedoxifen im selben Ausmass wie unter Placebo und war bei beiden deutlich geringer als unter einem Kombinationspräparat mit konjugierten Östrogenen und Medroxyprogesteron.(7)
Unerwünschte Wirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen, die angegeben wurden, waren Hitzewallungen, Vasodilatation, periphere Ödeme, Beinkrämpfe und Verstopfung. Auch Thrombosen der tiefen Beinvenen kamen mehr vor als unter Placebo. Bei den Laborwerten kann eine Hypertriglyzeridämie auftreten. Bei Raloxifen hatte man in einer grossen Studie ein erhöhtes Risiko für tödliche Schlaganfälle beobachtet(8) – ob dies auch auf Bazedoxifen zutreffen könnte, lässt sich mangels entsprechender Daten nicht beantworten.
Interaktionen
Bislang sind keine relevanten Interaktionen mit Bazedoxifen beschrieben. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die eine hohe Eiweissbindung aufweisen (z.B. orale Antikoagulantien), werden als wenig wahrscheinlich einge- stuft.
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Bazedoxifen (Conbriza®) wird als Filmtabletten zu 20 mg angeboten, was der empfohlenen Tagesdosis entspricht. Es ist zugelassen zur Vorbeugung und Behandlung einer Osteoporose bei Frauen nach der Menopause; bei einer prä- ventiven Verabreichung muss der T-Wert unter −1,0 liegen. Bei thromboembolischen Ereignissen in der Vorgeschichte, bei Leberinsuffizienz sowie bei Frauen, die an einem Endometrium- oder Mammakarzinom erkrankt sind, sollte auf Bazedoxifen verzichtet werden. Im Tierversuch wurden schädigende Auswirkungen auf Feten festgestellt, weshalb das Mittel bei schwangeren Frauen kontraindiziert ist (wobei sich schwangere und stillende Frauen sowieso ausserhalb der Behandlungszielgruppe bewegen).
Bazedoxifen kostet monatlich 51.70 Franken; die Kassenpflicht beschränkt sich einstweilen auf die Behandlung bei manifester Ostoporose (T-Wert unter –2,5 oder Fraktur). Raloxifen (Evista®), das direkte Konkurrenzprodukt, ist mit
54.15 Franken eine Spur teurer. Bisphosphonate – als die am häufigsten verschriebenen Medikamente bei Osteoporose – haben vergleichbare Preise, ausser wenn man ein Generikum von Alendronat (Original = Fosamax®) wählt, was im günstigsten Fall einen Betrag zwischen 20 und 25 Franken ergäbe.
Kommentar
Bazedoxifen wird uns als selektiver Östrogenrezeptor-Modulator der dritten Generation vorgestellt. Solche Einreihungen lassen sich oft als zuverlässiger Hinweis verwerten, dass sich nicht viel anderes in den Vordergrund rücken lässt. Bazedoxifen ist grundsätzlich gleich einzuschätzen wie Raloxifen, indem es bei Osteoporose vor Wirbel-, jedoch nicht vor anderen Frakturen zu schützen vermag; beide Medikamente lassen somit, umfassend betrachtet, eine weniger gute frakturverhütende Wirkung erwarten als andere Osteoporosemittel. Auch sind keineswegs die Zweifel ausgeräumt, dass selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren nicht mit kardiovaskulären Risiken behaftet sind.
Wer nun hofft, man könne damit Bazedoxifen im Prinzip ad acta legen, wird sich vermutlich täuschen. Es wartet nämlich die Fixkombination von Bazedoxifen mit konjugierten Östrogenen (mit Aprela® kursiert auch schon ein Name), mit der die Diskussion um die postmenopausale Hormonsubstitution in eine neue Runde gehen und die deren Verfechtern Aufwind schenken wird.
Literatur
- 1) Gennari et al. Ther Clin Risk Manag 2008; 4: 1229-42
- 2) http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_- _Public_assessment_report/human/000913/WC500033576.pdf
- 3) Miller PD et al. J Bone Miner Res 2008; 23: 525-35
- 4) Silverman SL et al. J Bone Miner Res 2008; 23: 1923-34
- 5) Silverman S et al. J Bone Miner Res 2009; 24 (Suppl 1): http://www.asbmr.org/Meetings/AnnualMeeting/AbstractDetail.aspx? aid=2643ea2f-c4ab-4eb6-9798-09050bb21b6b
- 6) Harvey JA et al. Menopause 2009; 16: 1193-6
- 7) Ronkin S et al. Obstet Gynecol 2005; 105: 1397-404
- 8) Barrett-Connor E et al. N Engl J Med 2006; 355: 125-37
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