Nimesulid
- Autor(en): Urs Dieter Kappeler
- pharma-kritik-Jahrgang 16
, Nummer 01, PK470
Redaktionsschluss: 14. Januar 1994 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Nimesulid (Aulin®, Nisulid®) ist ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer, der zur symptomatischen Therapie von grippalen Infekten und von Dysmenorrhoe empfohlen wird. Eine Indikationserweiterung liegt bei der IKS zur Bearbeitung vor.
Chemie/Pharmakologie
Nimesulid -- ein schwach saures Sulfonanilid -- wirkt blockierend auf die Prostaglandinbiosynthese und hat entsprechend entzündungshemmende, antipyretische und analgetische Eigenschaften.(1) Von Bedeutung sind möglicherweise ferner die Wirkung von Nimesulid gegen oxidativeRadikale und proteolytische Enzyme. Die Substanzkönnte so dazu beitragen, Gewebeschäden zu reduzieren.(2)
Pharmakokinetik
Nimesulid wird gastrointestinal gut resorbiert und erreicht rund 3 Stunden nach der Einnahme maximale Plasmakonzentrationen. Durch hepatische Metabolisierung entsteht das gleichfalls pharmakologisch aktive 4’-Hydroxyderivat, das vorwiegend renal ausgeschieden wird. Die Plasmahalbwertszeit von Nimesulid beträgt etwa 3 Stunden, die Halbwertszeit des Metaboliten liegt in dergleichen Grössenordnung.
Bei einer leicht eingeschränkten Nierenfunktion muss keine Dosisanpassung vorgenommen werden; bei einer Leberinsuffizienz kann die Clearance jedoch um ein Vielfaches abnehmen und eine Anpassung wird nötig.(1,3)
Klinische Studien
Die fiebersenkende Wirkung von Nimesulid wurde in verschiedenen Doppelblindvergleichen mit Acetylsalicylsäure (Aspirin® u.a.), Diclofenac (Voltaren ®u.a.) und Paracetamol (Panadol® u.a.) untersucht. Nur eine dieser Studien war placebokontrolliert und in keiner Studie wurdendie heute in der Schweiz verfügbaren oralen Formeneingesetzt. In der Vergleichsstudie mit Diclofenac erhielten 81 Fieberpatienten (im Mittel 38,6° C) Zäpfchen als Einmaldosen (200 mg Nimesulid, 100 mg Diclofenac oderPlacebo). 90 Minuten nach der Verabreichung fand sichsowohl mit Diclofenac als auch mit Nimesulid eine signifikante Fiebersenkung. Nach sechs Stunden waren 69% aus der Nimesulidgruppe, 83% aus der Diclofenacgruppe und 14% aus der Placebogruppe fieberfrei.(4)
Die Wirksamkeit von Nimesulid bei Infektionen der oberenLuftwege wurde in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie bei 51 Patienten untersucht. Die Kranken erhielten 2mal täglich 100 mg Nimesulid in Granulatformoder Placebo während durchschnittlich 4 bis 7 Tagen. Mit Nimesulid konnten Allgemeinsymptome wie Kopf- und Gelenkschmerzen sowie pharyngotonsilläre Symptome und Heiserkeit signifikant stärker vermindert werden als mit Placebo.(5)
In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie erhielten 40 Frauen, die seit mindestens sechs Monaten an Menstruationsbeschwerden gelitten hatten, während drei Zyklen Nimesulid in zwei verschiedenen Dosierungen (2mal 50 mg oder 2mal 100 mg täglich) oder Placebo. Die Therapie wurde jeweils vier Tage vor der Menstruation begonnen und während der Blutung für drei Tage fortgesetzt. Bereits mit der niedrigeren Dosis (100 mg/Tag) fand sich eine signifikante Besserung der Bauchschmerzen, aber auch der Begleitsymptome (Kopfschmerzen, Übelkeit). Mit der höheren Dosierung ergab sich auch eineAbnahme der begleitenden Lumbosakralschmerzen.(6)
Bei 68 Krebspatienten wurde die analgetische Wirksamkeit von Nimesulid (2mal 200 mg/Tag) und Naproxen (z.B.Proxen®, 2mal 500 mg/Tag) verglichen. Die beiden Medikamente waren ähnlich wirksam, jedoch wurde die Behandlung aus verschiedenen Gründen (z.T. wegen Nebenwirkungen) nur bei etwa 50% der Patienten für länger als zwei Wochen durchgeführt.(7)
Als Antirheumatikum wurde Nimesulid in drei Doppelblindstudien mit Piroxicam (z.B. Felden®), Ketoprofen(z.B. Profenid®) und Placebo verglichen. Insgesamt 180 Personen mit Arthrosen des Hüft- oder Kniegelenks erhielten Nimesulid (2mal 100 mg/Tag) oder die Vergleichssubstanz (Ketoprofen 2mal 100 mg/Tag, Piroxicam 20mg/Tag oder Placebo). Als Reserveschmerzmittel stand Paracetamol zur Verfügung. Die verschiedenen Entzündungshemmer ergaben eine gleichwertige Besserung in bezug auf die Schmerzen und die Funktion der betroffenen Gelenke. Auch mit Placebo besserten sich die Schmerzen signifikant, die Gelenkfunktion wurde dagegen von Placebo nicht beeinflusst.(8)
In einer multizentrischen Doppelblindstudie bei Personen mit leichten Sportverletzungen wurden Nimesulid (3mal 100 mg/Tag) und Naproxen (3mal 250 mg/Tag) verglichen. Bei über 600 Patienten mit Quetschungen, Sehnenentzündungen, Zerrungen oder Verstauchungen wurden die Schwellung im Verletzungsbereich und die Schmerzintensität beurteilt: die beiden Medikamente erwiesen sich als ähnlich gut wirksam.(9)
Weitere Studien mit Nimesulid wurden unter anderem bei entzündlichen Erkrankungen des Urogenitaltrakts, bei Thrombophlebitis, chronischer Bronchitis und nach Zahnextraktionen durchgeführt.
Unerwünschte Wirkungen
Wie bei anderen nicht-steroidalen Entzündungshemmern stehen gastrointestinale Symptome im Vordergrund: Häufig sind Magenbrennen und Oberbauchschmerzen sowie Brechreiz, Erbrechen und Durchfall. Auch gastrointestinale Blutungen sind beschrieben worden.(7)
Weitere Nebenwirkungen betreffen die Haut (Pruritus, Erytheme) und das Zentralnervensystem (Schwindel, Schläfrigkeit, Kopfschmerzen). Die Inzidenz der unerwünschten Wirkungen ist schwierig einzuschätzen; gemäss einer grossen offenen Kurzzeitstudie betrug sie 8%.10 Verschiedene kleinere, kontrollierte Studien berichten von weitaus höheren Zahlen.(7)
Interaktionen
Wie andere nicht-steroidale Entzündungshemmer kann auch Nimesulid zu erhöhter Toxizität von gleichzeitig verabreichtem Methotrexat oder Lithium (z.B. Quilonorm®) führen. Eine Interaktion mit oralen Antikoagulantien ist denkbar, aber bisher nicht nachgewiesen.
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Nimesulid (Aulin®, Nisulid®) ist als Tabletten zu 100 mg oder als Granulat (Sachets zu 100 mg) erhältlich. Es ist kassenzulässig und rezeptpflichtig. Es wird empfohlen, 2mal täglich 100 mg nach dem Essen einzunehmen. Wegen ungenügenden Erfahrungen sollte Nimesulid weder in Schwangerschaft noch Stillzeit verwendet werden. Kontraindiziert ist Nimesulid bei Patienten mit aktiven Magendarmgeschwüren und bei schwerer Leberinsuffizienz. Die Behandlung von Grippesymptomen oder Dysmenorrhoe kostet mit Nimesulid (2mal 100 mg) 3 Franken täglich. Im Vergleich ist Paracetamol (z.B. Acetalgin®, 4mal 500 mg) mit rund 60 Rappen pro Tag wesentlich billiger; Ibuprofen (z.B. Iproben®, 4mal 200 mg) kostet 2 Frankenpro Tag.
Kommentar
Obwohl Nimesulid bisher nur als Symptomtherapie bei grippalen Infekten und Dysmenorrhoe propagiert wird, gehört die Substanz zweifellos zu den nicht-steroidalen Entzündungshemmern und kann deshalb bei einer breiten Palette von Krankheiten eingesetzt werden. Medikamente dieser Klasse sind dann von besonderem Interesse, wenn sie bei gleicher Wirksamkeit weniger gastrointestinale Beschwerden hervorrufen als andere. Der Nachweis eines solchen Vorteils von Nimesulid steht vorläufig noch aus.
Ob den bei Nimesulid nachgewiesenen zusätzlichen Wirkmechanismen praktische Bedeutung zukommt, ist noch unbestimmt. Bisherige Resultate lassen annehmen, dass es sichweder positiv noch negativ entscheidend von anderen Entzündungshemmern unterscheidet.
Literatur
- 1) Ward A, Brogden RN. Drugs 1988; 36: 732-53
- 2) Ottonello L et al. Drugs 1993; 46 (Suppl 1): 29-33
- 3) Bernareggi A. Drugs 1993; 46 (Suppl 1): 64-72
- 4) Reiner M et al. Int J Clin Pharmacol Ther Toxicol 1985; 12: 673-7
- 5) Emami Nouri M. Clin Ther 1984; 6: 142-50
- 6) Moggian G et al. Clin Ter 1986; 117: 481-92
- 7) Gallucci M et al. Arzneim Forsch Drug Res 1992; 42: 1028-30
- 8) Dreiser RL, Riebenfeld D. Drugs 1993; 46 (Suppl 1): 191-5
- 9) Calligaris A et al. Drugs 1993; 46 (Suppl 1): 187-90
- 10) Pochobradsky MG et al. Drugs Exp Clin Res 1991; 17: 197-204
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