Subklinische Hypothyreose
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 39
, PK1036, Online-Artikel
Redaktionsschluss: 6. März 2018
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2017.1036
Die subklinische Hypothyreose, vereinzelt auch als «latente» Hypothyreose bezeichnet, ist durch erhöhte TSH-Werte bei normalen Thyroxin-Blutspiegeln charakterisiert. (Der Normbereich von TSH liegt zwischen 0,3 und 4,0 mU/L, derjenige des freien Thyroxins [fT4] zwischen 10 und 23 pmol/L.) Personen mit einer subklinischen Hypothyreose haben in der Regel keine Hypothyreose-Symptome. Sollen sie behandelt werden? Zu dieser Frage hat der unabhängige amerikanische Newsletter «Worst Pills, Best Pills» im November 2017 eine Übersicht veröffentlicht,(1) die im Folgenden zusammengefasst wird.
Obwohl eine subklinische Hypothyreose in verschiedenen Arbeiten mit kardiovaskulären Erkrankungen, Adipositas, Diabetes-Komplikationen und nachteiligen Auswirkungen in der Schwangerschaft in Zusammenhang gebracht worden ist, konnte bis vor kurzem nicht klar gezeigt werden, wie sich eine Thyroxin-Substitution auf diese ungünstigen Folgen auswirkt. So ergab im Jahr 2007 eine Cochrane-Übersicht, dass sich nur gerade 12 sehr kleine randomisierte Studien zu dieser Frage fanden.(2) Die Schlussfolgerung dieser Übersicht lautet, dass die Substitution von Levothyroxin in diesen Fällen weder Mortalität noch kardiovaskuläre Morbidität vorteilhaft beeinflusst. Auch bezüglich der Lebensqualität ergab sich kein Unterschied zwischen den Personen unter Hormonsubstitution und den Kontrollen.
Zwei neue Studien
Jetzt sind zwei grosse randomisierte Studien zum Thema veröffentlicht worden:
677 Schwangere, bei denen vor der 20. Schwangerschaftswoche eine subklinische Hypothyreose festgestellt worden war, erhielten nach dem Zufall für die restliche Schwangerschaftsdauer Levothyroxin oder Placebo. Zwischen den Behandelten und den Unbehandelten ergaben sich keine signifikanten Unterschiede im Verlauf der Schwangerschaft oder der Geburt und insbesondere auch nicht hinsichtlich der Intelligenz und des Verhaltens der Kinder (untersucht bis zum Alter von 5 Jahren).(3)
Die zweite Studie wurde bei 737 Erwachsenen im Alter von mindestens 65 Jahren durchgeführt, bei denen eine subklinische Hypothyreose gefunden worden war. Die Hälfte der Teilnehmenden erhielt für ein Jahr Levothyroxin in individuell adaptierter Dosis, die andere Hälfte Placebo (mit Schein-Adaptation). Die primären Endpunkte der Studie waren Veränderungen der Hypothyreose-Symptome und der Müdigkeit (beide Kriterien gemessen anhand von entsprechenden Skalen) nach einem Jahr. Mehrere sekundäre Endpunkte waren definiert, z.B. Blutdruck-Veränderungen, Handmuskelkraft, BMI. Ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen ergab sich für keinen dieser Endpunkte. Die Studie war zu klein, um allfällige Auswirkungen auf kardiovaskuläre Ereignisse beurteilen zu können.(4) Im Newsletter wird auf zwei Aspekte besonders hingewiesen: Die Resultate sind eigentlich nur für ältere (und zudem weitgehend asymptomatische) Personen gültig und können nicht einfach auf Jüngere oder stärker symptomatische Personen extrapoliert werden. Zudem hatte die Mehrheit der Teilnehmenden relativ wenig erhöhte TSH-Werte (unter 7 mU/L) – Probleme sind jedoch bei Patientinnen und Patienten mit höheren TSH-Werten wahrscheinlicher.
Guidelines
Zwei amerikanische Fachgesellschaften (die «American Association of Clinical Endocrinologists» und die «American Thyroid Association») haben Guidelines veröffentlicht, in denen sie zwei Gruppierungen von Personen unterscheiden, nämlich solche mit TSH-Werten bis zu 10 mU/L und solchen mit höheren Werten.(5) Für die letzteren wird empfohlen, eine Levothyroxin-Therapie «in Betracht zu ziehen» – da diese wahrscheinlich ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hätten. Für Personen mit TSH-Werten zwischen 4 und 10 mU/L soll individuell entschieden werden, in Abhängigkeit von Symptomen und allfällig nachweisbaren Anti-Thyreoidea-Antikörper sowie kardiovaskulärer Erkrankungen.
Risiken
Die Risiken einer Thyroxinsubstitution beruhen in erster Linie auf einer möglichen Überbehandlung mit den Symptomen einer Hyperthyreose. Von der Verwendung von Liothyronin oder Kombinationen (von Levothyroxin und Liothyronin) wird ausdrücklich abgeraten. Schliesslich enthält der Text auch einen Hinweis darauf, dass Levothyroxin auf nüchternen Magen eingenommen werden soll.
Ergänzende Lektüre
In infomed-screen :
Subklinische Hypothyreose bei älteren Menschen – eine ausführlichere und kommentierte Beschreibung der unter Referenz 4 genannten Studie.
Normales kardiovaskuläres Risiko bei TSH im oberen Normbereich – eine Meta-Analyse von 14 Kohortenstudien.
Auch subklinische Hypothyreose behandlungsbedürftig? – eine Kohortenstudie, die für die Substitution bei Personen im Alter von 40 bis 70 Jahren spricht.
In pharma-kritik:
Therapie der Hypothyreose– ein Mini-Update aus dem Jahr 2009
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