Schwere asymptomatische Aortenstenose: beobachten oder operieren?
- r -- Kang DH, Park SJ, Lee SA et al. Early surgery or conservative care for asymptomatic aortic stenosis. N Engl J Med. 2020 Jan 9;382:111-119. [Link]
- Zusammenfassung: Bettina Wortmann
- Kommentar: Micha T. Maeder
- infomed screen Jahrgang 24 (2020)
Publikationsdatum: 11. Mai 2020 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Basierend auf der Annahme, dass bei asymptomatischen Erkrankten der potentielle Nutzen eines Aortenklappenersatzes zur Verhinderung des plötzlichen Todes nicht grösser sei als das Risiko eines perioperativ oder im Zusammenhang mit der Klappenprothese auftretenden Todesfalls, wird für die Mehrheit der asymptomatischen Fälle mit schwerer Aortenstenose Beobachtung empfohlen, bis sich Symptome entwickeln. Fortschritte in der chirurgischen Technik und bei den Aortenklappenprothesen können aber das Risiko-Nutzen-Verhältnis zugunsten des Eingriffs verändern; der beste Zeitpunkt und die Indikationen für einen chirurgischen Eingriff bei asymptomatischer schwerer Aortenstenose werden kontrovers beurteilt. In der vorliegenden Studie wurden 145 symptomfreie Personen mit einer im Ultraschall diagnostizierten, sehr schweren Aortenstenose nach dem Zufall entweder einer frühen Intervention zugeführt oder nach bisherigen Richtlinien konservativ beobachtend behandelt. In der Interventionsgruppe betrug die postoperative Mortalität 1% und die kardiale Langzeitmortalität über einen Zeitraum von sechs Jahren 7%; in der Kontrollgruppe war diese mit 15% deutlich höher. Auch bei der Berechnung der (Langzeit-) Gesamtmortalität schnitten die Frühoperierten besser ab (7% v. 21%).
Bettina Wortmann
Kommentar
Diese Studie illustriert die Problematik des Kriteriums «symptomatisch» bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich Aortenklappenersatz bei klar schwerer Stenose. Wichtig ist aber, dass die Studienpopulation nicht repräsentativ ist: relativ junge Betroffene mit sehr schwerer Aortenklappenstenose (viele mindestens sehr nahe bei einer aktuellen IIa-Indikation für den Klappenersatz), ausserordentlich viele mit bikuspider Klappe, sehr tiefes chirurgisches Risiko. Nicht zuletzt dank einer perioperativen Nullmortalität wurde das Ergebnis überzeugend. Diese Personen sind auch heute noch primär Kandidaten für einen chirurgischen Klappenersatz (anstelle eines kathetertechnischen Klappenersatzes), und es war klar, dass dieser relativ bald auf sie zukommen würde. In Zukunft wird der Entscheid über den Zeitpunkt des Klappenersatzes bei schwerer (oder vielleicht schon mittelschwerer) Aortenklappenstenose nicht nur auf den Symptomen basiert sein, sondern auf dem bereits bestehenden «kardialen Schaden», den die chronische Nachlasterhöhung verursacht hat (frühe linksventrikuläre Dysfunktion gemäss Strain-Analyse, myokardiale Fibrose im MRI, erhöhte natriuretische Peptide, pulmonale Hypertonie usw.). Dies wird wichtig sein für die im klinischen Alltag typischerweise deutlich älteren und schwerer erkrankten Betroffenen mit schwerer Aortenklappenstenose, bei denen das höhere Eingriffsrisiko dem Nutzen gegenübergestellt werden muss.
Micha T. Maeder
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