infomed-screen
Demenz-Prävention: eine enttäuschende Bilanz
Weder Medikamente noch Training bringen einen sicheren Nutzen hinsichtlich der Vorbeugung eines kognitiven Abbaus.
- Zusammenfassung: Etzel Gysling
- Kommentar: Andreas E. Stuck
- infomed screen Jahrgang 22 (2018)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 3. April 2018 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Fast auf der ganzen Welt steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung an. Da mit dem höheren Alter auch ein erhöhtes Demenzrisiko verbunden ist, werden immer mehr Menschen dement. Dies trifft auch in den Ländern zu, in denen das Demenzrisiko in einer bestimmten Altersklasse – beispielsweise mit 75 – gegenüber früher abgenommen hat. Ist die kognitive Beeinträchtigung einmal etabliert, so stehen zurzeit praktisch keine wirksamen Therapien zur Verfügung. Umso wichtiger wäre es, mögliche prophylaktische Strategien einsetzen zu können. Das Minnesota Evidence-based Practice Center (EPC) hat nun vier systematische Übersichten zu verschiedenen Möglichkeiten der Demenz-Prävention verfasst, die im Folgenden ganz kurz zusammengefasst sind.
Aus 32 randomisierten Studien wurden diejenigen 16 ausgewählt, in die Personen ohne kognitive Beeinträchtigung aufgenommen wurden und die ein geringes «Bias»-Risiko aufwiesen. Untersucht wurden die Auswirkungen körperlicher Aktivität im Vergleich mit inaktiven Kontrollen. Einzig eine kombinierte Intervention (körperliches und kognitives Training plus Diätratschläge) führte zu einer mässig signifikanten Verlangsamung des kognitiven Abbaus. Körperliche Aktivität allein hatte innerhalb der relativ kurzen Dauer der meisten Studien (6 Monate, vereinzelt länger) keine eindeutigen Auswirkungen auf die Kognition.
Für diese Übersicht wurden 51 randomisierte Studien berücksichtigt, in denen Personen mit normaler oder leicht eingeschränkter Kognition medikamentös behandelt wurden. Fast immer erfolgte ein Vergleich mit Placebo, vereinzelt mit «üblicher Behandlung» (z.B. bei Hypertonie). Sexualhormone, Antihypertensiva und Lipidsenker waren die am häufigsten untersuchten Medikamente. Bei Frauen, die Sexualhormone erhielten, fand sich ein höheres Risiko einer dementiellen Entwicklung. In den anderen Studien ergaben sich ungenügende Daten oder nur geringe Vorteile der aktiven Intervention. Unerwünschte Wirkungen wurden nicht immer rapportiert; unter Östrogenen und Gestagenen zeigte sich aber ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Ereignisse.
Auch in dieser Übersicht wurden randomisierte Studien berücksichtigt, die mindestens 6 Monate dauerten und an denen Personen ohne oder mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung teilnahmen. In 38 Studien waren verschiedene rezeptfreie Mittel kontrolliert eingesetzt worden; am häufigsten handelte es sich um Supplemente von Omega-3-Fettsäuren, Soja, Multivitaminen, Ginkgo und Vitamin E. Bei täglicher Verabreichung von Vitamin B12 + Folsäure konnte eine objektivierbare, aber klinisch kaum bedeutsame Verbesserung in gewissen Gedächtnistests festgestellt werden. Für andere Interventionen ergab sich entweder kein oder ein unsicherer Nutzen hinsichtlich kognitiver Veränderungen.
Hier wurden Studien zusammengefasst, in denen Verfahren getestet wurden, die zu einer Verbesserung der kognitiven Leistung führen sollten. Es handelte sich um Übungen am Computer oder in Therapiegruppen. Sechs von elf randomisierten Studien wurden bei Gesunden mit normalen kognitiven Fähigkeiten, fünf bei Personen mit leicht eingeschränkter Kognition durchgeführt. Für die letztere Gruppe ergab sich kein oder nur ein unsicherer Nutzen bezüglich kognitiver Leistung. Bei alten Leuten mit normalen kognitiven Fähigkeiten zeigte sich eine Verbesserung in dem Bereich, der spezifisch trainiert worden war (z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis).
Zusammengefasst von Etzel Gysling
Es gibt auch 2018 kein Mittel und keine Methode zur wirksamen Vorbeugung der Demenz. Dies betrifft ganz besonders ältere Patienten und Patientinnen, die wegen einer leichten kognitiven Einschränkung die Sprechstunde aufsuchen, und damit ein erhöhtes Demenz-Risiko haben. Trotzdem, es gibt ausreichend Evidenz dafür, dass wir diese Patienten in der Praxis wirksam beraten können. Es ist nämlich gut belegt, dass Prävention im Alter für andere Outcomes wirksam ist. Zum Beispiel: Optimale Blutdruckeinstellung reduziert das Hirnschlagrisiko, körperliches Training vermindert Sturzgefährdung und Frakturen, Hörgeräteversorgung verbessert die kognitive Aktivität oder gute Vorsorge trägt zur Lebensqualität bei. Alles Bereiche, die in der Beratung älterer Menschen mit kognitiven Einschränkungen besonders wichtig sind.
Andreas Stuck
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 22 -- No. 2
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Demenz-Prävention: eine enttäuschende Bilanz ( 2018)
Login
infomed-screen abonnieren
Aktueller infomed-screen-Jahrgang
pharma-kritik abonnieren
100 wichtige Medikamente
Passwort beantragen
infomed mailings
-
Jahrgang 2024
Jahrgang 2023
Jahrgang 2022
Jahrgang 2021
Jahrgang 2020
Jahrgang 2019
Jahrgang 2018
Jahrgang 2017
Jahrgang 2016
Jahrgang 2015
Jahrgang 2014
Jahrgang 2013
Jahrgang 2012
Jahrgang 2011
Jahrgang 2010
Jahrgang 2009
Jahrgang 2008
Jahrgang 2007
Jahrgang 2006
Jahrgang 2005
Jahrgang 2004
Jahrgang 2003
Jahrgang 2002
Jahrgang 2001
Jahrgang 2000
Jahrgang 1999
Jahrgang 1998
Jahrgang 1997