Indacaterol

Indacaterol (Onbrez Breezhaler®) ist ein neues langwirkendes Betamimetikum, das zur inhalativen Therapie der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) empfohlen wird.

Chemie/Pharmakologie

Indacaterol ist ein selektiver beta2Agonist; diese Substanzgruppe stimuliert die intrazelluläre Adenylzyklase, welche die Umwandlung von Adenosin-Triphosphat (ATP) zu zyklischem Adenosin-Monophosphat (cAMP) katalysiert, und fördert so die Relaxation der glatten Bronchialmuskulatur. Indacaterol zeichnet sich durch eine lange bronchodilatierende Wirkung aus: während sie bei Formoterol (Foradil®, Oxis®) und Salmeterol (Serevent®), den beiden bisher verfügbaren langwirkenden Betamimetika, etwa 12 Stunden anhält, erreicht sie bei Indacaterol mindestens 24 Stunden. Zudem erfolgt der Wirkungseintritt von Indacaterol rasch, ungefähr 5 Minuten nach Inhalation.(1)

Pharmakokinetik

Nach Inhalation von Indacaterol ist innerhalb von 15 Minuten die maximale Plasmakonzentration erreicht (Medianwert). Die Aufnahme ins Blut findet über Lunge und Darm statt. Durchschnittlich 43% der verabreichten Dosis werden systemisch verfügbar. Indacaterol wird sowohl in unveränderter als auch in metabolisierter Form vor allem im Stuhl ausgeschieden. Metaboliten entstehen über verschiedene Wege: am bedeutendsten sind die zytochromvermittelte Hydroxylierung, für die CYP3A4 hauptverantwortlich ist, sowie die direkte Glukuronidierung. Als effektive Plasmahalbwertszeit wird ein Wert zwischen 40 und 52 Stunden angegeben. Bei leichter bis mässiggradiger Leberfunktionsstörung fand sich keine Veränderung der durchschnittlichen Plasmakonzentration.(2,3)

Klinische Studien

Mit Indacaterol haben mehrere grosse Doppelblindstudien stattgefunden, in denen das Mittel mit Placebo oder anderen Bronchodilatatoren verglichen worden ist. Untersucht wurden Personen, die als Folge eines Nikotinabusus an einer mittelschweren bis schweren chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit litten. Spirometrische Einschlusskriterien waren - 30 Minuten nach Inhalation von 0,4 mg Salbutamol (Ventolin® u.a.) gemessen - eine Erstsekundenkapazität (FEV1) von mindestens 30%, jedoch weniger als 80% des Normwertes sowie eine relative Erstsekundenkapazität (Quotient von Erstsekunden- zu Vitalkapazität = FEV1/FVC) von weniger als 70%. Personen mit Asthma bronchiale wurden nicht aufgenommen. Den primären Endpunkt bildete jeweils die Erstsekundenkapazität, die nach zwölf Wochen bestimmt wurde, und zwar der Tiefstpunkt-Wert in der 24. Stunde nach der letzten Inhalation. Als klinisch relevant wurde eine FEV1-Differenz von mindestens 0,12 l festgelegt.

In einer rein placebokontrollierten Studie (n=416) wurde gezeigt, dass sich mit Indacaterol (150 mcg/Tag) eine signifikante FEV1-Verbesserung erzielen lässt.(4)

In drei Studien wurde Indacaterol mit anderen langwirkenden Betamimetika verglichen. Bei 998 Personen testete man 26 Wochen lang Indacaterol (150 mcg/Tag), Salmeterol (2mal 50 mcg/Tag) und Placebo. Nach 12 Wochen hatte die Erstsekundenkapazität unter Indacaterol um 0,15 l und unter Salmeterol um 0,09 l zugenommen, derweil sie unter Placebo um 0,03 l gesunken war.(5) Bei 1123 Patienten und Patientinnen führte man einen Direktvergleich zwischen Indacaterol (150 mcg/Tag) und Salmeterol (2mal 50 mcg/Tag) durch. Hier ergab sich ebenfalls eine FEV1-Differenz von 0,06 l zugunsten von Indacaterol (die Studie ist allerdings erst als «Abstract» publiziert).(6) In der dritten Untersuchung, die sich über ein Jahr erstreckte, behandelte man 1728 Personen mit Indacaterol in höherer Dosis (300 oder 600 mcg/Tag), Formoterol (2mal 12 mcg/Tag) oder Placebo. In dieser Studie lag der FEV1-Wert nach 12 Wochen bei beiden Indacaterol-Dosen um 0,17 l und bei Formoterol um 0,07 l höher als bei Placebo. Der Effekt der beiden Betamimetika blieb über die ganze Studiendauer bestehen.(7)

Auch dem langwirkenden Anticholinergikum Tiotropium (Spiriva®, 1mal 18 mcg/Tag) wurde Indacaterol gegenübergestellt. Bei 1665 Personen verzeichnete man nach 12 Wochen mit der Indacaterol-Tagesdosis von 150 mcg einen FEV1-Anstieg von 1,34 auf 1,46 l, mit der Tagesdosis von 300 mcg von 1,36 auf 1,46 l, mit Tiotropium von 1,28 auf 1,42 l und mit Placebo eine Abnahme von 1,33 auf 1,28 l (der Vergleich zwischen Indacaterol und Tiotropium wurde in dieser Studie offen geführt).(2,8) Erst in Kurzform veröffentlicht ist ein 12wöchiger Direktvergleich (n=1598), bei dem die FEV1-Verbesserung unter Indacaterol (150 mcg/Tag) 0,13 l und unter Tiotropium 0,12 l erreichte.(9)

In den Studien erfasste man neben den spirometrischen Daten ergänzend als sekundäre Endpunkte, wie sich Dyspnoe und allgemeiner Krankheitszustand veränderten (mit Hilfe des «Transition dyspnea index» bzw. des «St. George’s Respiratory Questionnaire»), wie häufig zusätzliche Salbumatol-Inhalationen nötig waren und wieviele COPD-Exazerbationen auftraten. Zwar lieferte Indacaterol auch bei diesen sekundären Endpunkten bessere Resultate als die anderen Bronchodilatatoren, doch waren die Unterschiede mehrheitlich nicht signifikant oder klinisch nicht ausschlaggebend.

Unerwünschte Wirkungen

Indacaterol löst bei rund 30% der Behandelten einen kurzen Husten aus, der binnen 15 Sekunden nach Inhalation auftritt. Auch Kopfschmerzen, Diarrhoe, Muskelspasmen, Tremor und Pulsanstieg sind vorgekommen, ferner – nicht ganz von der Grundkrankheit zu trennen – sonstiger Husten, Infekte der Atemwege und Dyspnoe. Wie die anderen Betamimetika dürfte Indacaterol bei genügend hoher systemischer Exposition oder bei empfindlichen Personen auch kardiovaskuläre Probleme (Herzrhythmusstörungen, Blutdruckanstieg u.a.) oder metabolische Störungen (Hypokaliämie, Hyperglykämie) hervorrufen können.

Interaktionen

Starke CYP3A4- und PGlykoprotein-Hemmer – Indacaterol ist Substrat dieses Transportproteins – können die Indacaterol-Exposition bis auf das Doppelte erhöhen. Indacaterol scheint seinerseits eine Hemmwirkung auf CYP1A2 und 2D6 auszuüben. Da Indacaterol systemisch nur in geringer Konzentration vorliegt, dürfte aber beides im Allgemeinen keine nennenswerte Rolle spielen.

Ausserdem ist an mögliche pharmakodynamische Interaktionen zu denken, zum Beispiel in Kombination mit anderen, den Kaliumspiegel senkenden Medikamenten. Betamimetika gehören zu den Substanzen, die zu einer Verlängerung des QTIntervalls beitragen können; zwar wurde dieser Effekt unter Indacaterol allein bislang nicht beobachtet, doch wird zu Vorsicht geraten, wenn Indacaterol mit Medikamenten kombiniert wird, die eine dokumentierte QTverlängernde Wirkung besitzen.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Indacaterol (Onbrez Breezhaler®) wird in Form von pulverhaltigen Kapseln angeboten, die 150 oder 300 mcg Wirkstoff enthalten. Zur Anwendung wird ein spezielles Inhalationsgerät (sog. «Breezhaler») benötigt, das in den Packungen enthalten ist. Indacaterol wird einmal pro Tag verwendet. Die empfohlene Dosis beträgt 150 mcg/Tag; bei Bedarf kann sie auf 300 mcg/Tag verdoppelt werden. Die Zulassung beschränkt sich auf die Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit; für den Einsatz bei Asthma bronchiale fehlen die notwendigen Daten. Bei schwangeren und stillenden Frauen ist Indacaterol nicht untersucht worden. Dasselbe gilt für Kinder und Jugendliche (ohnehin ist die chronisch-obstruktive Lungenkrankheit keine pädiatrische Erkrankung).

Indacaterol wird von den Krankenkassen vergütet. Der Monatspreis beträgt mit der niedrigeren Dosis 83.30 und mit der höheren 94.85 Franken. Andere langwirkende Bronchodilatatoren sind biliger: Formoterol (Foradil®, Oxis®, 2mal 12 mcg/Tag) kostet monatlich zwischen 54.70 und 61.85 Franken, Salmeterol (Serevent®, 2mal 50 mcg/Tag) 62.70 Franken und Tiotropium (Spiriva®, 1mal 18 mcg/Tag) 65.50 Franken.

Kommentar

Angesichts der Kontroverse, die in Bezug auf die Anwendung der langwirkenden Betamimetika bei Asthma geführt wird, ist es konsequent, dass Indacaterol nur bei chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit umfassend untersucht und zugelassen ist. Es handelt sich um das erste Betamimetikum, das, wie das Anticholinergikum Tiotropium, nur einmal täglich inhaliert zu werden braucht – was sich als Vorteil anführen lässt, freilich nicht übermässig gewichtet werden sollte. Die bisher durchgeführten Studien haben den Beweis schuldig bleiben lassen, dass Indacaterol den anderen langwirkenden Bronchodilatatoren entscheidend überlegen ist (zumal die Studien mehrheitlich zu wenig «Power» besassen, um einen Unterschied aufzuzeigen). So bleibt das Eis relativ dünn, um den Preis von Indacaterol zu verteidigen, der rund ein Drittel über demjenigen der Konkurrenzsubstanzen liegt.

Standpunkte und Meinungen

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Indacaterol (14. Februar 2011)
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pharma-kritik, 32/No. 9
PK793
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