Acetylsalicylsäure als Plättchenhemmer
- Autor(en): Urs Dieter Kappeler
- Reviewer: Hans W. Kummer, Oswald Oelz
- pharma-kritik-Jahrgang 16
, Nummer 16, PK483
Redaktionsschluss: 28. August 1994 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Update
Acetylsalicylsäure hat heute einen festen Platz in der Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Komplikationen. Von einer Prophylaxe profitieren insbesondere Patienten, die einen Herzinfarkt, ischämische Insulte oder transitorische ischämische Attacken (TIA) erlitten haben. Acetylsalicylsäure vermag zudem Verschlüsse nach Operationen der Koronargefässe zu vermindern. Das Medikament hat sich auch bei instabiler Angina pectoris und zur Akutbehandlung des Myokardinfarkts bewährt.(1) Neue klinische Studien und Metaanalysen erweitern oder ergänzen diese Erkenntnisse.
Pharmakologie
Bei der Entstehung kardiovaskulärer Krankheiten spielen die Blutplättchen eine zentrale Rolle. Die Aggregation der Plättchen beruht auf einer Kaskade physiologisch komplexer Vorgänge. Acetylsalicylsäure vermindert die Plättchenaggregation durch irreversible Blockierung der Plättchen- Zyklooxygenase. Mit der Hemmung dieses Enzyms wird die Neusynthese des Prostanoids Thromboxan A2 (TXA2) unterdrückt. TXA2 wirkt vasokonstriktorisch und ist einer der stärksten physiologischen Induktoren der Plättchenaggregation. Es ist möglich, dass noch weitere Wirkmechanismen (z.B. fibrinolytische Aktivität, Einfluss auf das Gerinnungssystem) eine Rolle spielen.(2,3)
Dosierung
Die Frage, ob sich die Plättchen-Zyklooxygenase mit kleinen Dosen oder mit verlängerten Dosisintervallen selektiv hemmen lasse, kann bis heute nicht schlüssig beantwortet werden. Bei einer selektiven Hemmung der Plättchen-Enzyme bliebe die erwünschte Prostazyklin-Synthese der Endothelzellen erhalten. Prostazyklin wirkt der Plättchenaggregation entgegen und erweitert die Gefässe. Für Retardpräparate (z.B. Tiatral® SR) bestehen Hinweise, dass diese die basalen Prostazyklinwerte weniger stark senken als nicht-retardierte Präparate.(4)
In klinischen Studien wurden zur Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Komplikationen Dosen von 30 bis zu 1500 mg/Tag verwendet. Es gibt nur wenige Studien, in denen die Dosierungsfrage ein zentrales Thema war. Es bleibt somit schwierig zu beantworten, welche Dosis bei guter Verträglichkeit die wirksamste sein könnte. In einer grossen Metaanalyse von Plättchenhemmer-Studien wurden in bezug auf die Dosierung 46 klinische Studien ausgewertet. (5) In diesen Studien waren ganz unterschiedliche Tagesdosen verwendet worden. Die Analyse zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den verschiedenen Dosen: mit allen Dosen konnte die Inzidenz vaskulärer Ereignisse um 20 bis 30% gesenkt werden. Als «vaskuläre Ereignisse» wurden Myokardinfarkt, Schlaganfall oder vaskulärer Tod definiert. Studien, in denen durchwegs niedrige Dosen verwendet wurden, waren bei dieser Metaanalyse die Ausnahme. In die Diskussion schlossen die Autoren deshalb zusätzliche, neuere Studien ein. Damit wurde die Anzahl der Patienten, die exakt 75 mg/Tag oder Placebo erhalten hatten, auf rund 5000 erweitert. Es zeigte sich, dass diese Dosis genügt, um die Inzidenz vaskulärer Ereignisse um etwa 30% zu senken.(5)
In einer Studie mit Patienten nach TIA oder einem leichten ischämischen Insult wurde eine noch kleinere Dosis (30 mg/Tag) mit einer Dosis von 283 mg/Tag verglichen. Bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 2,6 Jahren erwiesen sich auch hier beide Dosen als gleich gut wirksam.(6)
Welche Dosis soll bei welcher Indikation eingesetzt werden? Als Regel gilt, dass akute Situationen höhere Dosen erfordern. So wird bei Patienten mit Verdacht auf einen frischen Herzinfarkt eine Minimaldosis von 160 mg/Tag empfohlen.(7)Bei Männern, die wegen instabiler Angina pectoris hospitalisiert werden mussten, waren 75 mg täglich zur Infarktprophylaxe gut wirksam. Innerhalb der ersten fünf Tage konnte die Inzidenz von Myokardinfarkten allerdings nur mit der Kombination Heparin/Acetylsalicylsäure signifikant gesenkt werden. Auch die Autoren dieser Studie empfehlen deshalb eine erhöhte Anfangsdosis oder -- während den ersten Tagen -- die Kombination mit Heparin.(8)
Acetylsalicylsäure bei Vorhofflimmern
Patienten mit Vorhofflimmern haben gegenüber gesunden Personen ein mit zunehmendem A lter erhöhtes Risiko für ischämische Schlaganfälle. Zusätzliche Risikofaktoren stellen Hypertonie, Status nach TIA oder nach ischämischen Insulten und Diabetes dar.
Antikoagulantien sind überlegen
Gemäss einer Metaanalyse von fünf klinischen Studien, in welchen orale Antikoagulantien oder Acetylsalicylsäure verwendet worden waren, sind insbesondere die Antikoagulantien gut prophylaktisch wirksam: Mit den Antikoagulantien konnte die Zahl der Schlaganfälle um rund 70% gesenkt werden! Bei Frauen wurde die Inzidenz der Schlaganfälle durchschnittlich um 84%, bei Männern um 60% gesenkt. Für Acetylsalicylsäure, die in nur zwei der fünf Studien verwendet worden war, ergab sich lediglich für Patienten, die an Hypertonie litten, eine relevante Senkung des Hirnschlag-Risikos (um 60%).(9)
Acetylsalicylsäure und Antikoagulantien wurden auch bei verschiedenen Altersgruppen miteinander verglichen. Insgesamt erhielten 1100 Patienten, die noch nie einen Schlaganfall oder systemische Embolien erlitten hatten, randomisiert Acetylsalicylsäure (325 mg/Tag) oder Antikoagulantien (Warfarin). Warfarin war im ganzen nicht signifikant wirksamer als Acetylsalicylsäure. g) erlitten mit Antikoagulantien pro Jahr in 3,6% Schlaganfälle oder systemische Embolien, mit Acetylsalicylsäure waren es 4,8%. Jüngere Patienten (bis 75jährig) wiesen generell ein kleineres Risiko für Schlaganfälle und systemische Embolien auf. Aber auch bei Jüngeren waren Schlaganfälle unter Antikoagulantien seltener (jährlich 1,3%) als unter Acteylsalicylsäure (1,9%). Jüngere Leute ohne zusätzliche Risikofaktoren hatten auch unter Acetylsalicylsäure sehr selten Schlaganfälle (0,5%).
Allgemein und besonders bei älteren Leuten stellen orale Antikoagulantien ein höheres Risiko intrakranieller Blutungen als Acetylsalicylsäure dar. Gemäss dieser Studie kann deshalb bei jüngeren Personen, die neben dem Vorhofflimmern keine zusätzliche Risikofaktoren aufweisen, eine Prophylaxe mit Acetylsalicylsäure durchgeführt werden. Acetylsalicylsäure kann auch bei älteren Patienten eingesetzt werden, wenn eine chronische Antikoagulation kontraindiziert ist.(10)
Sekundärprophylaxe
Antikoagulantien und Acetylsalicylsäure wurden auch in der Sekundärprophylaxe vaskulärer Ereignisse nach TIA oder leichten ischämischen Insulten miteinander verglichen. Eine Patientengruppe (n= 669) erhielt randomisiert Antikoagulantien, Acetylsalicylsäure oder Placebo. Eine zweite Gruppe von Patienten (n= 338), bei denen Antikoagulantien als kontraindiziert galten, erhielt randomisiert Acetylsalicylsäure oder Placebo. Mit Antikoagulantien wurden jährlich 8% vaskuläre Ereignisse verzeichnet, mit Placebo signifikant mehr (17%). Zwischen Acetylsalicylsäure und Placebo waren die Unterschiede nicht signifikant (15% bzw. 19%). Berücksichtigt man nur die Schlaganfälle, so war die Wirksamkeit der Antikoagulantien besonders auffällig (jährlich 4%, unter Placebo 12%). Zwischen Acetylsalicylsäure und Placebo ergaben sich dagegen in bezug auf die Schlaganfälle keine signifikanten Unterschiede. Die Resultate lassen sich zusammenfassend folgendermassen umschreiben: Antikoagulantien verhindern gut doppelt soviele vaskuläre Folgeereignisse (90/1000) als die Acetylsalicylsäure (40/1000). Anderseits wurden unter Antikoagulantien mehr Blutungen beobachtet als unter Acetylsalicylsäure oder Placebo; intrakranielle Blutungen kamen allerdings kaum vor. Nach dieser Studie sollen Patienten mit Vorhofflimmern nach TIA oder leichten ischämischen Insulten nur dann Acetylsalicylsäure erhalten, wenn eine Kontraindikation für Antikoagulantien besteht.(11)
Stabile Angina pectoris
Dass Myokardinfarkte bei Risikopatienten mit stabiler Angina pectoris durch die prophylaktische Gabe von Acetylsalicylsäure (325 mg alle 2 Tage) signifikant reduziert werden können, wurde in der Physicians’ Health Study bei 333 Männern gezeigt. Die Senkung betrug gegenüber Placebo 87%.(12)
Eine prospektive Doppelblindstudie, an der 2035 Patienten beteiligt waren, liefert weitere Daten: Neben Sotalol (z.B. Sotalex®, mediane Dosis 160 mg/Tag) erhielten die Patienten während durchschnittlich 50 Monaten Acetylsalicylsäure (75 mg/Tag) oder Placebo. Gegenüber Placebo ereigneten sich unter der Acetylsalicylsäure-Prophylaxe 34% weniger Myokardinfarkte oder plötzliche Todesfälle. Auch andere vaskuläre Komplikationen (z.B. Schlaganfälle) waren unter Acetylsalicylsäure seltener. Die Inzidenz der tödlich verlaufenden Myokardinfarkte war indessen in beiden Gruppen gleich hoch. Die Autoren der Studie empfehlen für alle Personen mit stabiler Angina pectoris eine Prophylaxe mit einem Betablocker und niedrig dosierter Acetylsalicylsäure.(13)
Diabetes
Die diabetische Retinopathie galt als Kontraindikation für eine Plättchenhemmung mit Acetylsalicylsäure.(1) Da Dia- betiker ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen aufweisen, könnte Acetylsalicylsäure jedoch auch solchen Patienten einen Nutzen bringen.
Zur Klärung dieser Frage wurde eine randomisierte Multizenterstudie mit 3711 Patienten durchgeführt. Acetylsalicylsäure (650 mg/Tag) wurde mit Placebo verglichen. Untersucht wurden die Mortalität und die Inzidenz kardiovaskulärer und renaler Komplikationen. Es fanden sich kaum signifikante Unterschiede; die kumulierte Fünfjahresmortalität war in beiden Gruppen ähnlich gross (18,3% unter Acetylsalicylsäure, 19,7% unter Placebo). Auch kardiovaskuläre und renale Komplikationen waren in den beiden Gruppen ähnlich häufig. In den ersten fünf Jahren der Studie kamen allerdings unter Acetylsalicylsäure signifikant weniger Myokardinfarkte als unter Placebo vor. Der Verlauf der Retinopathie wurde von Acetylsalicylsäure nicht fassbar negativ oder positiv beeinflusst. Glaskörperblutungen waren unter Acetylsalicylsäure nicht gehäuft. Diabetiker mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko profitieren von einer Acetylsalicylsäure-Prophylaxe.(14)
Venöse Thrombosen und Lungenembolien
Venöse Thromben entstehen hauptsächlich durch Immobilität, z.B. durch langes Liegen im Spital und nach operativen Eingriffen. Nach allgemeinen Operationen beträgt die Thromboseinzidenz rund 25%, nach orthopädischen Eingriffen ist sie etwa doppelt so hoch. Subklinisch vorhandene Thromben lösen sich in vielen Fällen mit der wiedererlangten Bewegungsfreiheit komplikationslos auf, können jedoch auch zu einer Lungenembolie führen. Die Prophylaxe der Wahl besteht aus Heparin.
Bis anhin hatte auf Grund klinischer Studien nicht nachgewiesen werden können, dass plättchenhemmende Medikamente per se prophylaktisch wirken oder dass sie die Wirkung von Heparin verstärken könnten.
Wirkung verschiedener Plättchenhemmer
Eine neuere Metaanalyse bietet eine Übersicht über randomisierte Studien, in denen plättchenhemmende Medikamente mit Placebo verglichen wurden. Venöse Thromben wurden in allen diesen Studien mittels geeigneter Methoden erfasst. Insgesamt waren rund 9000 Patienten aus verschiedenen Risikogruppen an den Studien beteiligt. Als Plättchenhemmer wurden Acetylsalicylsäure, Acetylsalicylsäure/Dipyridamol (Dipyridamol = Persantin ® u.a.), Hydroxychloroquin (Plaquenil®) oder Ticlopidin (Ticlid®) verwendet. Die Therapien (Plättchenhemmer oder Placebo) dauerten durchschnittlich 1-2 Wochen. Es zeigte sich, dass mit den Plättchenhemmern bei allen Risikopatienten gegenüber Placebo eine hochsignifikante, 40%ige Verminderung von tiefen und proximalen venösen Thrombosen erzielt werden konnte. Das beste Resultat ergab sich nach elektiven orthopädischen Operationen mit einer Senkung um rund 50%. Noch grösser war die vorbeugende Wirkung gegen Lungenembolien: insgesamt konnte deren Inzidenz gegenüber Placebo um über 60% vermindert werden. Im indirekten Vergleich zwischen verschiedenen Plättchenhemmern waren gegen venöse Thrombosen Hydroxychloroquin und die Kombinationstherapie von Acetylsalicylsäure und Dipyridamol am wirksamsten, gegen Lungenembolien die Monotherapie mit Acetylsalicylsäure.(15)
Wirkung der Acetylsalicylsäure in Frage gestellt
Diese Resultate werden jedoch durch eine andere Übersichtsarbeit weitgehend relativiert. Diese liefert eine Analyse von 56 klinischen Studien, die mit Patienten nach elektiven totalen Hüftgelenksoperationen durchgeführt worden waren. Das ist genau diejenige Risikogruppe, für die mit Plättchenhemmern gemäss der oben besprochenen Metaanalyse die besten Resultate erzielt worden waren. Die statistische Auswertung zeigte, dass mit allen verwendeten Therapien (Antikoagulantien, Dextran, Heparine, Kompressionsstrümpfe) das Risiko der Entstehung von tiefen oder proximalen Venenthromben gesenkt werden konnte, nicht jedoch mit Acetylsalicylsäure. Lungenembolien konnten nur mit niedermolekularem Heparin oder Kompressionsstrümpfen verhindert werden. Im Vergleich der verschiedenen Therapien zur Prophylaxe tiefer Venenthrombosen war niedermolekulares Heparin am effektivsten. Zur Vorbeugung von Lungenembolien waren niedermolekulares Heparin und Kompressionsstrümpfe am wirksamsten.(16)
Präeklampsie
Die Präeklampsie umfasst als Spätgestose die Symptome Ödem, Proteinurie und Hypertension. Sie ist eine der wichtigsten Ursachen mütterlicher Todesfälle in der Schwangerschaft. Präeklampsie kann auch zu einer Verzögerung des fetalen Grössenwachstums führen oder tödliche Folgen für den Fetus haben. Bei der Präeklampsie kann ein Ungleichgewicht der Prostanoide TXA2 und Prostazyklin beobachtet werden. Erhöhte Thromboxanwerte sind möglicherweise zum Teil für die Präeklampsie verantwortlich.(17)
In einer kürzlich publizierten randomisierten Multizenterstudie hatten 9364 Schwangere zur Prophylaxe oder zur Therapie der Präeklampsie Acetylsalicylsäure (60 mg/Tag) oder Placebo erhalten. Insgesamt ergab sich mit Acetylsalicylsäure gegenüber Placebo eine nicht-signifikante Reduktion der Inzidenz präeklamptischer Symptome von 12%. Nur die Dauer der Schwangerschaft wurde signifikant beeinflusst: Mit Acetylsalicylsäure war die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt (Entbindung vor der 37. Schwangerschaftswoche) im Vergleich mit Placebo kleiner. Ein klinisch relevanter Trend war bei denjenigen Frauen zu erkennen, bei denen präeklamptische Symptome früh einsetzten und die aus diesem Grund vorzeitig gebären mussten. Bei diesen Frauen konnten die Symptome mit einer Acetylsalicylsäure-Prophylaxe verbessert werden.
Mit Acetylsalicylsäure ergaben sich im Vergleich mit Placebo keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Inzidenz von plazentaren oder in Verbindung mit Epiduralanästhesien auftretenden Blutungen. Bis anhin hat sich unter Acetylsalicylsäure auch keine Erhöhung des kindlichen Blutungsrisikos gezeigt (die Studien sind noch im Gang).(18)
Unerwünschte Wirkungen und Kontraindikationen
Die schwerwiegendsten Komplikationen einer Langzeittherapie mit Acetylsalicylsäure sind gastrointestinale Blutungen und -- viel seltener -- Hirnblutungen. Magen-Darm- Blutungen scheinen weitgehend dosisabhängig zu sein. Bei Patienten mit einer leichten oder unentdeckten hämorrhagischen Diathese können jedoch auch schon niedrigste Dosen gefährliche Komplikationen hervorrufen. Eine hämorrhagische Diathese ist deshalb ebenso wie ein gastrointestinales Ulkus eine Kontraindikationen für Acetylsalicylsäure. Eine statistisch signifikante Zunahme primärer hämorrhagischer Schlaganfälle hat bis anhin nicht nachgewiesen werden können; immerhin wurden in klinischen Studien Trends für ein erhöhtes Risiko festgestellt.(19)
Schlussfolgerungen
Acetylsalicylsäure stellt eine wirksame Sekundärprophylaxe verschiedener kardiovaskulärer Erkrankungen dar. Die Frage der optimalen Dosis ist nicht geklärt. Akute Situationen erfordern in der Regel höhere Dosen. Eine Tagesdosis von 100 mg sollte jedoch für die meisten nichtakuten Indikationen genügen.
Bei Patienten mit Vorhofflimmern können Schlaganfälle mit Acetylsalicylsäure vermindert werden. In klinischen Studien hat sich bis anhin nur eine Tagesdosis von 325 mg als wirksam erwiesen. Antikoagulantien sind nahezu doppelt so wirksam wie Acetylsalicylsäure. Das könnte damit zusammenhängen, dass bei der Entstehung von Thromben des linken Vorhofs Fibrin die weitaus wichtigere Rolle spielt als die Plättchen. Zumindest theoretisch wäre Acetylsalicylsäure daher eher bei Patienten mit zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktoren, die gleichfalls zu Schlaganfällen führen können, nützlich. Da sich Antikoagulantien jedoch auch bei diesen Patienten als wirksamer gezeigt haben, sollte Acetylsalicylsäure vorderhand nur bei unter 75jährigen ohne zusätzliche Risikofaktoren eingesetzt werden.
Bei stabiler Angina pectoris lässt sich mit Acetylsalicylsäure (100 mg/Tag) oft verhindern, dass sich akute koronare Ereignisse entwickeln.
Zur Prophylaxe von venösen Thrombosen und Lungenembolien kann Acetylsalicylsäure nicht empfohlen werden. Ob das Medikament allenfalls in Ergänzung zu niedermolekularem Heparin dazu beitragen könnte, die Mortalität weiter zu senken, ist noch unbestimmt.
Eine neue Studie hat keinen sehr bedeutsamen Nutzen der Acetylsalicylsäure in der Prophylaxe und Therapie der Präeklampsie zeigen können. Die Bedeutung der Prostanoide für die Pathogenese dieses Symptomenkomplexes muss deshalb neu überdacht werden. Acetylsalicylsäure scheint immerhin denjenigen Frauen zu helfen, bei denen präeklamptische Symptome früh einsetzen und die deswegen vorzeitig gebären müssen. Die Therapie mit 100 mg/Tag sollte in diesen Fällen möglichst früh während des zweiten Trimesters begonnen werden.
Literatur
- 1) Meier PJ, Oelz O. pharma-kritik 1989; 11: 61-4
- 2) Willard JE et al. N Engl J Med 1992; 327: 175-81
- 3) Lekstrom JA, Bell WR. Medicine 1991; 70: 161-78
- 4) Clarke RJ et al. N Engl J Med 1991; 325: 1137-41
- 5) Antiplatelet Trialists’ Collaboration. Br Med J 1994; 308: 81-106
- 6) Dutch TIA Trial Study Group. N Engl J Med 1991; 325: 1261-6
- 7) ISIS-2 Collaborative Group. Lancet 1988; ii: 349-60
- 8) RISC Group. Lancet 1990; 336: 827-30
- 9) Atrial Fibrillation Investigators. Arch Intern Med 1994; 154: 1449-57
- 10) Stroke Prevention in Atrial Fibrillation Investigators. Lancet 1994; 343: 687-91
- 11) EAFT Study Group. Lancet 1993; 342: 1255-62
- 12) Ridker PM et al. Ann Intern Med 1991; 114: 835-9
- 13) SAPAT Group. Lancet 1992; 340: 1421-5
- 14) ETDRS Investigators. JAMA 1992; 268: 1292-300
- 15) Antiplatelet Trialists’ Collaboration. Br Med J 1994; 308: 235-46
- 16) Imperiale TF, Speroff T. JAMA 1994; 271: 1780-5
- 17) Dekker GA, Sibai BM. Am J Obstet Gynecol 1993; 168: 214-27
- 18) CLASP Collaborative Group. Lancet 1994; 343: 619-29
- 19) Fuster V et al. Circulation 1993; 87: 659-75
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
PK483
Verwandte Artikel
LoginGratisbuch bei einem Neuabo!
pharma-kritik abonnieren
-
Jahrgang 46 / 2024
Jahrgang 45 / 2023
Jahrgang 44 / 2022
Jahrgang 43 / 2021
Jahrgang 42 / 2020
Jahrgang 41 / 2019
Jahrgang 40 / 2018
Jahrgang 39 / 2017
Jahrgang 38 / 2016
Jahrgang 37 / 2015
Jahrgang 36 / 2014
Jahrgang 35 / 2013
Jahrgang 34 / 2012
Jahrgang 33 / 2011
Jahrgang 32 / 2010
Jahrgang 31 / 2009
Jahrgang 30 / 2008
Jahrgang 29 / 2007
Jahrgang 28 / 2006
Jahrgang 27 / 2005
Jahrgang 26 / 2004
Jahrgang 25 / 2003
Jahrgang 24 / 2002
Jahrgang 23 / 2001
Jahrgang 22 / 2000
Jahrgang 21 / 1999
Jahrgang 20 / 1998
Jahrgang 19 / 1997
Jahrgang 18 / 1996
Jahrgang 17 / 1995
Jahrgang 16 / 1994
Jahrgang 15 / 1993
Jahrgang 14 / 1992
Jahrgang 13 / 1991
Jahrgang 12 / 1990
Jahrgang 11 / 1989
Jahrgang 10 / 1988
Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?
Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.