Fischöl-Kapseln
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 28
, Nummer 6, PK154
Redaktionsschluss: 22. November 2006
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2006.154 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Fischöl-Kapseln
In der Schweiz ist ein rezeptpflichtiges Fischöl-Präparat (Eicosapen®) zur Behandlung der Hypertriglyzeridämie sowie mehrere frei erhältliche Fischöl-Präparate «zur diätetischen Ergänzung bei erhöhten Blutfettwerten und zur Sicherstellung des Bedarfs an ungesättigten Fettsäuren» erhältlich.
Aktuelle Übersichten zum Thema
Der «Medical Letter» hat im Juli 2006 eine allgemeine Übersicht zu Fischöl-Supplementen veröffentlicht;(1) in der Cochrane Library erschien im Juli 2006 eine neue Fassung der Übersicht zum Thema «mehrfach-ungesättigte Fettsäuren und Schizophrenie ».(2)Koronare Herzkrankheit
Im Vergleich mit Placebo oder keiner Intervention fand sich in zwei grossen randomisierten Studien bei Personen kurz nach einem Herzinfarkt im Zeitraum von 2 bis 3½ Jahren unter Fischölsupplementen eine signifikante Reduktion der Gesamt- und kardialen Mortalität. Fischöl wurde in Form von Kapseln mit täglich 1 oder 1,5 g ?3-mehrfachungesättigten Fettsäuren verabreicht; in der einen Studie konnten die Fischölkapseln durch fettreichen Fisch zweimal wöchentlich ersetzt werden.(3,4)
Eine ähnliche Intervention (fettreicher Fisch oder Fischölkapseln), ebenfalls randomisiert mit keiner Massnahme verglichen, ergab dagegen bei Männern mit Angina pectoris (etwa 50% mit einer Infarktanamnese) über 2 Jahre eine signifikante Zunahme kardialer Todesfälle.(5)
An einer kleineren Studie waren etwa 200 Personen mit Kammerarrhythmien beteiligt, von denen etwa drei Viertel auch eine koronare Herzkrankheit hatten. In diese Studie wurden ausschliesslich Personen mit einem implantierten Kardioverter/Defibrillator aufgenommen; Fischöl (1,8 g pro Tag) wurde mit Placebo verglichen. Unter Fischöl hatten 46% Defibrillator-behandelte Episoden von Kammerflimmern oder -tachykardie, unter Placebo nur 36%.(6)
Andere Erkrankungen
Bei Personen mit einem Typ-2-Diabetes fand sich unter Fischöl (1,8 g/Tag) eine geringere Dicke der Karotis-Intima und -Media. In einer japanischen, bisher nicht in den Einzelheiten veröffentlichten Studie waren koronare Ereignisse bei Personen mit einer Hypercholesterinämie signifikant seltener, wenn sie nicht nur ein Statin, sondern auch Fischöl (1,8 g/Tag) erhielten.
Bei Hypertriglyzeridämie können hohe Dosen von ?3-mehrfach- ungesättigten Fettsäuren die Triglyzeridspiegel – bei meistens geringfügigen Auswirkungen auf die Cholesterinfraktionen – um 20 bis 50% senken.
Eine günstige Auswirkung von ?3-mehrfach-ungesättigten Fettsäuren bei Schizophrenie ist zwar mehrfach vermutet worden; überzeugende Daten liegen jedoch nicht vor. Eine solche Behandlung muss weiterhin als experimentell bezeichnet werden.(2)
Randomisierte Studien, die einen Nutzen von Fischöl bei der allgemeinen Bevölkerung zeigen würden, liegen nicht vor.
Unerwünschte Wirkungen
Nach der Einnahme von Fischölkapseln kann Aufstossen oder Magenbrennen auftreten. Über einen Anstieg der LDLCholesterinwerte sowie des Blutzuckers wurde berichtet; letzteres soll jedoch nur unter hohen Dosen vorkommen. Hohe Dosen haben auch eine plättchenhemmende Wirkung; es ist nicht bekannt, ob dies zu klinisch relevanten Blutungen führen kann.
Kommentar
Im Gegensatz zu den enthusiastischen Stellungnahmen mehrerer Fachgesellschaften kommt die vom «Medical Letter » durchgeführte Analyse randomisierter Studien zu einem ernüchternden Resultat. Wir werden hier einmal mehr daran erinnert, dass Beobachtungsstudien – die ja in grosser Zahl für eine günstige Wirkung von fettem Fisch sprechen – gute randomisierte Studien nicht ersetzen können. Wem Fischöl wirklich nützt und wieviel es nützt, ist nicht eindeutig – Zurückhaltung ist angezeigt. Ob allerdings die Menschheit davon abgehalten werden kann, die Meere leer zu fischen, steht auf einem anderen Blatt.
Zusammengefasst und kommentiert von E. Gysling
Standpunkte und Meinungen
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