Neuroleptika beschleunigen Demenz
- Kommentar: Etzel Gysling
- infomed screen Jahrgang 1 (1997)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 1. März 1997 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Neuroleptika können zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei dementen Personen benutzt werden. Diese Therapie selber kann aber zu einer Verschlimmerung der Verhaltensstörungen oder zu Stürzen und damit zu Frakturen führen. In dieser prospektiven Langzeitstudie sollten die Auswirkungen von Neuroleptika auf den Verlauf der Demenz untersucht werden.
Methoden
Die Untersuchung wurde mit 71 Dementen (durchschnittliches Alter rund 73 Jahre), die anfänglich noch mit Betreuung zuhause lebten, in England durchgeführt. Diese Personen, die von ihren Hausärzten behandelt wurden, wurden alle 4 Monate bezüglich ihrer kognitiven Funktionen mit dem Mini-Mental-Status (MMS) beurteilt, zudem wurden Verhaltensstörungen wie aggressives Verhalten, Halluzinationen, Verfolgungsideen und Störungen des Tag- / Nacht-Rhythmus anhand einer siebenstufigen Häufigkeitsskala erfasst. Ein Teil der Untersuchten, die während der Studie verstarben, konnte autopsiert werden. An Neuroleptika wurden vor allem Thioridazin (z.B. Melleril®), Promazin (Prazine®), Haloperidol (z.B. Haldol®) und Chlorpromazin (z.B. Chlorazin®) eingesetzt.
Ergebnisse
Während der zweijährigen Beobachtungszeit hatten 16 Personen, die Neuroleptika einnahmen, einen statistisch signifikant schnelleren Verlauf der dementiellen Entwicklung als die Kontrollgruppe. Die durchschnittliche Abnahme der Punktzahl im MMS sowie in der Verhaltensskala betrug 20,7 Punkte bei Personen mit Neuroleptika, 9,3 Punkte bei den Kontrollen. Mit der Verschlechterung verbunden war das Auftreten von Aggressionen, eines gestörten Tag/Nachtrhythmus sowie von Verfolgungsideen. Mit Beginn einer neuroleptischen Behandlung trat auch die Verschlechterung der kognitiven Funktionen ein. Bei den Autopsien konnte kein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Neuroleptika und dem rascheren Verlauf gefunden werden: unter Neuroleptika traten demenzspezifische kortikale Veränderungen nicht vermehrt auf.
Schlussfolgerungen
Neuroleptika, die benutzt wurden, um Verhaltensstörungen bei Dementen zu behandeln, verstärkten die Demenz. Die Notwendigkeit einer neuroleptischen Behandlung sollte regelmässig neu evaluiert werden.
Diese Studie bestätigt lediglich, was erfahrene Geriater schon seit langem wissen. Schon vor 10 Jahren schrieb A. Wettstein, das Absetzen von Medikamenten sei die pharmakologische Massnahme, die am häufigsten spektakuläre Besserungen bei scheinbaren senilen Demenzen bringe.1
Etzel Gysling
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