Lokalisierter Prostatakrebs wenig gefährlich
- Kommentar: Beat Thürlimann
- infomed screen Jahrgang 1 (1997)
, Nummer 5
Publikationsdatum: 1. Mai 1997 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
In dieser Langzeitstudie wurde der Spontanverlauf von Prostatakarzinomen sowie der Einfluss der Behandlung untersucht. Es wurde ferner analysiert, wie sich Tumorstadium, histologische Differenzierung und Alter auf die langfristige Überlebensrate auswirken.
Methoden
Von 1977 bis 1984 wurden in Schweden 642 Männer (durchschnittliches Alter: 72 Jahre) mit einem Prostatakarzinom in die Studie einbezogen. Bei 300 Männern wurde ein lokalisierter Tumor (T0-T2) festgestellt. Von diesen erhielten 223 initial keine Therapie, wurden aber bei Progression mit Östrogenen oder einer Orchiektomie behandelt. 77 wurden sofort nach Diagnosestellung behandelt. 342 von einem fortgeschrittenen (T3-T4) oder metastasierenden Prostatakrebs Betroffene wurden jeweils nach den aktuellen Empfehlungen behandelt. Alle Männer wurden im Abstand von 2 bis 12 Monaten bis zum Tod bzw. bis zum Studienende (1994) untersucht. Endpunkt der Studie war der Tod durch das Prostatakarzinom oder infolge anderer Erkrankungen.
Ergebnisse
Bei Abschluss der Studie waren 84% aller Männer verstorben, wobei das Karzinom nur in 37% der Fälle die Todesursache darstellte. In der gesamten Kohorte kam es bei 280 Männern (44%) zu einer lokalen Tumorprogression oder zu einer Metastasierung. Die karzinombedingte Mortalität der 300 Männer mit lokalem Prostatakarzinom betrug 11%. Die korrigierte 15-Jahres-Überlebensrate dieser Männer betrug 81%, unabhängig davon, ob eine initiale Behandlung erfolgt war oder nicht. Für Männer, die schon zu Beginn einen lokal fortgeschrittenen Tumor hatten, wurde eine 15-Jahres-Überlebensrate von 57% errechnet. Eine Überlebensrate von 6% hatten diejenigen, die bereits bei der Diagnosestellung Fernmetastasen hatten. Jüngere Männer (unter 61) hatten häufiger Metastasen und eine höhere tumorbedingte Mortalität (36% bzw. 44%) als die über 80jährigen (5% bzw. 25%).
Schlussfolgerungen
Männer mit einem lokalisierten Prostatakarzinom hatten unter abwartendem Verhalten («watchful waiting») über einen Zeitraum von 15 Jahren dieselbe Prognose wie diejenigen, die sofort nach Diagnosestellung behandelt wurden.
Die Langzeitprognose eines lokalisierten Prostatakarzinoms ist bei über 65jährigen Männern recht gut, sie sterben meist nicht am Karzinom. Therapeutische Interventionen sind mit grosser Zurückhaltung zu planen, weil sie die Karzinom-bedingte Mortalität kaum beeinflussen, aber die Lebensqualität beeinträchtigen. Ein systematisches Screening mit Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) ist deshalb bei älteren Männern kaum sinnvoll. Jüngere Patienten werden eher frühzeitig und radikal behandelt, obwohl noch nicht genügend belegt ist, ob durch eine radikale Therapie die Karzinom-bedingte Mortalität günstig beeinflusst werden kann.
Die Resultate der grossen randomisierten Studien aus Nordamerika und Skandinavien, die diese Fragen beantworten sollen, werden erst in einigen Jahren vorliegen.
Beat Thürlimann
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