Bei asymptomatischer Bakteriurie keine Antibiotika
- Kommentar: Peter Diem
- infomed screen Jahrgang 7 (2003)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 1. Februar 2003 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Zuckerkranke Frauen haben ein grösseres Risiko für schwere Harnwegsinfekte als andere Frauen. In dieser randomisierten Studie wurde untersucht, ob die antibiotische Behandlung von asymptomatischen Bakteriurien bei zuckerkranken Frauen symptomatische Harnwegsinfektionen und deren Komplikationen vermindern kann.
Methoden
In die Studie aufgenommen wurden Diabetikerinnen mit einer asymptomatischen Bakteriurie (mindestens 105 Keime pro ml). Die untersuchte Gruppe war heterogen zusammengesetzt, darunter waren Frauen mit Diabetes Typ 1 und 2 von sehr unterschiedlicher Krankheitsdauer in der Prä- und Postmenopause. Nach dem Zufallsprinzip erhielten 50 Frauen Placebo, bei 55 Frauen erfolgte eine Therapie mit Trimethoprim/ Sulfamethoxazol (Bactrim® u.a.) und bei Unverträglichkeit oder Resistenz mit Ciprofloxacin (Ciproxin® u.a.) für 3- 14 Tage. 4 Wochen nach der Behandlung wurden während durchschnittlich 2 Jahren in 3monatigen Abständen Urinkulturen angesetzt. Beim erneuten Nachweis einer asymptomatischen Bakteriurie wurden die Frauen in der Antibiotika- Gruppe für 4 Wochen, beim zweiten Rückfall für 3 Monate antibiotisch behandelt. Symptomatische Infektionen wurden in beiden Gruppen mit Antibiotika behandelt.
Ergebnisse
Während der zweijährigen Beobachtungsdauer nahmen die Frauen in der Placebo-Gruppe insgesamt viel weniger Antibiotika ein als in der Antibiotika-Gruppe (an 34 von 1‘000 Tagen gegenüber 158 von 1'000 Tagen). 4 Wochen nach der ersten Behandlung hatten 78% der Frauen in der Placebogruppe weiterhin eine asymptomatische Bakteriurie, verglichen mit 20% in der Antibiotika-Gruppe. In beiden Gruppen mussten ungefähr 40% der Frauen mindestens einmal wegen einem symptomatischen Harnwegsinfekt antibiotisch behandelt werden. Auch die Zeit bis zum Auftreten der ersten symptomatischen Infektion war vergleichbar. Pyelonephritiden und Hospitalisationen wegen einem Harnwegsinfekt waren tendenziell häufiger in der Placebogruppe, der Unterschied blieb aber ohne statistische Signifikanz.
Schlussfolgerungen
Bei dieser heterogenen Gruppe zuckerkranker Frauen konnten zwar asymptomatische Bakteriurien mit Antibiotika reduziert werden. Die Behandlung verringerte aber nicht das Risiko für symptomatische Harnwegsinfektionen.
Bei 8 bis 14% der Diabetikerinnen findet sich eine asymptomatische Bakteriurie. Gleichzeitig sind bei Diabetikerinnen auch symptomatische Harnwegsinfekte deutlich gehäuft. Insbesondere amerikanische InfektiologInnen und DiabetologInnen haben vor diesem Hintergrund die antibiotische Therapie der asymptomatischen Bakteriurie empfohlen – dies natürlich in der Absicht, das Risiko des Fortschreitens zum symptomatischen Harnwegsinfekt zu reduzieren. In Europa hat sich diese Praxis allerdings deutlich weniger gut durchgesetzt. In der vorliegenden, sorgfältig durchgeführten Studie untersuchte man den möglichen Nutzen einer Therapie mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol als Therapie der Bakteriurie. Weder hinsichtlich der Häufigkeit von symptomatischen Harnwegsinfekten noch hinsichtlich des Intervalls bis zu einem allfälligen symptomatischen Harnwegsinfekt ergab sich ein signifikanter Unterschied gegenüber der Placebotherapie. Damit besteht bei Diabetikerinnen keine wissenschaftliche Basis für die antibiotische Therapie der asymptomatischen Bakteriurie.
Peter Diem
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