Jugendliche und ärztliches Geheimnis
- Kommentar: Elisabeth Zemp
- infomed screen Jahrgang 1 (1997)
, Nummer 10
Publikationsdatum: 1. November 1997 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Jugendliche sind beim Arzt oft verschlossen aus Furcht, dass ihre Informationen Drittpersonen preisgegeben werden. In dieser Studie wurde untersucht, ob das Verhalten Jugendlicher beeinflusst wird, falls ihnen das Prinzip des ärztlichen Geheimnisses erläutert wird.
Methoden
Die Studie wurde 1994 und 1995 mit 562 Schülern aus drei verschiedenen öffentlichen High-Schools in Kalifornien durchgeführt. Das Durchschnittsalter lag bei 15 Jahren. In drei Gruppen randomisiert hörte jeder Schüler eine Tonbandaufnahme eines fiktiven Arztgespräches an. Die für die Kontrollgruppe bestimmte Aufnahme enthielt keine Informationen über das ärztliche Geheimnis. Die beiden anderen Gruppen wurden über die Vertraulichkeit des ärztlichen Gesprächs unterrichtet, wobei je nach Gruppe über ein bedingtes Arztgeheimnis (z.B. Informationsweitergabe bei Suizidgefahr) oder über eine absolute Geheimhaltung informiert wurde. Mittels Fragebogen wurde danach die Auskunftsbereitschaft sowohl in Allgemeinfragen wie auch in heiklen Themen (Sexualverhalten, Drogeneinnahme und psychische Verfassung) ermittelt. Daneben wurde die Bereitschaft erfragt, bei Problemen zukünftig den Arzt aufzusuchen.
Ergebnisse
In der Kontrollgruppe wären 39% der Schüler bereit, heikle Themen zu diskutieren. Wussten die Schüler um das Arztgeheimnis, lag die Diskussionsbereitschaft bei 46%. Dabei machte es statistisch keinen signifikanten Unterschied aus, ob die Schüler über ein bedingtes oder unbedingtes Arztgeheimnis wussten. Schüler der Kontrollgruppe wie auch informierte Schüler behandelten Allgemeinfragen gleich offen. 53% der Kontrollgruppe hätten bei allfälligen Problemen den Arzt aufgesucht. Im Wissen einer bedingten Geheimhaltung waren 62% der Schüler zu einer Konsultation bereit, bei unbedingtem Arztgeheimnis war dies sogar bei 72% der Fall.
Schlussfolgerungen
Jugendliche mit Wissen um das Arztgeheimnis werden heikle Themen offener diskutieren und bei Problemen den Arzt bereitwilliger aufsuchen.
Ob und wie Ärzte offenlegen, wie sie mit vertraulichen Informationen – beispielsweise bezüglich Sexualität, Suizidabsichten, Konsum (il)legaler Drogen – umgehen, entscheidet darüber, was sie von ihren jugendlichen Patienten erfahren und ob sie diese wieder sehen. Ein Videotape in drei Varianten, bei welchen sich lediglich eine kurze Sequenz unterschied, wurde in einem gut ausgedachten experimentellen Setting amerikanischen Mittelschülern vorgelegt. «Wie sag' ich's meinen Patienten?» – das gilt auch für den Umgang mit vertraulichen Informationen bei Jugendlichen. Auch wenn diese sorgfältig analysierte Studie die Aussagebereitschaft nur für hypothetische Situationen untersuchen konnte, sprechen die Ergebnisse sehr dafür, das ärztliche Kommunikationsverhalten zu bedenken.
Elisabeth Zemp
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