Antikoagulantien zu häufig unterdosiert?

In dieser Studie wurde retrospektiv die Qualität der Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten oder mit direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) wie Rivaroxaban (Xarelto®) u.a. beurteilt. Erfasst wurden alle antikoagulierten Patientinnen und Patienten (n=1721), die während des Jahres 2018 in der Notfallstation des Bürgerspitals Solothurn untersucht worden waren. 41% waren mit Vitamin-K-Antagonisten, 59% mit DOAK behandelt, in den meisten Fällen wegen eines Vorhofflimmerns oder einer venösen Thrombose. Anhand der INR-Werte und der für die DOAK empfohlenen Dosierungen wurde geprüft, ob die Antikoagulation adäquat erfolgt war. Gemäss dieser Beurteilung waren die Antikoagulantien bei 20% zu niedrig und bei 12% zu hoch dosiert. Bezüglich des Blutungsrisikos fand sich kein Unterschied zwischen den verschiedenen Antikoagulantien; das Blutungsrisiko war jedoch höher, wenn jemand zudem Acetylsalicylsäure (Aspirin®) einnahm. 

Felix Tapernoux 

Kommentar 

Gemäss dieser Studie war nicht nur der INR-Wert (bei mit Vitamin-K-Antagonisten Behandelten) oft zu niedrig, sondern fast ebenso häufig – bei rund 17% – die Dosis der verwendeten DOAK zu klein. Welcher INR-Bereich als adäquat angesehen wurde, steht in der Arbeit allerdings nirgends. Auch darf die offiziell empfohlene Dosierung der DOAK durchaus hinterfragt werden. Ob nun die Antikoagulantien tatsächlich unterdosiert verordnet wurden, liesse sich nur entscheiden, wenn beide Seiten der Medaille – einerseits die thromboembolischen Komplikationen, anderseits die Blutungen – in einer entsprechend grossen Praxisstudie erfasst würden. Ich habe grosse Sympathien für die Kolleginnen und Kollegen, die zurückhaltend dosieren, weil sie das iatrogene Ereignis (die Blutung) fürchten. 

Etzel Gysling

Standpunkte und Meinungen
  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 24 -- No. 2
Copyright © 2025 Infomed-Verlags-AG
Antikoagulantien zu häufig unterdosiert? ( 2020)