Harnwegsinfekte im Alter rasch antibiotisch behandeln

  • k -- Gharbi M, Drysdale JH, Lishman H et al. Antibiotic management of urinary tract infection in elderly patients in primary care and its association with bloodstream infections and all cause mortality: population based cohort study. BMJ. 2019 Feb 27;364: [Link]
  • Zusammenfassung:
  • infomed screen Jahrgang 23 (2019) , Nummer 3
    Publikationsdatum: 31. Mai 2019
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Warum diese Studie?

Harnwegsinfekte, vor allem durch E. coli verursachte, gehören zu den häufigsten Infekten bei Personen über 65. Sie können selbstlimitierend verlaufen, aber auch zu einer schweren Sepsis führen. Nachdem aufgrund zunehmender Resistenzprobleme verschiedene Kampagnen zur Senkung der Antibiotika-Verordnung in der Grundversorgung lanciert wurden, sollte mit dieser Kohortenstudie untersucht werden, wie sich eine sofortige bzw. eine verzögerte Antibiotika-Verordnung oder der Verzicht auf Antibiotika auf den Verlauf von Harnwegsinfekten bei älteren Personen auswirken.

Was hat man gefunden?

Die Daten von 157’264 Personen im Alter von über 65 Jahren (79% Frauen) mit insgesamt 312’896 in der Hausarztpraxis vermuteten oder bestätigten unkomplizierten Harnwegsinfekten wurden ausgewertet. 7,2% der Personen mit entsprechenden Symptomen erhielten keine Antibiotika, bei 6,2% wurde die Behandlung verzögert eingeleitet. Im Vergleich zur sofortigen Antibiotikatherapie war das Risiko einer Keimverschleppung ins Blut in den beiden anderen Gruppen signifikant höher: Für die verzögerte Verordnung fand man eine Odds Ratio (OR) von 7,12 (95% CI 6,22-8,14) und für den Antibiotikaverzicht eine OR von 8,08 (95% CI 7,12- 9,16). Die Hospitalisationsrate verdoppelte sich ohne Anti­­bio­tika oder bei deren spätem Einsatz. Auch das Sterberisiko war während der 60-tägigen Beobachtungszeit signifikant erhöht (Hazard Ratio 1,16 für verzögerte Behandlung und 2,18 für Antibiotikaverzicht). Höheres Alter und männliches Geschlecht erhöhten das Risiko.

Wie wird es gedeutet?

Trotz der Bemühungen, einen unangemessenen Einsatz von Antibiotika zu minimieren, sollten Hausärztinnen und Hausärzte für diese gefährdete Personengruppe eine frühzeitige Antibiotika-Verschreibung erwägen.

Zusammengefasst von Bettina Wortmann

screen-Kommentar

In Anbetracht der doch einigermassen eingeschränkten Aussagekraft einer retrospektiven Kohortenstudie sind die Resultate dieser Arbeit sicher zurückhaltend zu interpretieren. Die wichtigste Schlussfolgerung – dass nämlich ein symptomatischer Harnwegsinfekt bei alten Leuten antibiotisch behandelt werden soll – ist jedoch plausibel. Ein Blick in die Einzelheiten der Studie lässt noch folgende Beobachtungen zu: (1) Personen mit asymptomatischen Harnwegsinfekten (d.h. «nur» mit entsprechenden Urinbefunden) wurden aus der Studie ausgeschlossen. Für diese gilt weiterhin, dass eine Behandlung nicht sinnvoll ist. (2) Wie es möglich ist, dass im britischen Gesundheitssystem derart viele Leute mit symptomatischen Infekten (z.B. auch mehr als 10% der Männer) keine Antibiotika erhalten, ist mir schleierhaft. (3) Mehr als die Hälfte der antibiotisch Behandelten erhielt Trimethoprim, ein kostengünstiges Antiinfektivum, das ein besseres Nutzen/Risiko-Profil aufweist als Cotri­mo­xazol. Schade, dass Trimethoprim in der Schweiz vom Markt verschwunden ist.

Etzel Gysling

Standpunkte und Meinungen
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infomed-screen 23 -- No. 3
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Harnwegsinfekte im Alter rasch antibiotisch behandeln ( 2019)