Screening—EKG bei asymptomatischen Personen?

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache. Da es gute primärpräventive Möglichkeiten gibt, ist es wichtig, das individuelle Risiko bei gesunden Personen möglichst gut abschätzen zu können. Es gibt verschiedene Risikorechner, die das kardiovaskuläre Risiko aufgrund der bekannten Faktoren berechnen, wobei EKG-Veränderungen bisher nicht berücksichtigt werden. In dieser systematischen Übersicht wurde nun untersucht, ob es für die zusätzliche Berücksichtigung von Veränderungen in Screening-Elektrokardiogrammen neue Evidenz gibt. Zur Beurteilung dieser Fragen haben die Autoren insgesamt 16 Studien mit 77'140 Teilnehmenden berücksichtigt. In zwei randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 1'151 Diabeteskranken im Alter von 50 bis 75 Jahren wurde bei der Hälfte ein Belastungs-EKG durchgeführt, die andere Hälfte diente als Kontrolle. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 3,5 Jahren waren Mortalität und andere Endpunkte nicht signifikant verschieden. Fünf prospektive Kohortenstudien mit 9'582 Teilnehmenden verglichen die Genauigkeit, mit der ein Ereignis aufgrund der bekannten Risikofaktoren allein oder zusammen mit einem Ruhe-EKG vorausgesagt werden konnte. Das zusätzliche Ruhe-EKG ergab eine minime Verbesserung der Voraussage; ob daraus eine Veränderung der Risiko-Klassifikation resultiert, ist aber unsicher. In neun weiteren Kohortenstudien mit 66'407 Teilnehmenden ergab das zusätzliche Screening-EKG ebenfalls eine etwas bessere Voraussage der kardiovaskulären Ereignisse. Die Qualität der sehr inhomogenen Studien war aber nicht genügend, um daraus klinische Konsequenzen zu ziehen.

Die USPSTF (U. S. Preventive Services Task Force) ist ein unabhängiges amerikanisches Gremium, das die Evidenz von präventiven Massnahmen immer wieder untersucht und bekannt macht. 2012 wurde bei niedrigem Risiko für eine koronare Herzkrankheit das Durchführen eines EKG nicht empfohlen, bei mittlerem und hohem Risiko könne keine Empfehlung gegeben werden, da die Evidenz nicht klar sei. Zur erneuten Beurteilung dieser Fragen wurde diese neue Analyse vorgenommen, die im Wesentlichen die früheren Empfehlungen bestätigt. Bedeutend erscheint mir, dass bei 50 bis 75-jährigen Diabeteskranken die Durchführung eines Belastungs-EKG nicht zu einer Verbesserung der Gesamtergebnisse führte. Bei beschwerdefreien Patientinnen und Patienten bringen EKG-Untersuchungen also auch bei erhöhtem Risiko wahrscheinlich nichts, was aber nicht heisst, dass man bei Symptomen, auch wenn sie atypisch sind, zurückhaltend sein soll.

Zusammengefasst und kommentiert von Peter Koller

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infomed-screen 22 -- No. 5
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Screening—EKG bei asymptomatischen Personen? ( 2018)