Langzeitprognose der Neuroborreliose

In Europa ist die Neuroborreliose eine der häufigsten Infektionen des zentralen Nervensystems. Trotzdem gibt es kaum verlässliche Angaben zur langfristigen Prognose dieser Erkrankung. Mit Hilfe des nationalen dänischen Gesundheitsregisters, das dank einer individuellen Identifikationsnummer jedes Einwohners und jeder Einwohnerin Verknüpfungen mit weiteren landesweiten Datenbanken ermöglicht, sollte dieser Frage nachgegangen werden. Es wurde nach Personen gesucht, bei denen zwischen 1986 und 2016 erstmalig Antikörper gegen Borrelien im Liquor nachgewiesen wurden und die Diagnose einer Neuroborreliose gestellt wurde. Die so identifizierten «Fälle» wurden über denselben Zeitraum mit je 10 Personen aus der Allgemeinbevölkerung verglichen, die das gleiche Geschlecht und das gleiche Alter aufwiesen. Dabei interessierten die Sterblichkeit, gesundheitliche Folgeerkrankungen sowie das soziale Funktionsniveau.

Insgesamt wurden 2'067 Personen mit einer neu diagnostizierten Neuroborreliose identifiziert. Die Sterblichkeit war im Vergleich zu den Kontrollpersonen nicht erhöht. Es konnte jedoch ein erhöhtes Krebsrisiko gefunden werden, das vor allem auf ein rund dreimal höheres Risiko für hämatologische Tumoren zurückzuführen war. Auch nicht-melanotische Hautkrebse traten knapp 50% häufiger auf, was allerdings damit zusammenhängen könnte, dass an Borreliose Erkrankte sich tendenziell häufiger im Freien aufhalten. Ein erhöhtes Risiko für Multiple Sklerose konnte jedoch nicht gezeigt werden, obwohl teilweise ein solcher Zusammenhang postuliert wird. Bei der Diagnosestellung wiesen Borreliose-Betroffene eine etwas geringere Rate von Arbeitslosigkeit und Invalidität auf, die sich dann im Laufe der Beobachtungszeit an die Werte der Allgemeinbevölkerung anglich. Wenn die Angehörigen der Borreliose-Betroffenen betrachtet wurden, so blieben deren Arbeitslosigkeits- und Invaliditätsraten auch im weiteren Verlauf tiefer als die der Allgemeinbevölkerung. Somit muss davon ausgegangen werden, dass bei Personen aus höheren sozialen Schichten eher eine Neuroborreliose diagnostiziert wird und dass diese bei gewissen Personen langfristig doch einen negativen Einfluss auf das soziale Funktionsniveau haben kann.

Werden Zeckenbisse aufgrund der Klimaerwärmung wirklich häufiger oder ist die Bevölkerung nur stärker darauf sensibilisiert? Jedenfalls kommt es mir so vor, als würde die Zahl der Zeckenbisse, die ich in meiner Sprechstunde zu beurteilen habe, jedes Jahr zunehmen. Die vorliegenden Langzeitergebnisse motivieren mich dazu, bei Verdacht auf ein Frühstadium einer Borreliose antibiotisch zu behandeln. Panik ist allerdings nicht angebracht, sind doch die gezeigten Folgen nicht ganz so dramatisch. Insbesondere wenn man sich vor Augen führt, bei welch kleinem Prozentsatz von Infizierten sich schliesslich eine Neuroborreliose entwickelt. Leider konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht zwischen Früh- und Spätstadium der Neuroborreliose unterschieden werden, was die Aussagekraft der Studie etwas einschränkt.

Zusammengefasst und kommentiert von Alexandra Röllin

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Langzeitprognose der Neuroborreliose ( 2018)