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Koronare Eingriffe nicht besser als Medikamente?
In einer kurzen, relativ kleinen Studie erbrachte die Stenteinlage keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer optimierten Pharmakotherapie.
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Christof Noti
- infomed screen Jahrgang 22 (2018)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 3. April 2018 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Weltweit werden über 500'000 perkutane koronare Eingriffe (PCI = «Percutaneous Coronary Intervention») bei Personen mit stabiler Angina pectoris durchgeführt. Diese Intervention führt in der Regel zu einer deutlichen Symptomlinderung sowie zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Behandelten. Bisher gab es keine Doppelblindstudie bei Personen mit stabiler Angina pectoris, in der die PCI-Methode (Einsetzen eines Stents) mit einer ausschliesslich medikamentösen optimierten antianginösen Therapie verglichen wurde.
Methoden
In der vorliegenden britischen Doppelblindstudie wurde eine Behandlung mittels PCI gegenüber einer optimalen antianginösen Pharmakotherapie untersucht. Eingeschlossen wurden vor allem symptomatische Patientinnen und Patienten mit einer schweren Eingefässerkrankung (Stenosegrad =70%). Ausgeschlossen wurden u.a. Kranke mit einer Herzinfarkt-Anamnese oder mit einer Mehrgefässerkrankung. Der Schweregrad ihrer Angina pectoris wurde anhand des «Canadian Cardiovascular Angina Severity Score» (CCS) festgestellt.
Initial erfolgte eine sechswöchige Optimierungsphase, während der alle möglichst gut mit individuell indizierten Medikamenten versorgt wurden. Vor der Randomisierung wurden die Patienten und Patientinnen nochmals bezüglich ihrer Symptome befragt (CSS), ein kardiopulmonaler Belastungstest und eine Stress-Echokardiographie (mit Dobutamin) durchgeführt. Schliesslich konnten 200 Personen randomisiert einer Gruppe zugeteilt werden: 105 wurden mit einer PCI, 95 mit einem Placeboverfahren behandelt. Die meisten hatten einen CSS-Grad II (mässige Angina pectoris), nämlich 64% der PCI-Gruppe und 54% der Placebogruppe. Als primärer Endpunkt war die Veränderung der körperlichen Belastbarkeit am Ende der Studie definiert (untersucht mittels Laufbandtest).
Ergebnisse
Sechs Wochen nach dem Eingriff fand sich kein signifikanter Unterschied bezüglich des primären Endpunktes (Belastungstest). Die Personen in der PCI-Gruppe konnten durchschnittlich 28 Sekunden länger belastet werden, diejenigen in der Placebogruppe 12 Sekunden, was infolge grosser individueller Abweichungen keinem signifikanten Unterschied entspricht. Auch im EKG-Belastungstest und in weiteren Belastungsverfahren fand sich kein signifikanter Unterschied, mit Ausnahme der Myokard-Kontraktionszeit in der Stress-Echokardiographie. Bei 4 Personen, die zur Placebogruppe gehörten, kam es im Rahmen des Placeboeingriffs zu einer Intimaverletzung, die dann eine PCI erforderten.
Schlussfolgerungen
In dieser Dopelblindstudie bei Personen mit einer Eingefässerkrankung und stabiler Angina pectoris wurde gezeigt, dass eine optimale antianginöse Medikation einer Koronarangiographie mit anschliessender Stent-Einlage ebenbürtig sein kann. Um eine genügende «Power» der Studie (80%) zu erreichen, war die Zahl der Teilnehmenden nur knapp genügend. In Zukunft müssen weitere Studien mit mehr Patienten und Patientinnen folgen.
Zusammengefasst von Thomas Koch
Wiederholt wurden in der Vergangenheit auf dem Gebiet der interventionellen Kardiologie aufgrund von kleineren Studien mit kurzem Follow-up langjährige Behandlungskonzepte voreilig in Frage gestellt oder gar entscheidend verändert. Ich erinnere hier nur an die perkutane renale Denervation, die direktionelle Atherektomie, die Laser-Angioplastie oder die perkutane Laser-Myokardrevaskularisation.
Dies sollte sich aufgrund der Ergebnisse der ORBITA-Studie nicht wiederholen, auch die Autoren selber mahnen in der Diskussion und vor allem in späteren mündlichen Kommentaren zur Vorsicht!
Die ORBITA-Studie ist zwar eine komplexe, sehr durchdachte, sorgfältig durchgeführte und äusserst aufwändige Studie. Aber es ist eine kleine Studie, die Patientenauswahl ist - bezogen auf das Spektrum im klinischen Alltag - beschränkt und der Follow-up ist ausgesprochen kurz. Zudem können die Ergebnisse der Studie nur auf Kranke angewendet werden, die zuvor invasiv abgeklärt wurden, da nur Eingefässerkrankungen aufgenommen wurden und sich eine Mehrgefässerkrankung oder eine Hauptstammstenose mittels Anamnese und Ischämietests nicht ausschliessen lassen.
Die ORBITA-Studie kann aber vorderhand herangezogen werden, um im Falle einer symptomatischen, stabilen Eingefässerkrankung ein primär konservatives Vorgehen zu rechtfertigen, wenn dies den Präferenzen der betroffenen Person entspricht.
Die ORBITA-Studie belegt zudem, dass auch Schein-Prozeduren keineswegs unproblematisch sind, mussten sich doch in der Placebogruppe 4 von 95 Patienten wegen Komplikationen einer PCI mit Stentimplantation unterziehen.
Interessanterweise fand sich in der ORBITA-Studie kein Placebo-Effekt der Scheinbehandlung betreffend den primären Endpunkt.
In der ORBITA-Studie nahmen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in beiden Behandlungsarmen durchschnittlich 3 Antianginosa ein. Ich bin gespannt, wie oft sich jemand im klinischen Alltag für eine voraussichtlich langdauernde, ausgebaute antianginöse Therapie entscheidet, besonders wenn offensichtlich im proximalen RIVA oder im Hauptgefäss einer dominanten rechten Kranzarterie eine eine subtotale Stenose vorliegt. Im Allgemeinen müssen wir ja schon zufrieden sein, wenn die Plättchenhemmer und ein Statin konsequent eingenommen werden.
Warten wir auf die Langzeitergebnisse der ORBITA-Studie und die Crossover-Rate im mittels einer Schein-Prozedur behandelten Studienarm!
Christof Noti
Standpunkte und Meinungen
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