Tioptropium auch in frühen COPD-Stadien nützlich?

In fortgeschrittenen Stadien der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) vermindert Tiotropium (Spiriva®) sowohl die Krankheitssymptome als auch das Risiko für Exazerbationen. Über den Nutzen einer medikamentösen Behandlung in Frühstadien der Erkrankung ist generell sehr wenig bekannt, weswegen bei asymptomatischen Personen in der Regel weder ein Screening noch eine Behandlung empfohlen wird. In der vorliegenden Doppelblindstudie aus China sollte deshalb die Wirkung von Tiotropium in Frühstadien einer COPD untersucht werden. 841 Personen mit einer COPD in den GOLD-Stadien I und II erhielten nach dem Zufall während 2 Jahren einmal täglich eine Inhalation von 18 mcg Tiotropium oder ein entsprechendes Placebo. Als primärer Endpunkt galt der Unterschied zwischen den beiden Gruppen bezüglich forciertem Erstsekundenvolumen (FEV1) vor Inhalation eines Bronchodilatators nach 2 Jahren. Die wichtigsten sekundären Endpunkte waren der Unterschied des FEV1 nach Inhalation eines Bronchodilatators sowie der Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich jährlicher Abnahme des FEV1 (ebenfalls vor und nach Anwendung eines Bronchodilatators).

Es konnten die Daten von 388 Personen mit Tiotropium und 383 mit Placebo ausgewertet werden. Während der ganzen Studiendauer (inkl. bei Studienende nach zwei Jahren) war das FEV1 unter Tiotropium grösser als unter Placebo, und zwar um 127 bis 169 ml vor Anwendung eines Bronchodilatators und 71 bis 133 ml danach. Die mittlere jährliche Abnahme des FEV1 vor Anwendung eine Bronchodilatators unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen, die mittlere jährliche FEV1-Abnahme nach Bronchodilatation hingegen war unter Tiotropium geringer (Unterschied von 22 ml pro Jahr; 95% CI 6-37, was einem knapp statistisch signifikanten Resultat entspricht).

Dass Tiotropium auch in frühen Krankheitsstadien die FEV1-Werte günstig beeinflusst, erstaunt aufgrund von pathophysiologischen Überlegungen nicht. Interessanter ist die Frage, ob durch die frühzeitige Behandlung der Erkrankung auch die Prognose verbessert wird. Die Beobachtung, dass die mittlere jährliche FEV1-Abnahme nach Bronchodilatation unter Tiotropium geringer ist, könnte für eine solch «vorbeugende» Wirkung sprechen. Dies wäre eine Sensation, da bis jetzt für keine der medikamentösen COPD-Therapien eine eindeutige krankheitsmodifizierende Wirkung nachgewiesen werden konnte. Doch zu früher Enthusiasmus ist fehl am Platz – zum einen müsste gezeigt werden, dass der Unterschied bezüglich FEV1-Abnahme auch nach Absetzen von Tiotropium nachweisbar bleibt, d.h. dass der gemessene Unterschied also wirklich eine langfristige Änderung des Krankheitsverlaufs und nicht eine prolongierte symptomatische Wirkung abbildet. Zum anderen handelt es sich um eine vom Hersteller gesponserte Studie (welche zudem in einem Land durchgeführt wurde, in dem bezüglich COPD nicht mit Europa vergleichbare Bedingungen herrschen) und um die Auswertung eines sekundären Endpunktes – alles Punkte, welche die Aussagekraft des beschriebenen Resultates einschränken.

Zusammengefasst und kommentiert von Alexandra Röllin

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Tioptropium auch in frühen COPD-Stadien nützlich? ( 2018)