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Bakterielle Komplikationen ohne Antibiotika-Anwendung kaum häufiger
- k -- Gulliford MC, Moore MV, Little P et al. Safety of reduced antibiotic prescribing for self limiting respiratory tract infections in primary care: cohort study using electronic health records. BMJ 2016 (4. Juli); 354: i3410 Infe [Link]
- Zusammenfassung: Renato L. Galeazzi
- infomed screen Jahrgang 20 (2016)
, Nummer 6
Publikationsdatum: 22. November 2016 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Infektionen der oberen Luftwege (Erkältung, akuter Husten, akute Bronchitis, Pharyngitis, Sinusitis sowie Otitis media) sind meist viral bedingt und heilen von selbst. Daher sollten Antibiotika nur in speziellen Risikosituationen verschrieben werden. Da aber entzündete Schleimhäute auch Eintrittspforten von Bakterien sein können, wird befürchtet, dass bakterielle Komplikationen bei restriktiver Antibiotika-Verschreibungspraxis zunehmen könnten. Anhand einer grossen britischen Datenbank, welche rund 600 Allgemeinpraxen mit über 4 Millionen betreuten Personen (9% der gesamten Bevölkerung) erfasst, wurde die Antibiotika-Verschreibungshäufigkeit der einzelnen Praxen mit dem Auftreten von bakteriellen Komplikationen in Beziehung gebracht und das Viertel der Praxen mit der höchsten Antibiotika-Verschreibungsrate (bei mehr als 58% aller Konsultationen wegen viralen Infekten der oberen Luftwege) mit dem Viertel mit der niedrigsten Antibiotika-Verschreibungsrate (<44%) verglichen. Als bakterielle Komplikationen galten Pneumonien, Peritonsillar-Abszesse, Mastoiditiden, Empyeme, Meningitiden, und intrakranielle Abszesse.
In den Praxen mit den niedrigsten Antibiotika-Verschreibungsraten kam es in der Folge etwas häufiger zu Pneumonien und Peritonsillar-Abszessen, bei den anderen Komplikationen hingegen konnte kein Unterschied festgestellt werden. Werden die Ergebnisse auf absolute Zahlen hochgerechnet, so ergibt sich folgendes Resultat: In einer durchschnittlichen britischen Allgemeinpraxis, die rund 7’000 Personen betreut, fallen im Laufe von 10 Jahren mehr als 20'000 Komplikationen wegen Infekten der oberen Luftwege an. Wird in einer solchen Praxis die Antibiotika-Verschreibungsrate für diese Indikation um 10% vermindert, so muss mit einer zusätzlichen Pneumonie pro Jahr und einem zusätzlichen Peritonsillar-Abszess pro Jahrzehnt gerechnet werden. Gemäss den Studienverantwortlichen rechtfertige diese geringe Zahl zusätzlicher bakterieller Komplikationen eine vermehrte Antibiotika-Verschreibung nicht, zumal die Komplikationen einfach zu diagnostizieren und zu behandeln seien, und die unerwünschten Wirkungen der Antibiotika im Einzelfall (Durchfälle, Hautausschläge, seltene anaphylaktische Reaktionen u.a.) und für die Allgemeinheit (Resistenzbildung) ebenfalls berücksichtigt werden müssten.
Die Studie beruht auf einer epidemiologischen Analyse einer sehr grossen Datenbank. Obwohl die Ergebnisse für viele Störgrössen korrigiert wurden, handelt es sich nicht um eine randomisierte Interventionsstudie. Aufgrund der riesigen Datenmenge sind die Schlussfolgerungen trotzdem interessant. Sie bestätigen die bisherige Annahme, dass virale Infektionen nicht mit Antibiotika behandelt werden sollten! Bakterielle Komplikationen treten nicht viel häufiger auf. Meines Erachtens sind die gefundenen statistischen Unterschiede in absoluten Zahlen so klein, dass eine unüberlegte, generelle Antibiotika-Verschreibung bei unkomplizierten Infekten der oberen Luftwege nicht wieder Allgemeingut werden sollte. Die Guidelines müssen nicht geändert werden.
Zusammengefasst und kommentiert von Renato L. Galeazzi
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