Brustkrebsrisiko bei längerer Hormongabe erhöht
- Kommentar: Beat Thürlimann
- infomed screen Jahrgang 1 (1997)
, Nummer 10
Publikationsdatum: 1. November 1997 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Für diese Meta-Analyse wurden ungefähr 90% aller weltweit durchgeführten epidemiologischen Untersuchungen zur Frage eines Zusammenhanges zwischen Hormonersatztherapie und Brustkrebs berücksichtigt. Die individuellen Daten von 52’705 Frauen mit Brustkrebs und 108’411 Frauen ohne Brustkrebs aus 51 Arbeiten in 21 Ländern wurden gesammelt und ausgewertet.
Methoden
Die Hauptanalyse wurde mit den Daten von 53’865 Frauen nach der Menopause vorgenommen. Von diesen Frauen hatten 17’830 eine Hormonersatztherapie erhalten. Im Mittel wurde die Behandlung im Alter von 48 Jahren begonnen und 34% der Behandelten erhielten die Therapie für mindestens 5 Jahre. Sämtliche Risikoschätzungen wurden nach verschiedenen Gesichtspunkten, z.B. Alter bei der Brustkrebs-Diagnose, Alter bei Eintritt der Menopause, stratifiziert.
Ergebnisse
Mit jedem Jahr der Hormoneinnahme nimmt das Risiko einer Brustkrebs-Erkrankung hochsignifikant um den Faktor 1,023 zu. Diese Risikoerhöhung bleibt bis 4 Jahre nach dem Absetzen der Hormone bestehen und kann übereinstimmend in verschiedenen Studien und in den meisten Untergruppen beobachtet werden. Frauen, die mehr als 5 Jahre lang Hormone einnahmen, haben ein um 35% erhöhtes Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken. Unter den Frauen, die langfristig Hormone einnehmen, ist das Brustkrebsrisiko für Schlanke grösser. Von 1000 Frauen im Alter von 50 bis 70 Jahren, die nie mit Hormonen behandelt werden, erkranken in Europa und Nordamerika ungefähr 45 an Brustkrebs. Hormonverwendung während 5 Jahren ergibt ein Zusatzrisiko von 2 Brustkrebsfällen. 10 Jahre Einnahme entsprechen 6 und 15 Jahre entsprechen 12 zusätzlichen Erkrankungen.
Schlussfolgerungen
Das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, ist bei Frauen, welche eine Hormonersatzbehandlung erhielten, erhöht. Dieses Risiko nimmt mit der Dauer der Behandlung zu, reduziert sich jedoch nach Beendigung der Behandlung allmählich und befindet sich spätestens 5 Jahre nach Beendigung wieder im normalen Rahmen. Diese Resultate sollten im Nutzen-Schaden-Kontext bei einer Hormonersatzbehandlung berücksichtigt werden.
Die Studienresultate müssen im Licht dreier Tatsachen gesehen werden:
1. Nur 12% der hier berücksichtigten Frauen haben eine kombinierte Östrogen/Gestagen-Therapie erhalten. Ob die heute bei nicht-hysterektomierten Frauen übliche Kombination mit Gestagenen zu einer Verminderung des Brustkrebs-Risikos gegenüber einer reinen Östrogentherapie führt, ist mehr als zweifelhaft.
2. Frauen, welche eine Östrogen-Ersatztherapie durchführen, könnten intensiver in ärztlicher Überwachung stehen, allein schon, um die entsprechenden Medikamente zu erhalten. Dafür spricht auch die Beobachtung, dass bei diesen Patientinnen Brustkrebs in weniger fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert wird. Screening-Mammographien können anderseits zu einer Steigerung der Brustkrebsinzidenz («Überdiagnose») führen. Somit kann auch bei diesem Faktor nicht gesagt werden, ob er eher zu einer Unter- oder Überschätzung des Brustkrebs-Risikos in dieser Meta-Analyse führt.
3. Die epidemiologischen Beobachtungen, die in dieser Meta-Analyse berücksichtigt werden konnten, mögen noch so vollständig und qualitativ hochstehend sein, haben aber in der Hierarchie medizinischer Evidenz klar ihren Platz unterhalb prospektiv durchgeführter randomisierter Studien, wie z.B. die jetzt laufende Studie im Rahmen der Women's Health Initiative. Aufgrund der heute vorliegenden Daten ist zu raten, die kleinen, aber möglichen Risiken einer Hormonersatztherapie gegenüber den möglichen Gewinnen abzuwägen und dies individuell zur Diskussion zu stellen.
Beat Thürlimann
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