Antibiotika bei vorzeitigem Blasensprung
- Kommentar: Hans U. Baer
- infomed screen Jahrgang 1 (1997)
, Nummer 10
Publikationsdatum: 1. November 1997 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Die prophylaktische Antibiotikagabe bei vorzeitigem Blasensprung ist umstritten. In der vorliegenden Studie wurde die Wirkung einer Antibiotikaprophylaxe bei Schwangeren mit sehr frühem Blasensprung erfasst. Untersucht wurde die Inzidenz von verschiedenen Komplikationen bei den Frühgeborenen.
Methoden
Diese amerikanische Doppelblindstudie wurde zwischen 1992 und 1995 an 11 Universitätsspitälern durchgeführt. Bei 614 Schwangeren mit einem Blasensprung zwischen der 24. und 32. Schwangerschaftswoche war keine sofortige Entbindung indiziert. Diese Frauen erhielten nach dem Zufallsprinzip für eine Woche eine Antibiotikatherapie mit Ampicillin (z.B. Ampicillin-Mepha®) und Erythromycin (z.B. Erythrocin®) oder entsprechendes Placebo. Bei Nachweis von Keimen, z.B. Beta-Streptokokken, wurde unter Weiterführung der Studienmedikamente spezifisch behandelt. Weder Kortikosteroide noch Tokolyse waren während der Studienzeit zugelassen. Untersucht wurden häufige Komplikationen von Frühgeborenen: Atemnotsyndrom, schwere intraventrikuläre Blutungen, Sepsis bis 72 Stunden nach der Geburt, Tod. Als weitere Komponente wurde die nekrotisierende Enterokolitis erfasst, die öfters auch als Komplikation einer Antibiotikatherapie betrachtet wird. Daneben interessierte die Schwangerschaftsdauer.
Ergebnisse
611 Schwangere konnten die Studie beenden (Antibiotikagruppe: 299, Placebogruppe: 312). Obengenannte Komplikationen traten in der Antibiotikagruppe generell seltener auf (44% gegenüber 53%). Werden die einzelnen Ereignisse betrachtet, wirkt sich die Antibiotikatherapie positiv auf das Atemnotsyndrom (40% gegenüber 49%), die intraventrikuläre Blutung (6% gegenüber 8%), die Sepsis (5% gegenüber 6%) und die nekrotisierende Enterokolitis (2% gegenüber 5%) aus. Die kindlichen Todesfälle nahmen aber zu (6,4% gegenüber 5,8%). Die Schwangerschaft wurde durch Antibiotika statistisch signifikant verlängert. Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen traten häufiger in der Antibiotikagruppe auf.
Schlussfolgerungen
Antibiotikagabe bei Blasensprung zwischen der 24. und 32. Schwangerschaftswoche vermindert kindliche Komplikationen. Die Mortalität wird nicht beeinflusst.
Diese Studie hat ein paar Besonderheiten, die eine Übertragung der Ergebnisse auf Schweizer Verhältnisse fraglich machen. Es wurden Schwangere mit ungünstigen Bedingungen (70% Afroamerikanerinnen oder spanischer Herkunft, 70% nicht verheiratet) ausgewählt. Diese erhielten weder Tokolyse noch Kortikosteroide (zur Induktion der fetalen Lungenreifung), welche beide die Morbidität von Neugeborenen stärker beeinflussen als Antibiotika. Der zusätzliche Nutzen von Antibiotika dürfte daher in der Schweiz im Bereich der potentiellen Risiken (Resistenzbildung) liegen.
Hans-Ulrich Bucher
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