Zuwarten bei oligosymptomatischer Inguinalhernie?

  • r -- Fitzgibbons RJ, Giobbie-Hurder A, Gibbs JO et al. Watchful waiting vs repair of inguinal hernia in minimally symptomatic men. A randomized clinical trial. JAMA 2006 (18. Januar); 295: 285-92
  • Zusammenfassung: Daniel Pewsner
  • Kommentar: Stephan Vorburger
  • infomed screen Jahrgang 10 (2006) , Nummer 5
    Publikationsdatum: 1. Mai 2006
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Studienziele
In dieser nordamerikanischen Studie ging es um die Frage, ob Männer mit einer wenig symptomatischen Inguinalhernie von einer sofortigen Operation profitieren.

Methoden
720 Männer mit oligosymptomatischer Inguinalhernie wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Bei der einen Gruppe erfolgte eine offene Herniotomie nach Lichtenstein, bei der anderen Gruppe wurde mit einer Operation zugewartet, bis Beschwerden auftraten («watchfull waiting»). Die Patienten beobachteten ihre Symptome und wurden aufgefordert, bei Problemen den Arzt oder die Ärztin aufzusuchen. In beiden Gruppen wurden die Schmerzintensität, weitere Symptome sowie Komplikationen während mindestens zwei Jahren erfasst.

Ergebnisse
Operierte Männer gaben geringfügig weniger Schmerzen an als diejenigen der Vergleichsgruppe; der Unterschied war statistisch nicht signifikant. 23% der Männer, die ursprünglich der konservativen Gruppe zugeteilt worden waren, unterzogen sich wegen zunehmenden Schmerzen im Verlauf der Studie einer Herniotomie und die Schmerzen verminderten sich nach dem Eingriff. In der aktiven Gruppe zogen es 17% der Männer entgegen dem Studienprotokoll vor, mit der Operation zuzuwarten. Bezüglich postoperativer Komplikationen unterschieden sich operierte Männer der aktiven Gruppe nicht von denjenigen, welche entgegen ihrer Gruppenzuteilung operiert worden waren. Inkarzerationen traten bei zwei Männern der konservativen Gruppe auf.

Schlussfolgerungen
Die Studienverantwortlichen halten es auf Grund der Studienresultate für vertretbar, bei erwachsenen Männern mit wenig symptomatischer Inguinalhernie erst dann zu operieren, wenn die Symptomatik zunimmt. Operationskomplikationen sind bei symptomatischen Hernien nicht häufiger als bei prophylaktischen Herniotomien, und akute Inkarzerationen sind mit einer Häufigkeit von 1,8 auf 1’000 Patientenjahre selten.

Zusammengefasst von Daniel Pewsner

Die Arbeit von Fitzgibbons et al. geht in methodologisch einwandfreier Weise der Frage nach, ob oligosymptomatische, gesunde Männer mit Leistenhernien innerhalb von zwei Jahren besser mit «watchful waiting » oder mit elektiver chirurgischer Sanierung bedient sind. Die Studienverantwortlichen finden, dass hinsichtlich Schmerz und Alltagseinschränkungen ein initial abwartendes Verhalten gut vertretbar ist. Insbesondere wurden zwei wesentliche Fragen beantwortet: Erstens, dass das Risiko einer Inkarzeration bzw. eines Ileus sehr gering ist, und zweitens, dass eine Operation wegen zunehmender Symptomatik keine vermehrte Morbidität im Vergleich zur sofortigen Intervention birgt. Diese zwei Punkte sind entscheidende Kriterien, auf welchen eine Operationsindikation bei oligosymptomatischer Hernie generell basiert.

Dennoch sei vermerkt, dass rund ein Drittel der «abwartenden » Patienten vor allem wegen zunehmender Symptome innerhalb von 4 Jahren doch noch operiert werden mussten. Diese Patienten hatten offensichtlich schon anfänglich stärkere Schmerzen und eine eingeschränkte Alltagsaktivität. Wieso sie trotz klarer Symptome, die eigentlich Ausschlusskriterien entsprechen, Eingang in die Studie fanden, ist unklar. Bis auf diesen Kritikpunkt ist die Studie wegbereitend für weitere Arbeiten, welche die Indikationsfrage auch bei einem breiteren Kollektiv untersuchen.


Stephan Vorburger, Daniel Candinas


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Zuwarten bei oligosymptomatischer Inguinalhernie? ( 2006)