Apremilast
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 37
, Nummer 10, PK970
Redaktionsschluss: 12. Januar 2016
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2015.970 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Apremilast (Otezla®) ist ein orales Medikament, das zur Behandlung einer Psoriasis-Arthritis oder einer Plaque-Psoriasis verwendet werden kann.
Chemie/Pharmakologie
Apremilast ist ein Thalidomidderivat, das selektiv die Phosphodiesterase-4 (PDE-4) hemmt. Die PDE-4-Hemmung hat zur Folge, dass verschiedene entzündungsfördernde Faktoren (z.B. der Tumornekrosefaktor-alpha) reduziert freigesetzt und so entzündliche Vorgänge eingeschränkt werden. Ein anderer PDE-4-Hemmer, Roflumilast (Daxas®), wird zur Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit verwendet. (PDE-5-Hemmer gelangen wegen ihrer gefässerweiternden Wirkung u.a. bei der erektilen Dysfunktion zum Einsatz.)
Pharmakokinetik
Etwa 2½ Stunden nach oraler Einnahme werden maximale Plasmaspiegel erreicht. Apremilast ist zu rund 75% oral bioverfügbar und wird im Körper fast vollständig abgebaut; im Urin und im Stuhl sind nur kleinste Mengen unveränderter Substanz zu finden. Das Medikament wird über verschiedene Wege metabolisiert, wobei CYP3A4 eine wichtige Rolle zukommt (siehe: Interaktionen). Daneben ist Apremilast auch Substrat anderer Zytochrome und von P-Glykoprotein. Im Blut zirkulierende Metaboliten sind pharmakologisch inaktiv. Die terminale Halbwertszeit beträgt etwa 9 Stunden. Etwa 60% der Metaboliten finden sich im Urin, 40% im Stuhl. Die Kinetik wird von einer Leberinsuffizienz oder einer leichten bis mittelschweren Niereninsuffizienz nicht klinisch relevant beeinflusst.
Klinische Studien
Bei Plaque-Psoriasis ist Apremilast (2x täglich 30 mg per os) in zwei Doppelblindstudien («ESTEEM 1 und 2») mit Placebo verglichen worden.1-3 In diese Studien wurden insgesamt 1257 Personen mit Psoriasis aufgenommen, die für eine Phototherapie oder eine systemische Behandlung geeignet erschienen. Der primäre Endpunkt dieser Studien war eine mindestens 75%ige Reduktion des «Psoriasis Area and Severity Index»-Wertes (PASI 75) nach 16 Wochen Behandlung. Dieses Resultat wurde unter Apremilast signifikant häufiger erreicht (bei knapp 32%) als unter Placebo (bei 5%). Ein weiterer Endpunkt (fehlende oder fast fehlende Läsionen gemäss dem «static Physician’s Global Assessment») wurde unter Apremilast bei 21%, unter Placebo bei 4% festgestellt. Von der 17. Woche an erhielten auch die Teilnehmenden der Placebogruppe Apremilast. Nach 32 Wochen erfolgte eine erneute Randomisierung (Apremilast/Placebo) bei Personen, die schon initial Apremilast erhalten und damit einen PASI-75-Wert erreicht hatten. In ESTEEM 1 ergab sich bei 61% dieser «Responder» unter Apremilast auch nach 52 Wochen noch ein gutes Resultat (PASI 75).(1)
Rund zwei Drittel der an ESTEEM 1 und 2 Beteiligten hatten eine Kopfhaut- und/oder Nagelpsoriasis. Separat publizierte Resultate bei diesen Personen zeigen, dass nach 16 Wochen auch die Läsionen auf der Kopfhaut und an den Nägeln (gegenüber der Placebotherapie) signifikant reduziert wurden.4
In einer weiteren, noch nicht in den Einzelheiten veröffentlichten Doppelblindstudie («LIBERATE») fanden sich nach 16 Wochen PASI-75-Resultate bei 40% unter Apremilast (2x30 mg täglich), bei 48% unter Etanercept (Enbrel®, 1x50 mg s.c. pro Woche) und bei 12% unter Placebo. (Diese Studie war nicht auf den direkten Vergleich der beiden aktiven Medikamente ausgelegt.)5
Mit Methotrexat oder weiteren systemischen Therapien ist Apremilast bisher nicht in kontrollierten Studien verglichen worden.
Drei Placebo-kontrollierte Doppelblindstudien («PALACE») wurden bei Personen mit einer aktiven Psoriasis-Arthritis durchgeführt.6 Erwachsene, die trotz vorausgehender Therapie mit Basistherapeutika (auch mit Biologika) mindestens 3 geschwollene und mindestens 3 schmerzhafte Gelenke hatten, konnten teilnehmen. Insgesamt 1493 Personen erhielten für 24 Wochen Apremilast (2x täglich 20 oder 30 mg) oder Placebo, zusätzlich zu ihrer bisherigen Behandlung (nur Biologika mussten abgesetzt werden). Die Zahl der Behandelten, die nach 16 Wochen eine mindestens 20%ige Besserung ihrer Gelenksymptome (ACR20) hatten, entsprach dem primären Endpunkt. Dieser Endpunkt wurde unter Apremilast signifikant häufiger als unter Placebo erreicht, nämlich von 37% in der 30-mg-Gruppe, 32% in der 20-mg-Gruppe und von 19% in der Placebo-Gruppe. Der Unterschied zwischen den beiden Apremilast-Dosierungen ist nicht signifikant. Nach 52 Wochen Behandlung betrug der Anteil der ACR20-Responder bei Personen, die von Anfang an Apremilast erhalten hatten, ungefähr 57%.
Apremilast könnte auch bei Behçet-Syndrom wirksam sein. Gemäss einer doppelblinden Pilotstudie reduzierte Apremilast innerhalb von 12 Wochen die Zahl oraler Ulzera gegenüber Placebo signifikant.7
Unerwünschte Wirkungen
Sehr häufig sind Brechreiz (bei etwa 14% der Behandelten, teilweise mit Erbrechen) und Durchfall (bei 16%); diese Beschwerden nehmen allerdings meistens innerhalb der ersten vier Behandlungswochen ab. Unter Apremilast besteht eine Tendenz zur Gewichtsabnahme; gemäss den vorliegenden Studien verloren 19% der mit Apremilast Behandelten innerhalb eines Jahres mehr als 5% ihres ursprünglichen Körpergewichts. Unter Apremilast werden Depressionen bei mindestens 1% der Behandelten beobachtet und sind damit häufiger als unter Placebo.Weitere Symptome und Beschwerden, die häufiger als bei 1% vorkommen, sind: Infektionen der oberen Luftwege, Inappetenz, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit. Gelegentlich treten auch allergische Reaktionen (Urtikaria, Juckreiz) auf.
Interaktionen
Da CYP3A4 für den Apremilast-Metabolismus wichtig ist, können starke Induktoren dieses Zytochroms – z.B. Rifampicin (Rimactan® u.a.), Carbamazepin (Tegretol® u.a.) – die Apremilast-Wirkung reduzieren; von einer gleichzeitigen Verabreichung wird abgeraten. Gleichzeitige Verabreichung eines CYP3A4-Hemmers soll keine bedeutsamen klinischen Folgen haben.
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Apremilast (Otezla®) ist zugelassen zur Behandlung einer moderat bis stark symptomatischen Plaque-Psoriasis und einer aktiven Psoriasis-Arthritis, sofern diese Erkrankungen nicht mit einer anderen systemischen Psoriasistherapie bzw. Arthritis-Basistherapeutika behandelt werden können (Kontraindikationen, Unverträglichkeiten, Therapieversagen). Das Medikament ist als Tabletten zu 30 mg sowie in einer Starterpackung mit niedriger dosierten Tabletten erhältlich (siehe im folgenden Satz) und limitiert kassenzulässig. Die Apremilast-Dosis soll initial über sechs Tage allmählich von 10 mg/Tag auf 2x30 mg pro Tag gesteigert werden. Diese letztere Dosis stellt die übliche Erhaltungsdosis dar; bei einer Kreatinin-Clearance von weniger als 30 ml/min sollen aber nicht mehr als 30 mg Apremilast täglich verabreicht werden. Die Verwendung des Präparates bei Kindern, Jugendlichen sowie schwangeren und stillenden Frauen fällt mangels entsprechender Daten ausser Betracht. Die Kosten einer Apremilast-Behandlung betragen rund 7350 Franken pro Halbjahr, eine Behandlung mit Etanercept (Enbrel®, 50 mg/Woche) rund 12'260 Franken/Halbjahr. Methotrexat in üblicher Dosierung (10-20 mg einmal wöchentlich) kostet dagegen weniger als 50 Franken im Halbjahr.
Kommentar
Allein die Tatsache, dass Apremilast als Tabletten eingenommen werden kann (und nicht, wie viele andere «moderne» Mittel, injiziert werden muss), genügt natürlich ganz und gar nicht, um es als geeignetes Psoriasistherapeutikum zu bezeichnen. Gewiss: für die Zulassungsbehörden genügt der Nachweis einer Überlegenheit gegenüber Placebo. Es ist jedoch nicht so, dass wir gegenüber den Haut- und Gelenkmanifestationen einer Psoriasis ganz hilflos wären. Es gibt nachgerade einige Behandlungsoptionen, die nicht alle teuer und in den meisten Fällen recht wirksam sind. Auch in Anbetracht der noch nicht wirklich gut definierten Risiken von Apremilast fällt es schwer, zum heutigen Zeitpunkt ausserhalb weiterer, hoffentlich aussagekräftiger klinischer Studien einen sinnvollen Platz für Apremilast zu finden.
Literatur
- 1) Papp K et al. J Am Acad Dermatol 2015; 73: 37-49
- 2) FDA-Dokument (zu den ESTEEM-Studien):
- 3) Deeks ED. Drugs 2015; 75: 1393-403
- 4) Rich P et al. J Am Acad Dermatol 2016; 74: 134-42
- 5) Publikation der Herstellerfirma
- 6) FDA-Dokument (zu den PALACE-Studien)
- 7) Hatemi G et al. N Engl J Med 2015; 372 : 1510-8
Standpunkte und Meinungen
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