Behandlung der chronischen Obstipation

Obwohl scheinbar banal, ist das Krankheitsbild der Obstipation schwierig zu definieren. Die frühere Definition (<3 Stuhlgänge pro Woche) ist zwar einfach und gut objektivierbar, für das subjektive Empfinden der Betroffenen stehen aber oft andere Aspekte im Vordergrund – wie vermehrtes Pressen beim Stuhlgang, harte Stuhlbeschaffenheit und diverse andere abdominale Missempfindungen. Dem tragen die seit 2006 geltenden Rom-III-Kriterien für chronische Obstipation Rechnung (siehe Tabelle 1i).

Da die Kriterien bis heute nicht einheitlich angewendet werden und sich nur ein Teil der Betroffenen in ärztliche Behandlung begibt, erstaunt es nicht, dass man sehr unterschiedliche Angaben zur Prävalenz der Obstipation findet (2% bis 27%). Deutlich häufiger betroffen sind Frauen, Kinder, Personen nicht-europäischen Ursprungs und ältere, insbesondere in Institutionen lebende Personen. Als weitere Risikofaktoren gelten niedrigere sozio-ökonomische Schicht, Depression, mangelnde Bewegung sowie körperlicher und sexueller Missbrauch.(1,2)

Eine sekundäre Obstipation ist meistens auf unerwünschte Wirkungen von Medikamenten zurückzuführen; die Liste der in Frage kommenden Substanzen ist dabei sehr lang (siehe Tabelle 2i). In selteneren Fällen können auch lokal obstruierende, metabolische, neurologische, myogene und andere Erkrankungen Ursache von Obstipation sein (siehe Tabelle 3i).

Nachdem einer kausalen Behandlung zugängliche, sekundäre Formen der Obstipation ausgeschlossen sind und beim Vorliegen von Warnzeichen (siehe Tabelle 4i) eine Koloskopie durchgeführt worden ist, steht die symptomatische, abführende Behandlung im Vordergrund. Eine Übersicht über die wichtigsten in der Folge beschriebenen Substanzen und Wirkprinzipien vermittelt die Tabelle 1.

Weiterführende bildgebende oder funktionelle Untersuchungen (z.B. CT des Abdomens, Messung der Kolontransitzeit oder anorektale Manometrie) sind nur in Ausnahmefällen indiziert, teilweise kaum standardisiert und in ihrer Aussagekraft häufig unklar.(1,3)

Nicht-medikamentöse Massnahmen

Verhaltensänderungen – wie mehr körperliche Bewegung, Erhöhen der Trinkmenge und faserreiche Ernährung, sowie das Einhalten von regelmässigen Defäkationszeiten – werden meist als erster Schritt zur Behandlung einer Obstipation empfohlen. Diese kostengünstigen Massnahmen, die man aufgrund ihrer weiteren, potenziell günstigen Wirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden nur zu gerne empfiehlt, leiten sich hauptsächlich aus Beobachtungsstudien ab. Diese lassen weder auf eine Kausalität noch auf die Wirksamkeit entsprechender Interventionen Rückschlüsse ziehen. Für einzelne dieser Massnahmen konnte zwar in kleinen Interventionsstudien ein Nutzen gezeigt werden, doch leider sind die meisten dieser Untersuchungen qualitativ mangelhaft.(2,4) Ähnliches gilt für diverse «Hausmittel» wie beispielsweise Leinsamen oder Feigen, deren Wirkung am ehesten auf den darin enthaltenen Faserstoffen und nicht-resorbierbaren Zuckern beruht.

Ist eine Defäkationsstörung mit Beckenbodendysfunktion Ursache der Obstipation, steht mit der Biofeedback-Behandlung eine weitere nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung. Einzelne Studienresultate zu dieser Intervention, bei der die Betroffenen lernen sollen, die Beckenbodenmuskulatur korrekt anzuspannen und zu entspannen, sind ermutigend. Bei sehr unterschiedlichen Behandlungsprotokollen und häufig mangelhafter Studienqualität ist eine abschliessende Beurteilung ihrer Wirksamkeit nicht möglich.(5)

Laxantien

Die klassischen Abführmittel entfalten ihre Wirkung direkt über den Darm und werden in der Regel nicht systemisch resorbiert.

Ballast- und Faserstoffe

Ballaststoffe führen zu weicherer Stuhlbeschaffenheit und einer Zunahme des Stuhlvolumens, welche einen Dehnreiz des Kolons zur Folge hat. Es werden lösliche von nicht-löslichen Fasern unterschieden.

Die Wirkung von nicht-löslichen Fasern (z.B. Weizenkleie) ist schlecht dokumentiert. Besser untersucht ist Psyllium (auch Isphagula oder Flohsamen genannt; z.B. Metamucil®), das am häufigsten verwendete Präparat aus löslichen Fasern. Es zeigt eine bescheidene, aber konsistente Wirkung auf die Anzahl Stuhlentleerungen und verschiedene andere Obstipations-Symptome. Der in der Schweiz ebenfalls sehr häufig verwendete Karaya-Gummi (auch Sterculia-Gummi genannt, z.B. Colosan mite®) soll in seiner Wirkung mit Psyllium vergleichbar sein, was allerdings nicht mit kontrollierten Studien belegt werden kann.

Die abführende Wirkung von Faserstoffen tritt oft erst nach mehreren Tagen und nur bei genügender Flüssigkeitszufuhr ein. Als unerwünschte Wirkung werden vor allem Blähungen beschrieben. Häufig treten diese nur bei Therapiebeginn auf. Bei ungenügender Flüssigkeitszufuhr oder bei Schluckstörungen kann es in Einzelfällen zu akuten intestinalen Obstruktionen kommen.(6,7)

Osmotisch wirkende Laxantien

Osmotisch wirksame Laxantien bestehen aus nicht-resorbierbaren Molekülen, welche aufgrund ihrer osmotischen Eigenschaften Flüssigkeit im Darmlumen binden:

Macrogol (auch Polyethylenglycol [PEG] genannt; z.B. Movicol®), ist ein geruchs- und geschmacksloses, inertes und nicht resorbierbares Polymer. Als Laxans verwendet wird Macrogol mit einem Molekulargewicht von 3350 oder 4000 (PEG 3350 oder PEG 4000). Lactulose (z.B. Duphalac®) ist ein halbsynthetisches Disaccharid, das nicht resorbiert und im Kolon bakteriell zu kurzkettigen, organischen Säuren gespalten wird.

Beide Substanzen sind verhältnismässig gut untersucht und zuverlässig in ihrer Wirkung, in einer neueren Meta-Analyse wird für eine gute Symptomkontrolle gegenüber Placebo eine «number needed to treat» (NNT) von 3 berechnet.(8) Allerdings schneidet Macrogol in einer anderen, aktuellen Übersichtsarbeit sowohl hinsichtlich erwünschter als auch unerwünschter Wirkungen etwas besser ab.(9) Auch geschmacklich soll es besser toleriert werden als die süssliche Lactulose.

Ausser Blähungen, diffusen Bauchbeschwerden und Durchfällen bei Überdosierung sind kaum unerwünschte Wirkungen beschrieben. Da osmotische Laxantien bereits im Dünndarm wirken, können bei längerdauernden und starken Durchfällen Elektrolytverschiebungen und Dehydratation auftreten, ansonsten scheint die Anwendung von PEG und Lactulose auch langfristig gut verträglich zu sein.

Dass sich die zur Behandlung der chronischen Obstipation in der Schweiz hauptsächlich verwendeten PEG 3350-Präparate mit einem Zusatz resorbierbarer Elektrolyte (welche in der Theorie einen möglichen Elektrolytverlust ausgleichen sollen) hinsichtlich ihrer Wirksamkeit oder Verträglichkeit in relevantem Masse von reinen PEG-Präparaten oder PEG 4000 unterscheiden würden, ist nicht belegt.

Lactitol (z.B. Importal®) ist ein der Lactulose chemisch verwandtes Molekül, das ebenfalls häufig verwendet wird und einen etwas angenehmeren Geschmack als Lactulose aufweisen soll. In der englischsprachigen Literatur wird es nur selten erwähnt. Gemäss einer Meta-Analyse von mehreren kleinen, vorwiegend auf Deutsch und Französisch publizierten Studien ist es ähnlich gut wirksam und verträglich wie Lactulose.(10)

Seltener verwendet und kaum dokumentiert sind die beiden Disaccharide Mannitol (Mannite Actipharm®) und Sorbitol (in Pursana Feigensirup mit Sorbitol®).(4) Sorbitol wird auch als künstlicher Süssstoff in Kaugummis u.ä. verwendet. In genügender Menge genossen können deshalb auch diese Produkte eine abführende Wirkung haben.

Heutzutage kaum mehr verwendet werden salinische Laxantien, d.h. schwer resorbierbare Salze wie Magnesiumsulfat, Magnesiumhydroxid und Natriumsulfat, welche ebenfalls eine osmotische Wirkung besitzen. Als einziges solches Präparat ist in der Schweiz noch Magnesiumhydroxid (Magnesia S. Pellegrino®) erhältlich. Obwohl in klinischen Studien kaum untersucht, wirken solche Medikamente erfahrungsgemäss sehr rasch. Ein langfristiger Gebrauch sollte aber vermieden werden, insbesondere bei Personen mit Niereninsuffizienz. Denn trotz der erschwerten Resorbierbarkeit sind Fälle von Hypermagnesiämie (welche ihrerseits zu einem paralytischen Ileus führen kann) und anderen schweren Elektrolytstörungen beschrieben.(2,4,6)

Hier sei auch angemerkt, dass Präparate, welche zur Spülung des Darmes vor einer Koloskopie oder einem anderen Darmeingriff verwendet werden, entweder salinische Laxantien, PEG 3350 oder 4000 in höherer Dosierung oder eine Kombination der beiden Wirkprinzipien enthalten.

Kontaktlaxantien

Kontaktlaxantien (auch stimulierende Laxantien genannt) führen über eine lokale Stimulation der Darmschleimhaut zu einer vermehrten Sekretion von Flüssigkeit und Elektrolyten ins Dickdarmlumen. Ob sie auch eine direkt anregende Wirkung auf die Darmmotilität ausüben, ist unklar.

Von den Anthrachinonen, einer seit Jahrhunderten verwendeten Gruppe pflanzlicher Wirkstoffe mit diesem Wirkprinzip, sind die Produkte aus Sennes-Blättern und -Früchten (Senna, z.B. Pursennid®) am gebräuchlichsten. Extrakte aus Rhabarberwurzel, Faulbaumrinde und Aloe vera entfalten eine vergleichbare Wirkung.

Alle synthetischen Kontaktlaxantien gehören zu der Gruppe der Diphenylmethane. Die älteste Substanz Phenolphthalein (noch enthalten in Paragar®) wird zu 15% systemisch resorbiert und kann schwere Unverträglichkeitsreaktionen auslösen. Sie sollte deshalb nicht mehr verwendet werden. Die neueren Substanzen Bisacodyl (z.B. Dulcolax®) und sein Ester Natriumpicosulfat (z.B. Laxoberon®) hingegen werden kaum resorbiert und sind kurzfristig problemlos verträglich.(2,4,6)

Der Wirkungseintritt von Kontaktlaxantien erfolgt relativ rasch, d.h. innerhalb von ungefähr 5-10 Stunden. Das mag der Grund sein, warum sie subjektiv oft als wirksamer eingeschätzt werden als osmotische Laxantien, obwohl ihre Wirkung eher schlechter belegt und vergleichbar stark ist. Die bereits oben zitierte Übersichtsarbeit kommt auch für die Kontaktlaxantien auf eine NNT von 3.(8)

Bei chronischer Verwendung kann es zu Gewöhnung, Abhängigkeit und Missbrauch, und in der Folge zu chronischen Durchfällen mit Elektrolytstörungen kommen. Systematisch untersucht ist der langfristige Einsatz dieser Substanzen kaum. Frühere Vermutungen, dass die «Melanosis coli», eine durch Antrachinone verursachte, bräunlich-schwarze Verfärbung der Dickdarmschleimhaut ein Marker für eine Schädigung des Darmplexus oder ein erhöhtes Kolonkarzinom-Risiko sein könnte, haben sich nicht bestätigt. Hingegen zeigte eine neuere Fall-Kontrollstudie bei chronischem Gebrauch von Kontaktlaxantien ein erhöhtes Risiko für Tumoren der ableitenden Harnwege, was als Risikosignal gewertet werden kann.(11,12)

Gleitmittel

Paraffinöl (z.B. Paragol N®) soll auf physikalischem Weg zu weicherem und gleitfähigerem Stuhl führen, eine Wirkung, die allerdings kaum mit Studien belegt ist.

Eine langfristige Anwendung wird nicht empfohlen, da Paraffinöl mit der Resorption von fettlöslichen Vitaminen interferieren kann. Leichte Inkontinenz mit Stuhlschmieren kommt häufig vor und kann lästig sein. Bei Kindern oder beim Vorliegen einer Schluckstörung soll wegen der Gefahr einer Aspirationspneumonie auf Paraffinöl verzichtet werden.(2,4)

Laxantien zur rektalen Anwendung

Sowohl Glycerin (Bulboid®) als auch Natriumhydrogencarbonat (Lecicarbon®) sind als Suppositorien zur rektalen Anwendung erhältlich. Sie lösen durch eine lokale Schleimhautreizung den Defäkationsreflex aus. Auch diese Wirkung ist kaum dokumentiert. Im Gegensatz zur rektalen Anwendung von Kontaktlaxantien, welche Proktitiden auslösen können, sind hier jedoch zumindest keine relevanten unerwünschten Wirkungen beschrieben.

Nur kurz erwähnt werden sollen Einläufe/Klistiere, die sich zur punktuellen Anwendung bei akuter Obstipation oder zur Darmvorbereitung eignen, jedoch nicht zum regelmässigen Gebrauch bei chronischer Obstipation. Neben dem direkten Spüleffekt der verabreichten Flüssigkeit und dem Volumenreiz, der eine reflektorische Entleerung des Rektums bewirkt, enthalten die meisten der gebrauchsfertigen Präparate zusätzlich ein osmotisches Laxans. Neben Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen können sie rektale Verletzungen zur Folge haben.(2,4)

Neue Medikamente gegen Obstipation

Prucaloprid (Resolor®) ist ein Prokinetikum. Im Gegensatz zu den klassischen Laxantien wird es systemisch resorbiert und wirkt über die serotoninergen 5-HT4-Rezeptoren der Darmmukosa anregend auf die Darmmotilität. Die beiden Medikamente Cisaprid (Prepulsid®) und Tegaserod (Zelmac®), welche vor einigen Jahren aufgrund ihrer kardialen Risiken vom Markt genommen werden mussten, haben zwar eine vergleichbare Wirkung auf die 5-HT4-Rezeptoren, aber eine unterschiedliche chemische Struktur.(13)

In den Zulassungsstudien wurde Prucaloprid hauptsächlich bei Frauen untersucht und ist deshalb nur für diese zugelassen. Gemäss einer neueren Studie soll die Wirkung bei Männern vergleichbar sein.(14) Für Prucaloprid wird eine NNT von 6 berechnet – dabei ist allerdings eine neuere Studie, in welcher kein Nutzen gegenüber Placebo gezeigt werden konnte, nicht berücksichtigt.(8,15) Als aktive Substanz wurde Prucaloprid lediglich mit Macrogol verglichen; dabei war es dem osmotischen Laxans nicht überlegen.(16)

Als häufigste unerwünschte Wirkungen traten Kopfschmerzen, Brechreiz, Durchfall und Bauchschmerzen auf. Kardiovaskuläre Ischämien traten in den Doppelblindstudien unter Prucaloprid bei 0,2%, unter Placebo bei 0,1% auf. Wie weit verschiedene, in Tierversuchen beobachtete unerwünschte Wirkungen (Hyperprolak-tinämie, Zunahme von Leber- und Schilddrüsenadenomen, Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz sowie Verlängerung des QT-Intervalls in hohen Dosen) für den Menschen relevant sind, bleibt unklar. Ebenso wenig ist geklärt, ob für die Spontanaborte, welche in den klinischen Studien auftraten, ein Zusammenhang mit dem Medikament besteht.(13,17)

Lubiproston (Amitiza®) ist eine von Prostaglandin E1 abgeleitete bizyklische Fettsäure, welche die Chloridkanäle auf den Enterozyten aktiviert. Dadurch werden vermehrt Chlorid- und Natrium-Ionen ins Darmlumen sezerniert, was dann auf passivem Weg zu einem Wassereinstrom führt.(18)

Für Lubiproston kommt die bereits mehrfach erwähnte Meta-Analyse auf eine NNT von 4 gegenüber Placebo.(8) Vergleiche mit klassischen Laxantien liegen kaum vor. Bei einem Vergleich von Senna mit Lubiproston – allerdings bei lediglich 64 Personen mit postoperativer, opiatinduzierter Obstipation – schnitten beide Behandlungen ungefähr gleich gut ab.(19)

Obwohl Lubiproston nur minimal systemisch resorbiert wird, klagen – neben intestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit (24%) oder Durchfall (8%) – rund 2% der Behandelten über ein thorakales Engegefühl und/oder Atemnot. Diese Symptome treten in den ersten 30-60 Minuten nach Einnahme des Medikamentes auf und verschwinden nach kurzer Zeit spontan. Auch weitere gastrointestinale Beschwerden (Blähungen, Schmerzen usw.), Herzklopfen, periphere Ödeme, Kopfschmerzen, Schwindel und vermehrtes Schwitzen kommen vor. Bei Schwangeren wurde Lubiproston nicht untersucht. In Tierversuchen gab es Hinweise auf eine reproduktive Toxizität, und ein Kind der wenigen Frauen, die während der klinischen Versuche ungeplant schwanger wurden, wies beidseitige Klumpfüsse auf.(18)

Linaclotid (Constella®) ist in der Schweiz nur für die Behandlung von obstipationsbetontem Reizdarmsyndrom zugelassen. Trotzdem taucht es in vielen Übersichtsarbeiten und Behandlungsrichtlinien zur chronischen Obstipation auf, da es auch für diese Verwendung geprüft und in einzelnen Ländern zugelassen ist.

Das 14-Aminosäuren-Peptid entfaltet im Darm eine ähnliche Wirkung wie bakterielle Endotoxine. Es stimuliert den Guanylatzyklase-C-Rezeptor in den Darmepithelzellen, dadurch wird vermehrt Chlorid, Bikarbonat und Wasser ins Darmlumen sezerniert.(20)

Linaclotid erreicht eine NNT von 6 für eine zufriedenstellende Symptomlinderung gegenüber Placebo.(8) Direkte Vergleiche mit anderen abführenden Mitteln existieren nicht.

Da Linaclotid kaum systemisch resorbiert wird, erstaunt es nicht, dass die unerwünschten Wirkungen hauptsächlich gastrointestinaler Natur sind. Trotz der geringen systemischen Verfügbarkeit, wird mangels Daten vom Einsatz bei Schwangeren oder stillenden Müttern abgeraten.(20)

Spezielle Situationen

Als unbedenklich während Schwangerschaft und Stillzeit gelten lösliche Fasern, nicht-resorbierbare Disaccharide und Macrogol. Kontaktlaxantien und salinische Laxantien weisen zwar kein teratogenes Potential auf, sollten aber aufgrund der möglichen Elektrolytverschiebungen zurückhaltend eingesetzt werden. Ganz verzichten sollte man während der Schwangerschaft auf die neueren Medikamente – insbesondere für Prucaloprid und Lubiproston kann eine reproduktive Toxizität nicht ausgeschlossen werden.

Neben den klassischen Laxantien stehen bei opiatinduzierter Obstipation als spezifisches Wirkprinzip auch partielle Opioidantagonisten wie Methylnaltrexon (Relistor®) oder Naloxon (als Kombinationspräparat mit Oxycodon erhältlich: Targin®) zur Verfügung.(21) Von den neueren Medikamenten für diese Indikation zugelassen ist einzig Lubiproston.(22)

Praktische Aspekte

Viele abführende Medikamente werden als Kombinationspräparate vermarktet. Leider werden dabei häufig verschiedene Wirkprinzipien auf wenig sinnvolle Art und Weise miteinander kombiniert oder es tauchen gar obsolete Inhaltsstoffe auf (z.B. Phenolphthalein).

Die meisten klassischen Laxantien – insbesondere Fasern und osmotische Laxantien – müssen nach ihrer Wirkung titriert werden. Dabei soll die eingenommene Menge langsam soweit gesteigert werden bis 1-2 weiche Stühle pro Tag abgesetzt werden, aber kein Durchfall eintritt.

Da die meisten Laxantien kaum systemisch verfügbar sind, sind via Zytochrome vermittelte Interaktionen von untergeordneter Bedeutung. Sie können jedoch die Resorption von gewissen Stoffen durch das Induzieren von Durchfällen vermindern oder im Darm direkt hemmen. Deshalb wird häufig empfohlen, Laxantien nicht gleichzeitig mit anderen Medikamenten einzunehmen.

Schlussfolgerungen

Seit dem letzten pharma-kritik-Übersichtsartikel zu diesem Thema, der vor mehr als einem Vierteljahrhundert erschienen ist, haben sich zwar einige Konzepte und Behandlungsansätze geändert, vieles aber ist gleichgeblieben. Obwohl wirklich gute Studien zu vielen klassischen Laxantien noch immer fehlen, kann aufgrund der langen Erfahrung auf eine gute Verträglichkeit geschlossen werden. Im Gegensatz dazu sind die neuesten Wirkstoffe zwar formal besser dokumentiert, das Risiko bedeutsamer unerwünschter Wirkungen ist jedoch noch kaum abzuschätzen. Auch ist es schwierig, sie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit einzuordnen, da sie kaum mit anderen aktiven Substanzen verglichen worden sind. Das Wenige, was dazu bekannt ist, lässt allerdings vermuten, dass es sich dabei nicht um dermassen «bahnbrechende Innovationen» handelt, wie es Preisgestaltung und herstellende Firmen glauben machen wollen.

Aufgrund dieser Überlegungen ist als erster Schritt noch immer eine Optimierung des Lebensstils und die regelmässige Einnahme von löslichen Fasern angezeigt. Der abführende Effekt dieser Massnahmen mag zwar häufig bescheiden sein, aber sie sind harmlos, günstig und haben zusätzliche positive Wirkungen.(23,24) Bei fehlendem Ansprechen kommen für eine Langzeittherapie hauptsächlich osmotische Laxantien in Frage. Am besten dokumentiert sind Macrogol-Präparate. Für eine punktuelle Anwendung sind Kontaktlaxantien vermutlich besser als ihr Ruf. Ob man sie auch langfristig verwenden möchte, ist ein individueller Entscheid, der von der Gesamtsituation der behandelten Person abhängt. Eindeutig hingegen erscheint, dass ein Versuch mit den neueren Substanzen ausschliesslich dann Sinn macht, wenn alle anderen Bemühungen erfolglos geblieben sind. Insofern ist die limitierte Kassenzulässigkeit, die in der Schweiz für Prucaloprid und Lubiproston besteht, in jeder Hinsicht gerechtfertigt.

Standpunkte und Meinungen

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Behandlung der chronischen Obstipation (23. Oktober 2015)
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pharma-kritik, 37/No. 8
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