pharma-kritik
Antibiotika bei Haut- und Weichteilinfekten durch Methicillin-resistente Staph. aureus (MRSA)
- Autor(en): Renato L. Galeazzi
- pharma-kritik-Jahrgang 36
, PK948, Online-Artikel
Redaktionsschluss: 23. Februar 2015
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2014.948
Mini-Übersicht
Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA) scheinen immer mehr – vor allem in den USA – auch in der ambulanten Praxis ein Problem zu werden. Im Folgenden wird ein Text aus dem amerikanischen «Medical Letter on Drugs and Therapeutics» zusammengefasst (1). Gemäss dem Portal des Schweizerischen Zentrums für Antibiotikaresistenzen (www.anresis.ch) sind in der Schweiz etwa 10% der Staphylokokken Methicillin-resistent, sowohl im Spital als auch in der ambulanten Praxis. Nicht im Spital erworbene MRSA verursachen meistens Furunkel, Erysipele und Abszesse. Selten kann in der Praxis auch eine nekrotisierende Fasziitis oder eine nekrotisierende Pneumonie MRSA als Ursache haben. Septische Zustände sind noch seltener.
Ambulant erworbene MRSA sind in vitro sensibel gegen Vancomycin (Vancocin® u.a.), Daptomycin (Cubicin®) und Linezolid (Zyvoxid®) sowie meist gegen Clindamycin (Dalacin® u.a.), Cotrimoxazol (Bactrim® u.a.) und Tetrazykline. Spital-MRSA sind häufig resistent gegen die drei letztgenannten. Sowohl ambulant erworbene als auch nosokomiale MRSA sind immer häufiger auch resistent gegen Fluorochinolone.
Medikamente gegen MRSA
Clindamycin hat den Vorteil, dass es die Toxinproduktion hemmt, wird aber häufiger als andere Antibiotika als Grund für eine Clostridium-difficile-Enterokolitis gefunden.
Cotrimoxazol soll in adäquaten Dosen wirksam gegen MRSA sein, Resistenzen seien selten beobachtet worden.
Tetrazykline: Doxycyclin (Vibramycin® u.a.) sei wie Minocyclin (siehe weiter unten) wirksamer als andere Tetrazykline.
Linezolid ist zwar nicht bakterizid, soll aber bei schwereren MRSA-Infekten gleich wirksam sein wie Vancomycin. Zudem unterdrückt es die Toxinproduktion. Siehe auch: pharma-kritik-Text zu Linezolid (2).
Vancomycin muss intravenös gegeben werden und ist im Spital das Medikament der ersten Wahl bei schweren MRSA-Infektionen und selbstverständlich bei Sepsis. Resistenzen sind gemäss anresis.ch bis 2013 in der Schweiz nicht beschrieben.
Daptomycin muss ebenfalls parenteral verabreicht werden. Es ist bakterizid und scheint ebenso wirksam zu sein wie Vancomycin (3).
Ceftarolin-Fosamil (Zinforo®) ist ein parenteral zu verabreichendes Cephalosporin, wirksam bei MRSA-Haut- und -Weichteilinfektionen. Dieses Medikament war das erste von der FDA für diese Indikation zugelassene Cephalosporin.
Telavancin, ein Derivat von Vancomycin, ist in der Schweiz nicht erhältlich. Es soll ähnlich wirksam sein wie Vancomycin, verursacht jedoch mehr unerwünschte Wirkungen.
Tigecyclin (Tygacil®), das ebenfalls parenteral gegeben werden muss, ist ein Derivat von Minocyclin und wirksam gegen MRSA. Gemäss einer Analyse der amerikanischen Behörde (FDA) ist das Mortalitätsrisiko unter Tigecyclin höher als unter anderen Antibiotika (4).
Fluorochinolone: In den USA seien die meisten nosokomial gefundenen MRSA resistent gegen Fluorochinolone, in der ambulanten Praxis aber meistens empfindlich. Resistenzen treten unter der Therapie rasch auf. Für die Schweiz sind keine Daten für MRSA erhältlich. Allgemein sind Staphylokokken in über 7% resistent gegen Fluorochinolone, sowohl innerhalb des Spitals wie auch ausserhalb.
Neuere Medikamente sind im Zulassungsverfahren in den USA. Erwähnt werden Dalbavancin und Tedizolid.
Aus Schweizer Sicht lässt sich festhalten, dass in Anbetracht des relativ ungünstigen Nutzen/Risiko-Verhältnisses
- Minocyclin heute in der Schweiz nur noch als Aknetherapeutikum verfügbar ist und
- Tigecyclin wegen seiner höheren Toxizität wohl besser vermieden wird.
In der Schweiz empfohlene Antibiotika zur oralen Behandlung sind in Tabelle 1 zusammengestellt, diejenigen zur intravenösen Behandlung in Tabelle 2.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Einfache MRSA-Infektionen von Haut und Weichteilen, zum Beispiel Abszesse, sollten in erster Linie durch Inzision und Drainage behandelt werden. Genügt das nicht, wird eine orale Therapie mit Cotrimoxazol, Doxycyxlin, Clindamycin oder dem (sehr teuren) Linezolid empfohlen. Kranke mit schwereren Formen oder komplizierten Infektionen der Haut und der Weichteile sollten umgehend hospitalisiert und intravenös behandelt werden. Insbesondere bei Verdacht auf tiefe Weichteilinfektionen wie Fasziitis muss rasch gehandelt werden.
Zusammengefasst und ergänzt von Renato L. Galeazzi
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Antibiotika bei Haut- und Weichteilinfekten durch Methicillin-resistente Staph. aureus (MRSA) (23. Februar 2015)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 36/No. online
PK948
PK948
Untertitel
Aktueller pharma-kritik-Jahrgang
Passwort beantragen
infomed mailings
Verwandte Artikel
11. Oktober 2020
Antibiotika verursachen ungeplante Schwangerschaften [pharma-kritik]
30. September 2021
Mehr Kolonkarzinome nach häufiger Antibiotika-Therapie [pharma-kritik]
30. September 2021
Antibiotika bei Kindern nur zurückhaltend verschreiben! [pharma-kritik]
1. September 2015
Makrolid-Antibiotika [pharma-kritik]
12. April 2016
Aktuelle Antibiotikafragen [pharma-kritik]
Gratisbuch bei einem Neuabo!
Abonnieren Sie jetzt die pharma-kritik und erhalten Sie das Buch «100 wichtige Medikamente» gratis. Im ersten Jahr kostet das Abo nur CHF 70.-.
pharma-kritik abonnieren
pharma-kritik abonnieren
-
Jahrgang 46 / 2024
Jahrgang 45 / 2023
Jahrgang 44 / 2022
Jahrgang 43 / 2021
Jahrgang 42 / 2020
Jahrgang 41 / 2019
Jahrgang 40 / 2018
Jahrgang 39 / 2017
Jahrgang 38 / 2016
Jahrgang 37 / 2015
Jahrgang 36 / 2014
Jahrgang 35 / 2013
Jahrgang 34 / 2012
Jahrgang 33 / 2011
Jahrgang 32 / 2010
Jahrgang 31 / 2009
Jahrgang 30 / 2008
Jahrgang 29 / 2007
Jahrgang 28 / 2006
Jahrgang 27 / 2005
Jahrgang 26 / 2004
Jahrgang 25 / 2003
Jahrgang 24 / 2002
Jahrgang 23 / 2001
Jahrgang 22 / 2000
Jahrgang 21 / 1999
Jahrgang 20 / 1998
Jahrgang 19 / 1997
Jahrgang 18 / 1996
Jahrgang 17 / 1995
Jahrgang 16 / 1994
Jahrgang 15 / 1993
Jahrgang 14 / 1992
Jahrgang 13 / 1991
Jahrgang 12 / 1990
Jahrgang 11 / 1989
Jahrgang 10 / 1988
Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?
Schauen Sie ein Probekapitel unseres Medikamentenführers an. Die Medikamente in unserem Führer wurden sorgfältig ausgesucht und konzentrieren sich auf die geläufigsten Probleme in der Allgemeinmedizin. Die Beschränkung auf 100 Medikamente beruht auf der Überzeugung, dass sich rund 90% aller allgemeinmedizinischen Probleme mit 100 Medikamenten behandeln lassen.
Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.
Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.