Lohnt es sich? Editorial von Etzel Gysling (kein Passwort nötig)
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 31
, Nummer 20, PK711
Redaktionsschluss: 3. August 2010
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2009.711 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
ceterum censeo
Wie noch nie stehen uns heute medizinische Informationen in fast unerschöpflicher Menge zur Verfügung. Vieles ist kostenlos über das Internet abrufbar. Auch Informationen zu neuen Medikamenten sind reichlich vorhanden. So ergibt Ende Juli 2010 eine Suche nach «Saxagliptin» in der medizinischen Datenbank Medline zwar lediglich 63 Treffer, eine Google-Suche mit demselben Begriff spricht jedoch von «ungefähr 58‘700» Ergebnissen. Sucht man mit dem Markennamen «Onglyza», so findet man gar über 75‘000 Ergebnisse. Dies mag auf den ersten Blick faszinieren; sieht man die Google-Resultate genauer an, entwickelt sich aber schnell eine Art von Daten-Albtraum. Neben Resultaten, die wahrscheinlich objektiv korrekt sind, aber kaum mehr aussagen als beispielsweise die im Arzneimittel-Kompendium enthaltenen Basisinformationen, finden sich fast beliebig viele Pseudo-Resultate, die überhaupt nichts Brauchbares zu Saxagliptin vermitteln oder auch offensichtlich Falsches kolportieren. Grundsätzlich ist es jedoch durchaus möglich, die Spreu vom Weizen zu trennen, d.h. durch Eingabe zusätzlicher Suchbegriffe und mittels sorgfältigem Studium der relevant erscheinenden Resultate brauchbare Aussagen zu Saxagliptin «herauszufischen».
Somit stellt sich die Frage: Lohnt es sich denn, für ein mageres Blatt wie die «pharma-kritik» jährlich rund 100 Franken zu bezahlen? Aus meiner Sicht gibt es zwei wesentliche Argumente, weshalb dieses Geld sinnvoll eingesetzt ist.
Das erste Argument heisst: Zeit. Ein «pharma-kritik»-Text ist nicht nur kurz, sondern setzt zudem ein Hauptaugenmerk auf Aspekte, die in offiziellen Texten leicht zu kurz kommen oder im Wust der mehr oder weniger bedeutsamen Informationen untergehen. Mit anderen Worten: der Text vermittelt innerhalb von kurzer Zeit Wissen, das man sonst mit stundenlangem Aufwand zusammentragen müsste. Tatsächlich benötigen wir in unserem Redaktionsteam in der Regel nicht nur Stunden, sondern – je nach Thema – Tage bis Wochen, bis wir nur schon das Wichtigste gefunden und geordnet haben. (Damit ist ein Text allerdings noch nicht geschrieben.)
Das zweite Argument heisst: Kompetenz. Zu Medikamenten und generell zu therapeutischen Fragen gibt es immer verschiedene Aussagen und Fakten, die gewertet werden müssen. Dabei genügt es nicht, Internet-Suchmaschinen und medizinische Datenbanken abzufragen. Um sich ein möglichst vollständiges Bild zu einem Thema zu machen, ist meistens die Lektüre von spezialisierten Zeitschriften notwendig. Ebenfalls nützlich, wenn auch zeitraubend, kann das Studium von offengelegten Dokumenten und Protokollen von Arzneimittelbehörden (insbesondere von Texten der amerikanischen Behörde FDA) sein. Von Bedeutung ist ferner der Informationsaustausch innerhalb der internationalen Gruppierung von unabhängigen Arzneimittel-Zeitschriften («International Society of Drug Bulletins»). Schliesslich verschafft erst ein Redaktionsteam, das sich nicht nur an pharmakologisch-pharmazeutischen Aspekten orientiert, sondern auch mit dem Alltag der medizinischen Praxis vertraut ist, den Texten Relevanz und Vertrauenswürdigkeit.
Dass wir in dieser Zeitschrift nicht Kritik um der Kritik willen veröffentlichen, sondern nur im Interesse der Sache bzw. des kranken Menschen, dürfte allen Leserinnen und Lesern wohl bewusst sein.
Stellt man die Frage «Lohnt es sich?» aus der Sicht des Redaktionsteams und des Verlags, so ist die Antwort nicht ganz so einfach. Der primäre Markt unserer Zeitschriften – pharma-kritik und infomed-screen – sind ja die Angehörigen der Gesundheitsberufe in der Deutschschweiz. Dazu kommt natürlich noch eine kleine Zahl von Abonnentinnen und Abonnenten in der französischen Schweiz, im Tessin und im deutschsprachigen Ausland. Im Vergleich mit anderen werbefreien Arzneimittel-Publikationen in Europa erreichen wir jedoch auch bei «grosser Beliebtheit» nur eine lächerlich kleine Auflage. Es ist uns natürlich bewusst und wir freuen uns auch darüber, dass uns unsere Leserinnen und Leser ungewöhnlich viel Wohlwollen entgegenbringen. Dieses Wohlwollen spüren wir auch, wenn wir für die Stiftung info-pharma freiwillige Beiträge – besonders grosszügig vom Aroser Kongressverein – erhalten. (Dank der Stiftung info-pharma konnte z.B. jetzt unsere Website, auf der wir einen grossen Teil unserer Publikationen kostenlos zur Verfügung stellen, neu gestaltet werden.) Der Publikations-Alltag kann und soll aber nicht aus dem relativ bescheidenen Stiftungsgeld finanziert werden.
Die Anzahl Abonnemente, die wir verkaufen können, nimmt jedoch schon seit ein paar Jahren ab. Besonders weil es je länger desto weniger Einzelpraxen gibt, dient ein Abonnement oft mehreren Kolleginnen und Kollegen. (Der höhere Preis der Abos für Gruppenpraxen kompensiert dies natürlich nur in geringem Ausmass.) So müssen wir zur Zeit damit leben, dass unser Markt kontinuierlich kleiner und damit «unrentabler» wird. Ob und wie sich dies in Zukunft ändern lässt, darüber diskutieren wir natürlich im Team – einfache Patentlösungen gibt es kaum
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