Festbeträge
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 13
, Nummer 08, PK573
Redaktionsschluss: 28. April 1991 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
ceterum censeo
In der Schweiz wissen nicht viele, was Festbeträge sind. Festbeträge entsprechen einer Massnahme zur Kostendämpfung. Sie sind in den letzten Jahren in unserem nördlichen Nachbarland eingeführt worden und haben schon zu vielen Diskussionen Anlass gegeben. Während früher die deutschen Krankenkassen 100% der Kosten der allermeisten Medikamente übernahmen, bezahlen sie heute für mehrere wichtige Arzneimittel höchstens einen bestimmten Betrag, eben den Festbetrag. Bei Präparaten, deren Verkaufspreis über dem Festbetrag liegt, müssen Patientinnen und Patienten die Differenz selbst bezahlen. Festbeträge sind aber so angesetzt, dass mindestens eines der vorhandenen Präparate ohne Beitrag seitens der Kranken gekauft werden kann. Gemäss der deutschen «Roten Liste» fielen am Anfang dieses Jahres 71 Präparate («Fertigarzneimittel») in zahlreichen Formen und Packungsgrössen unter die Festbetragsregelung. Ich fand es aufschlussreich, die Liste dieser Medikamente durchzusehen und auch ein paar Preisvergleiche anzustellen.
Es ist offensichtlich, dass bisher in erster Linie einige der in Deutschland am häufigsten verschriebenen Medikamente in die Liste aufgenommen worden sind. Präparate, die noch unter Patentschutz stehen und deshalb nur von einer Firma (bzw. deren Lizenznehmer) hergestellt werden, fehlen allerdings. In Deutschland stehen ja zu den Medikamenten recht zuverlässige Verkaufszahlen zur Verfügung. Ein Vergleich mit entsprechenden Verschreibungsdaten aus der Schweiz wäre instruktiv; leider wird diese Information nach wie vor «streng geheim» gehandelt. Zudem scheint die deutsche Festbetragsliste neben oft verordneten Präparaten wie Schmerzmitteln, Antibiotika und Herz-Kreislauf-Mitteln auch einige Medikamente zu enthalten, die möglicherweise nur wegen der Zweifel an ihrem Nutzen mit einem Festbetrag versehen wurden. So gehören z.B. Nicergolin (Sermion®), Piracetam (Nootropil®) und Vincamin (Cetal® u.a.) kaum zu den besonders häufig verschriebenen und erst recht nicht zu den besonders wichtigen Arzneimitteln.
Die Hersteller von Originalpräparaten haben die Einführung der Festbeträge als forschungsfeindlich und nutzlos gegeisselt. Der Einnahmenausfall ist zum Teil beträchtlich und kann für einzelne Firmen viele Millionen DM ausmachen; anderseits hält die Industrie die Ersparnis für die Krankenkassen für nicht relevant. Es fällt schwer, dieser Argumentation zu folgen. Wenn eine Million DM auf der einen Seite eine erhebliche Einbusse darstellt, so ist sie wohl auf der anderen Seite auch eine erhebliche Entlastung.
Bis vor kurzem waren die Medikamentenpreise in Deutschland annähernd so hoch wie in der Schweiz. Mit den Festbeträgen ist es nun in wichtigen Bereichen zustarken Preisreduktionen gekommen. Zwar haben längst nicht alle Hersteller ihre Preise auf das Festbetrags-Niveau gesenkt. Es ist aber anzunehmen, dass nur wenige Versicherte bereit sind, einen Aufpreis zu zahlen, wenn vom gleichen Medikament Generika ohne Aufpreis verfügbar sind. In Tabelle 1 sind einige Beispiele zusammengestellt, die zeigen, wie billig Medikamente in Mitteleuropa sein können. Für diese Beispiele gilt zudem, dass auch das billigste Schweizer Analogpräparat im Preis noch über dem deutschen Festbetrag liegt. In Deutschland dagegen sind für viele Medikamente Generika erhältlich, deren Preis unter dem Festbetrag liegt!
Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass nicht in erster Linie die Medikamente für die enorme Kostensteigerung des Schweizer Gesundheitswesens verantwortlich sind. Irritierend bleibt dennoch, dass ein Land mit einer so guten und effizienten Pharma-Industrie gleichzeitig einsame Spitze in den Medikamentenpreisen ist. Teure neue Medikamente haben in vielen Fällen ältere Substanzen abgelöst, sicher zu Recht, da die neuen besser wirksam und besser verträglich sind. Umso wichtiger wäre es, dass diejenigen älteren Arzneimittel, die immer noch als erste Wahl gelten können, nicht teurer, sondern billiger würden. Wann werden wir wohl in der Schweiz Arzneimittel zu einem Preis kaufen können, der dem internationalen Preisniveau entspricht?
Etzel Gysling
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