Antiarrhythmika bei Extrasystolie?
- Reviewer: Dietrich Andresen, Ferenc Follath, Gianni Garzoli, Hans Rudolf Jenzer, Lukas Kappenberger
- pharma-kritik-Jahrgang 13
, Nummer 11, PK566
Redaktionsschluss: 14. Juni 1991 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Übersicht
Extrasystolen sind die weitaus häufigste Rhythmusstörung und kommen auch bei Herzgesunden oft vor. Eine Behandlung verfolgt zwei grundsätzlich verschiedene Ziele. Sie kann sich einerseits aufdrängen, wenn Extraystolen mit unangenehmen Symptomen wie Herzklopfen, Schwindel, Synkopen oder Angina pectoris verbunden sind. Anderseits wird eine medikamentöse Arrhythmie-Suppression auch ohne Leidensdruck bei Patienten in Betracht gezogen, bei welchen Extrasystolen das Risiko für einen plötzlichen Herztod erhöhen.
Vorhof-Extrasystolen sind gewöhnlich von einem unveränderten QRS-Komplex begleitet, während sich ventrikuläre Extrasystolen (Kammerextrasystolen) durch das Fehlen einer vorangehenden P-Welle und einen fast immer deutlich veränderten QRS-Komplex auszeichnen. Extrasystolen entstehen entweder monofokal mit monomorphem Aussehen oder multifokal mit polymorphem Bild. Ventrikuläre Extrasystolen können in fixer Kupplung als Bigeminus oder Trigeminus, vereinzelt oder repetitiv als Paare oder Salven auftreten. Kammertachykardien sind im Prinzip als repetitive Form der Extrasystolie anzusehen. Wenn mehr als 16 Extrasystolen hintereinander folgen oder -- nach anderen Autoren -- die Arrhythmie länger als 30 Sekunden dauert, so spricht man von einer anhaltenden Tachykardie. Kürzere Episoden (drei oder mehr Extrasystolen) werden als nicht-anhaltende Tachykardie bezeichnet.
Extrasystolen können Ausdruck pathophysiologischer oder pharmakologischer Störfaktoren sein (Elektrolytstörungen, Hypoxie, Azidose, Myokarddilatation, Digitalis, Psychopharmaka, Sympathomimetika usw.).
Verbreitung und prognostische Bedeutung der Extrasy - stolen
Ventrikuläre Extrasystolen sind sehr häufig, können aber meistens nur im Langzeit-EKG erfasst werden. Im Ruhe- EKG werden gut 90% der Extrasystolen verpasst.(1) Mit zunehmendem Alter werden solche Rhythmusstörungen häufiger: In einer Untersuchung fanden sich bei erwerbstätigen Männern im Alter von 55 bis 59 Jahren in rund 60%, im Alter von 60 bis 64 Jahren aber in etwa 80% ventrikuläre Extrasystolen.(2) Auch gehäufte Extrasystolen treten unter Belastung bei klinisch Herzgesunden mit zunehmendem Alter recht oft auf (bei gegen 20% der Männer über 80 Jahre).(3)
Mit der Tecumseh-Epidemiologiestudie wurde schon 1969 ein Zusammenhang zwischen einer ventrikulären Extrasystolie und dem späteren Auftreten eines plötzlichen Herztodes aufgezeigt. Eine Reihe weiterer Studien sowie eine Nachanalyse dieser ersten Studie zeigten in der Folge jedoch übereinstimmend, dass eine ventrikuläre Extrasystolie nur bei Vorliegen einer Herzkrankheit mit einer Prognose- Verschlechterung einhergeht. Auch sehr häufige und «komplexe» ventrikuläre Extrasystolen sind hingegen harmlos, wenn eine Herzkrankheit klinisch (ohne invasive Untersuchung) ausgeschlossen werden kann. Gemäss einer 10jährigen Nachbeobachtung hatten 73 Probanden, die im Mittel über 500 ventrikuläre Extrasystolen pro Stunde aufwiesen und dabei in über 60% komplexe Formen (polymorphe oder paarweise Extrasystolen, Salven, R/T-Phänomen) zeigten, ein ähnliches Risiko für einen plötzlichen Herztod wie die gesunde Bevölkerung.(4) Auch bei herzgesunden Kindern sind ventrikuläre Extrasystolen prognostisch bedeutungslos.(5)
Gut dokumentiert ist demgegenüber die ungünstige prognostische Bedeutung gewisser Extrasystolie-Formen in der späten Spitalphase nach Herzinfarkt. Das durchschnittliche Sterberisiko nach Überleben eines Herzinfarkts ist heute auf etwa 4 bis 5% im ersten Jahr bzw. 6 bis 7% innerhalb von zwei Jahren gesunken.
Der Nachweis von ventrikulären Extrasystolen im 24- Stunden-EKG bedeutet allerdings noch nicht, dass ein erhöhtes Risiko besteht. Die Mehrzahl der Infarktpatienten, die solche Extrasystolen aufweisen, erleiden in den folgenden 2-3 Jahren keinen plötzlichen Herztod.
Von Bedeutung ist sowohl die Frequenz als auch die Art der beobachteten Extrasystolen: Erst wenn mindestens 10 Extrasystolen pro Stunde festzustellen sind, ist das Risiko eines plötzlichen Herztodes in den ersten zwei Jahren nach Infarkt erhöht. Gemäss verschiedenen Studien beträgt das Sterberisiko für solche Patienten etwa 15% (innerhalb von zwei Jahren). Zusätzlich entscheidend ist das Vorliegen von repetitiven Formen. Ein erhöhtes Sterberisiko haben Infarktpatienten, bei denen innerhalb von 24 Stunden mehr als 10 ventrikuläre Extrasystolie-Paare bzw. mehr als zwei ventrikuläre Salven registriert werden.(1) Eine Bigeminie scheint hingegen prognostisch unbedeutend zu sein. An der Bedeutung von ventrikulären Extrasystolen als Risikoindikatoren haben aber auch Neuerungen in der Infarktbehandlung (Revaskularisation mittels Lyse oder Dilatation) nichts geändert.(6)
Anderseits gilt es zu berücksichtigen, dass auch komplexe Extrasystolien und Salven bei Infarktpatienten mit der Zeit häufig spontan wieder verschwinden (bei 30-50% im Zeitraum von 16 Monaten)(7). Jedenfalls ist das Risiko eines plötzlichen Herztodes im ersten Jahr nach Infarkt auch dann, wenn ein Patient relativ häufige und repetitive Extrasystolen hat, nicht höher als 20%.
Kann mittels programmierter elektrischer Stimulation eine anhaltende Tachykardie induziert werden, so ist dies wahrscheinlich ein zusätzlicher unabhängiger Risikoindikator für den plötzlichen Herztod. Infarktpatienten mit ventrikulären Extrasystolen ohne induzierbare ventrikuläre Tachykardie scheinen eine ähnlich günstige Prognose wie Infarktpatienten ohne Extrasystolen zu haben.(8)
Unabhängig vom Bestehen einer Extrasystolie hängt die Prognose wesentlich von der Herzleistung ab. Nach einem Infarkt trägt eine Herzinsuffizienz (bzw. eine Auswurffraktion unter 30%) mehr zum Risiko eines plötzlichen Herztodes bei als das Vorliegen einer Extrasystolie.(1) Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass ventrikuläre Extrasystolen, die mit einer gewissen Häufigkeit (mindestens 10 pro Stunde) und repetitiv (mehr als 10 Paare oder mehr als 2 Salven pro 24 Stunden) auftreten, mit einer überdurchschnittlich hohen Herztod-Rate nach Infarkt verbunden sind. Trotz diesem deutlich erhöhten relativen Risiko darf jedoch nicht übersehen werden, dass das von der Extrasystolie bestimmte Risiko absolut kaum je 10-20% übersteigt. Praktisch bedeutet dies, dass der prophylaktische Nutzen einer antiarrhythmischen Behandlung grösser sein müsste als das kumulierte Nebenwirkungs- Risiko bei den vielen Mitbehandelten, die auch ohne Behandlung keinen plötzlichen Herztod erleiden würden.
Supraventrikuläre Extrasystolen scheinen im Gegensatz zu ventrikulären Extraschlägen keine ungünstige prognostische Bedeutung zu haben, auch nicht bei Patienten mit Herzkrankheit bzw. nach Herzinfarkt.
Alle diese epidemiologischen Daten lassen jedoch die entscheidende Frage unbeantwortet, ob eine ventrikuläre Extrasystolie lediglich einen Risikoindikator des plötzlichen Herztodes oder einen pathogenetisch wirksamen Risikofaktor darstellt. Die gleiche Grundstörung könnte einerseits zum Herztod und auf unabhängigem Weg anderseits zu Extrasystolen führen. In diesem Fall wären ventrikuläre Extrasystolen ein statistisches «Epiphänomen » und eine medikamentöse Arrhythmie-Suppression ohne möglichen Einfluss auf den plötzlichen Herztod.
Klinische Studien
Eine Reihe von Medikamenten können ventrikuläre Extrasystolen wirksam unterdrücken (siehe Tabelle 1). Im Einzelfall kann jedoch nicht vorausgesagt werden, ob eine Extrasystolie auf die gewählte Substanz anspricht. Das heisst, das wirksame Antiarrhythmikum muss empirisch durch Ausprobieren ermittelt werden.
Jedes Antiarrhythmikum kann eine ventrikuläre Extrasystolie aber auch verschlimmern oder auslösen. Diese unerwünschte Wirkung lässt sich individuell ebenfalls nicht voraussagen.(9) Eine Zunahme von ventrikulären Extrasystolen unter Antiarrhythmika ist häufig zu beobachten und kann bis zu 28% der behandelten Patienten betreffen.(10) Die frühere Auffassung, dass solche arrhythmogenen Effekte nur bei Behandlungsbeginn auftreten, muss korrigiert worden. Diese Nebenwirkungen sind vielmehr im Verlaufe einer 10monatigen Langzeitbehandlung immer wieder neu aufgetreten.(11) Die Patienten mit dem grössten Risiko einer gefährlichen Rhythmusstörung sind unglück- licherweise auch diejenigen, bei denen sich am ehesten arrhythmogene Nebenwirkungen von Medikamenten zeigen.
Die Studien, welche die antiarrhythmische Wirksamkeit der in Tabelle 1 genannten Substanzen belegen, geben keine Auskunft über die entscheidende Frage nach dem Nutzen einer Arrhythmie-Behandlung. Wirksamkeit und Risiken einer antiarrhythmischen Therapie sind anderseits nie gezielt bei Patienten mit subjektiv störenden Extrasystolien und einem entsprechenden «Leidensdruck» untersucht worden. Die klinischen Studien, die sich auf die Frage der antiarrhythmischen Wirksamkeit der verschiedenen Substanzen beschränkt haben, sind deshalb für die Praxis wertlos.
Studien zur präventiven Langzeitbehandlung
Die weitaus grösste Untersuchung zur Frage des Nutzens einer antiarrhythmischen Behandlung ist der «Cardiac Arrhythmia Suppression Trial» (CAST). In diese Studie wurden Patienten aufgenommen, die 6 Tage bis 2 Jahre nach einem Myokardinfarkt mindestens 6 ventrikuläre Extrasystolen pro Stunde hatten. Im Durchschnitt betrug die Häufigkeit ventrikulärer Extrasystolen 130 pro Stunde. Als weiteres Selektionskriterium galt eine Auswurffraktion von höchstens 55%, falls der Infarkt nicht mehr als 90 Tage zurücklag, bzw. von höchstens 40%, falls sich der Infarkt schon früher ereignet hatte. Diese Kriterien dienten zur Selektion einer ungefähr ausgeglichenen Risikogruppe: ein prognostisch günstiger längerer Abstand vom Infarkt wurde durch eine ungünstige niedrigere Auswurffraktion ausgeglichen.
730 Personen wurden mit Flecainid (Tambocor® oder Encainid (in der Schweiz nicht erhältlich) behandelt, 725 erhielten stattdessen Placebo. Die Randomisierung in die beiden Gruppen erfolgte praxisgerecht erst nach einer erfolgreichen (mittels 24-Stunden-EKG kontrollierten) Suppression der Extrasystolen.
In diese Studie wurden somit nur Therapie-«Responder» aufgenommen, was zu einer gewissen Selektion von prognostisch günstigen Fällen führte. Die Sterberate in der Studienpolulation war deshalb relativ niedrig. Nach 10 Monaten zeigte sich jedoch, dass aktiv antiarrhythmisch behandelte Patienten eine drastisch höhere Mortalität als die Patienten der Placebogruppe hatten: Die Mortalität an plötzlichem Herztod war um das 3,6-fache, die Gesamtmortalität um das 2,5-fache erhöht. Unter antiarrhythmischer Therapie betrug die jährliche Gesamt-Sterberate 9,2% (5,4% Herztodesfälle), in der Placebogruppe nur 3,6% (1,5% Herztodesfälle). Untergruppenanalysen zeigen, dass diese Mortalitäts-Erhöhung in allen Untergruppen, unabhängig von anderen Risikofaktoren, auftrat.(11)
Zahlreiche weitere kontrollierte Studien, in denen die Wirkung von Antiarrhythmika der Klasse I (Natriumkanalblocker) auf die Mortalität untersucht wurde, umfassten nur kleine Patientengruppen; die statistische Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse ist entsprechend gering. In keiner dieser Studien, bei denen u.a. Mexiletin (Mexitil®), Phenytoin (z.B. Epanutin®), Procainamid (Pronestyl®) und Tocainid (Xylotocan®) eingesetzt wurden, konnte eine signifikante Mortalitätsreduktion beobachtet werden. Wiederholt zeigte sich sogar eine Mortalitätserhöhung, die jedoch in den einzelnen Studien nie statistisch signifikant war. Gemäss einer Metanalyse des «Cardiac Arrhythmia Suppression Trial» und acht weiterer Studien lässt sich schliessen, dass Antiarrhythmika der Klasse I keinen nachweisbaren Nutzen, sondern eher einen Schaden bringen.(12) Für einen der Prototypen dieser Klasse, Chinidin, fehlen allerdings entsprechende Studien. Eine Metanalyse von Studien zur Chinidinwirkung bei Vorhofflimmern zeigt jedoch ebenfalls eine signifikante Erhöhung (Vervierfachung) der Gesamtmortaliät.(13)
Die Verabreichung von Amiodaron in einer Dosis von 200 mg/Tag ergab bei herzinsuffizienten Arrhythmie-Patienten (Auswurffraktion unter 30%, Lown-Klasse II bis V) nach einem Jahr keinen Einfluss auf die Mortalität. Von 26 Patienten unter Amiodaron starben insgesamt 8 (31%), von 24 mit Placebo behandelten Patienten starben ebenfalls 8 (33%). Auch in bezug auf plötzliche Herztodesfälle ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen.(14)
Demgegenüber konnte in der «Basel Antiarrhythmic Study of Infarct Survival» (BASIS) unter Amiodaron eine Reduktion der Sterblichkeit beobachtet werden. 312 Infarktpatienten mit asymptomatischen ventrikulären Extrasystolen (Lown-Klasse III oder IVb) wurden randomisiert entweder mit 200 mg Amiodaron täglich oder mit einer individualisierten antiarrhythmischen Therapie behandelt und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Im Zeitraum von 12 Monaten starben insgesamt 10 (10%) der 100 individuell behandelten Patienten, 5 (5%) der 98 Amiodaron- Patienten und 15 (13%) der 114 unbehandelten Kontroll-Patienten. Die verhältnismässig kleinen Zahlen mahnen zu zurückhaltender Interpretation. So besteht zwar ein signifikanter Unterschied der Gesamtmortalität zwischen Amiodaron- und Kontrollgruppe; die kardialen Todesfälle sind unter Amiodaron ebenfalls reduziert, jedoch nicht in signifikantem Ausmass.(15)
Eine retrospektive Studie(16) wird noch heute oft als Beweis des Nutzens von Antiarrhythmika zitiert. Diese Studie umfasste Patienten mit «malignen» ventrikulären Extrasystolen bzw. Tachykardien (Episoden von Kammerflimmern, Synkopen oder hämodynamisch wirksamen Tachykardien), bei denen bereits einmal eine Reanimation oder Kardioversion stattfinden musste. Erfolgreich antiarrhythmisch behandelte Patienten wiesen eine deutlich bessere Überlebensrate auf als Patienten mit schlechter Arrhythmie-Kontrolle. Die medikamentöse «Kontrollierbarkeit » einer Extrasystolie ist jedoch ein prognostisches Kriterium, das allein die vermeintlichen Behandlungs- Unterschiede erklären könnte. Diese Studie bestätigt deshalb nur, dass eine schlecht beherrschbare Arrhythmie eine schlechtere Prognose aufweist. Ob darüber hinaus die Behandlung für den beobachteten Mortalitäts-Unterschied massgebend war, lässt sich aufgrund der ungeeigneten Studienanlage nicht sagen.
Schlussfolgerungen
Ventrikuläre Extrasystolen stellen einen Risikoindikator für den plötzlichen Herztod dar. Es ist aber bis heute unklar, ob sie wirklich eine kausale Rolle bei der Entstehung fataler ventrikulärer Arrhythmien spielen; aus einem statistischen Zusammenhang lässt sich keine Kausalität ableiten. Der «Cardiac Arrhythmia Suppression Trial» (CAST) hat deutlich gezeigt, dass auch eine im EKG nachweisbare, erfolgreiche Suppression von prognostisch ungünstigen ventrikulären Extrasystolen keinen Schutz vor dem plötzlichen Herztod bietet -- im Gegenteil. Dem scheinbar widersprüchlichen Resultat einer früheren retrospektiven Studie kommt dagegen keine Aussagekraft zu, da diese lediglich die relativ gute Prognose einer gut beherrschbaren Arrhythmie demonstriert. Der Wert einer prophylaktischen Behandlung lässt sich nur in randomisiert kontrollierten Langzeitstudien, in denen die entscheidenden Endpunkte (Mortalität und lebensbeeinträchtigende Morbidität) erfasst werden, zuverlässig nachweisen. Tatsächlich zeigen aber solche kontrollierten Studien meistens eine erhöhte Sterblichkeit unter Antiarrhythmika. Obwohl z.B. Flecainid in Studien zur antiarrhythmischen Wirksamkeit überdurchschnittlich gut verträglich schien,(7,17) führte gerade auch diese Substanz zu einem Mortalitäts-Anstieg. Welche Eigenschaften der verschiedenen Antiarrhythmika den plötzlichen Herztod begünstigt haben, ist unklar.(11) Es scheint aber, dass es sich um ein Merkmal aller Antiarrhythmika der Klasse I handelt.
Ob sich mit Amiodaron eine signifikante Mortalitätssenkung erzielen lässt, ist aufgrund der widersprüchlichen Ergebnisse bisheriger Studien noch nicht klar. Die Resultate weiterer Studien müssen noch abgewartet werden.
Bei symptomatischen oder hämodynamisch ungünstigen Extrasystolien ist das Nutzen/Risiko-Verhältnis einer antiarrhythmischen Therapie bisher nicht gezielt untersucht worden. So lässt sich gegenwärtig keine Patientengruppe definieren, die sicher von einer antiarrhythmischen Langzeitmedikation profitiert. Dementsprechend hat die Einteilung von ventrikulären Extrasystolen in «Schweregrade » (nach Lown) keine therapeutische Konsequenzen, und eine Behandlungsbedürftigkeit lässt sich aufgrund dieser Einteilung nicht definieren. Auch die Suche nach Arrhythmien nach Herzinfarkt (24-Stunden-EKG) hat beim heutigen Wissensstand wenig Sinn. Durch eine überflüssige Arrhythmie-Diagnostik besteht die Gefahr einer Risiko-Stigmatisierung, ohne dass daraus nützliche therapeutische Konsequenzen entstehen.
Bei Extrasystolien, die rezidivierend in hämodynamisch wirksame Tachykardien oder in Kammerflimmern übergehen, können mindestens kurzfristig antiarrhythmische Massnahmen unumgänglich sein. Notwendigkeit und Stellenwert der programmierten elektrischen Stimulation sind dabei noch unklar. Möglicherweise sind in dieser Situation implantierbare Defibrillatoren zuverlässiger als Antiarrhythmika.
In der Praxis haben daher Antiarrhythmika kaum einen Platz: Asymptomatische oder wenig symptomatische Extrasystolien sollten nicht antiarrhythmisch behandelt werden. Bei herzgesunden Individuen sind insbesondere die Antiarrhythmika der Klasse I kontraindiziert. Falls die Aufklärung über die gutartige Natur der Rhythmusstörung einen Herzgesunden nicht zu beruhigen vermag, lässt sich ausnahmsweise ein Betablocker in zurückhaltender Dosierung rechtfertigen.
Bei Patienten nach Myokardinfarkt haben sich Betablocker als vorteilhaft erwiesen, jedoch unabhängig vom Vorliegen einer ventrikulären Extrasystolie. Eine antiarrhythmische Behandlung symptomatischer Extrasystolien bei herzkranken Patienten sollte wegen der möglichen Risiken zurückhaltend erfolgen.
Literatur
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- 3) Busby MJ et al. J Am Coll Cardiol 1989; 14: 1659-65
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- 5) Paul T et al. Am Heart J 1990; 119: 577-82
- 6) Coromilas J et al. Circulation 1989; 80 (Suppl.II): 48
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- 14) Nicklas JM et al. Circulation 1988; 78 (Suppl.II): 27
- 15) Burkart F et al. J Am Coll Cardiol 1990; 16: 1711-8
- 16) Graboys TB et al. Am J Cardiol 1982; 50: 437-43
- 17) Mueller RA, Schmidt J. pharma-kritik 1984; 12: 47-8
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