Hypertonie in der Schwangerschaft

Übersicht

Obwohl in den letzten Jahrzehnten die Schwangerenvorsorge ausgebaut und neue therapeutische Möglichkeiten eingeführt worden sind, bringen hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft auch heute noch ein erhöhtes Risiko für Mutter und Kind mit sich. Es wird geschätzt, dass etwa 20% aller Schwangerschaften davon betroffen sind.(1)

Grundlagen

Während einer normalen Schwangerschaft vergrössern sich Plasmavolumen und Herzminutenvolumen um etwa 40%, ohne dass es zu einer Blutdruckerhöhung kommt. Im Gegenteil: in der ersten Schwangerschaftshälfte sinken die Blutdruckwerte (die diastolischen um bis zu 25 mm Hg) und erreichen erst gegen Ende der Schwangerschaft wieder ihre Ausgangswerte.(2)
Der Blutdruck soll bei Schwangeren in sitzender Position gemessen werden, weil die Blutdruckwerte in Rückenlage (durch Verminderung des Blutrückstromes zum Herzen) vermindert sein können. Entsprechend den Richtlinien der «International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy» (ISSHP) gilt allein die dauernde Erhöhung des diastolischen Blutdruckes über 90 mm Hg (Korotkoff- Phase IV) als Kriterium für das Vorliegen einer Hypertonie in der Schwangerschaft.
Auch bei der Klassifikation bezieht sich der vorliegende Artikel auf die Empfehlungen der ISSHP, welche auch von der WHO übernommen wurden. Die eine Hauptgruppe der hypertensiven Erkrankungen in der Schwangerschaft bilden die chronischen Hypertonien. Eine chronische Hypertonie besteht definitionsgemäss, wenn eine Blutdruckerhöhung schon vor der Schwangerschaft oder vor der 20. Woche gefunden wurde oder über die Schwangerschaft hinaus weiterbesteht.
Die andere Hauptgruppe umfasst die sogenannten Schwangerschaftshypertonien (Gestationshypertonien), die nach der 20. Woche auftreten und sich nach Schwangerschaftsende wieder voll zurückbilden. Wenn eine Proteinurie (von mehr als 0,3 g Eiweiss/24 h oder 1 g/L im Spontanurin) hinzutritt, liegt eine Präeklampsie vor. Es ist zu beachten, dass die so definierte Präeklampsie nicht, wie bisher üblich, das Auftreten von neurologischen Symptomen als Vorzeichen einer Eklampsie bezeichnet. Sie entspricht eher der herkömmlichen EPH-Gestose (Edema, Proteinuria, Hypertension). Ödeme sollen aber eine geringere prognostische Bedeutung haben, als bisher angenommen wurde. Der Nachweis von Ödemen gilt deshalb nicht mehr als diagnostisches Kriterium.
Eine Eklampsie besteht, wenn bei Frauen mit Präeklampsie ohne bekannte andere Ursache zerebrale Krämpfe auftreten.(3,4)

Klinische Bedeutung

Die Präeklampsie tritt vorwiegend bei Erstgebärenden auf. Sie signalisiert eine unmittelbare Gefährdung von Mutter und Kind durch akute kardiovaskuläre Komplikationen. Neben einer Schädigung der mütterlichen Gefässe als Folge der Präeklampsie spielen auch Veränderungen der Blutgerinnung eine Rolle bei der Entstehung von Komplikationen. Dies gilt insbesondere für die Hirnblutung und das sogenannte HELLP-Syndrom, dessen Gefährlichkeit wegen des oft nur wenig erhöhten Blutdruckes leicht unterschätzt wird. Hämolyse, erhöhte Leberwerte und Thrombopenie (Haemolysis, Elevated Liver Enzymes, Low Platelet Count) geben dem Syndrom seinen Namen.
Eine isolierte Schwangerschaftshypertonie kann Ausdruck einer präeklamptischen Erkrankung im Stadium vor Auftreten einer Proteinurie oder Ausdruck einer latenten chronischen Hypertonie sein, welche durch die Schwangerschaft demaskiert wird. Die Zuordnung ist in diesen Fällen schwierig, die prognostische Bedeutung der isolierten Schwangerschaftshypertonie entsprechend unsicher. Eine chronische Hypertonie wird eher bei älteren Schwangeren beobachtet. Im allgemeinen gefährdet eine leichte essentielle Hypertonie direkt weder die Frau noch das Kind, doch ist bei Frauen mit chronischer Hypertonie das Risiko für die Entstehung einer Präeklampsie erhöht. Eine solche Propf-Präeklampsie gilt als besonders komplikationsgefährdet. (4,5)

Prophylaxe

Verschiedene Diäten (beispielsweise eiweissreiche) sind für Risikoschwangerschaften empfohlen worden, doch fehlen gesicherte Daten über ihre prophylaktische Wirksamkeit. (4) Diskutiert wird auch die Wirksamkeit von Magnesiumpräparaten; eine ausführlichere Analyse der Wirkungen von Magnesium folgt in einer kommenden pharma-kritik-Nummer.
Dokumentiert ist die Anwendung von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure: In einer Studie wurde dieses Medikament 33 Schwangeren prophylaktisch verabreicht. Ab der 12. Schwangerschaftswoche erhielten diese Frauen, bei welchen entweder eine vorbestehende Hypertonie oder ein Hinweis auf eine Plazentarinsuffizienz in einer früheren Schwangerschaft bestand, Acetylsalicylsäure (60 mg/Tag) oder Placebo. In der aktiv behandelten Gruppe traten signifikant weniger Hypertonien auf, ausserdem dauerten die Schwangerschaften im Mittel länger und das durchschnittliche Geburtsgewicht der Neugeborenen war höher als unter Placebo. Erklärt wird diese Wirkung durch eine günstige Beeinflussung des Gleichgewichts der vasoaktiven Prostaglandine, das bei der Entstehung der Präeklampsie möglicherweise eine wichtige Rolle spielt.(6)
In einer zweiten Doppelblind-Studie wurde Acetylsalicylsäure (100 mg/Tag) in 69 Risikoschwangerschaften ebenfalls mit Placebo verglichen. Die Einschlusskriterien waren bedeutend weniger streng als in der erstgenannten Studie; so genügte bei einer Erstgebärenden beispielsweise eine abnorme Blutdruckregulation bei Lagewechsel (positiver «Roll-Over-Test») als Behandlungsindikation. Aber auch in dieser Studie traten unter Acetylsalicylsäure signifikant weniger Hypertonien und Proteinurien auf.(7)

Trotz der positiven Berichte kann Acetylsalicylsäure noch nicht generell zur Prophylaxe der Präeklampsie empfohlen werden. Bis heute hat sich keine Methode etabliert, die zuverlässig und ohne grossen Aufwand zwischen Schwangeren mit normalem und solchen mit erhöhtem Präeklampsie-Risiko zu unterscheiden vermag. Zurzeit gilt nur die Anwendung bei Frauen, die ein stark erhöhtes Präeklampsie-Risiko (entsprechend den Einschlusskriterien der ersten Studie) aufweisen, als sinnvoll.(8)

Behandlung

Behandlungsziel

Ausserhalb der Schwangerschaft ist die Prävention kardiovaskulärer Spätfolgen das wichtigste Anliegen der antihypertensiven Therapie. In der Schwangerschaft tritt dieses Behandlungsziel in den Hintergrund.
Mit der Behandlung der hypertensiven Erkrankungen in der Schwangerschaft soll in erster Linie das unmittelbare Risiko für die Schwangere und ihr Kind vermindert werden. Es ist auch heute noch umstritten, ob dieses Ziel bei diastolischen Blutdruckwerten zwischen 90 und 110 mm Hg mit einer antihypertensiven Behandlung tatsächlich erreicht werden kann. Veränderungen in der Häufigkeit der seltenen Komplikationen könnten nur in sehr grossen, kontrollierten Studien eindeutig dargestellt werden.(9,10)

Entbindung

Die vorzeitige Entbindung ist die einzige kausale Behandlung einer Schwangerschaftshypertonie. Bei einer isolierten Hypertonie kann mit der Entbindung aber meistens bis zum Auftreten spontaner Wehen zugewartet werden. Ob und wann bei einer Präeklampsie die Schwangerschaft vorzeitig beendet werden soll, ist vom gesundheitlichen Zustand der Mutter und des Kindes sowie dem fetalen Reifezustand (bzw. dem Gestationsalter) abhängig. Bei Anzeichen einer unmittelbaren Bedrohung der Mutter (unkontrollierbare Blutdruckerhöhung, Proteinurie von mehr als 2 g Eiweiss/24h, Anstieg von Kreatinin oder Leberenzymen, Abfall der Thrombozyten unter 100 ×109/L, Kopfschmerzen und andere zentralnervöse Symptome sowie vergrösserte und/oder druckdolente Leber) ist eine Schwangerschaftsbeendigung innerhalb von 24 bis 48 Stunden angezeigt. Der Zustand des Kindes und das Gestationsalter sind dabei von untergeordneter Bedeutung. Wenn die Voraussetzungen für eine entsprechende Betreuung des Neugeborenen gegeben sind, wird eine Entbindung nach der 30. Woche wahrscheinlich auch bei leichteren Präeklampsien die sicherste Behandlung für Mutter und Kind darstellen. Je näher der Geburtstermin rückt, desto grosszügiger soll die Indikation zur Geburtseinleitung gestellt werden.
In der kritischen Phase zwischen der 25. und der 30. Woche ist ein konservativer Behandlungsversuch sinnvoll, er muss aber aufgegeben werden, wenn unter der Behandlung die Erkrankung weiter fortschreitet oder sich der Zustand von Mutter oder Kind verschlechtert.(4,5)

Nicht-medikamentöse Behandlung

Bettruhe ist seit Jahrzehnten das zentrale Element in der Behandlung der Präeklampsie. Mit dieser Massnahme können erhöhte Blutdruckwerte gesenkt und eine verfrühte Wehentätigkeit vermindert werden. Vor allem bei der Präeklampsie gibt es auch heute noch keine Alternative zu dieser Massnahme. Gesicherte Daten über ihre Wirksamkeit auf das Auftreten von Komplikationen gibt es allerdings nicht. Bei einer leichten Blutdruckerhöhung ohne Zeichen einer Progredienz ermöglicht eine Einschränkung der körperlichen Aktivität wenigstens, Blutdruckspitzen zu vermeiden. Die Belastungsgrenze kann dabei mittels Blutdruck- Selbstmessung festgelegt werden.
Eine salzarme Diät bei vorbestehender Hypertonie darf in der Schwangerschaft wahrscheinlich problemlos weitergeführt werden. Bei einer Schwangerschaftshypertonie soll dagegen auf eine Reduktion der Kochsalzaufnahme verzichtet werden, da durch eine Verminderung der zirkulierenden Plasmamenge die Organdurchblutung verschlechtert werden kann. Bei Schwangerschaftshypertonien mit starker Hämokonzentration wird im Gegenteil versucht, durch Infusion von Plasmaexpandern oder Elektrolytlösungen die verminderte zirkulierende Plasmamenge zu normalisieren. Dieses Vorgehen erfordert eine intensive Überwachung, um Komplikationen wie Lungen- oder Hirnödem zu vermeiden.(4,11)

Methyldopa, Clonidin

In einer offenen Studie erhielten 242 Schwangere mit leichter bis mittelschwerer Hypertonie nach dem Zufall Methyldopa (Aldomet® u.a., 0,75 bis 1 g/Tag) oder keine Behandlung. In der behandelten Gruppe waren die Blutdruckwerte niedriger; die Zahl der Präeklampsien bzw. ihrer Komplikationen war aber unverändert. Dennoch konnten mehr behandelte Frauen ihre Schwangerschaft erfolgreich zu Ende führen, weil bei ihnen weniger Aborte im mittleren Schwangerschaftsdrittel auftraten. Die neugeborenen Kinder wiesen keine nennenswerten Gruppenunterschiede auf.(12) Später konnte bei einer kleinen Untergruppe (Knaben, deren Mütter erstmals zwischen der 16. und 20. Woche behandelt wurden) ein etwas kleinerer Schädelumfang als bei den entsprechenden unbehandelten Knaben gefunden werden. Anderseits liess sich im Alter von 7 Jahren kein Unterschied in der Entwicklung und Intelligenz der beiden Untergruppen nachweisen.(13) Methyldopa wird auch heute noch als ein Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der Hypertonie in der Schwangerschaft empfohlen, vor allem weil seine Langzeitfolgen für das Kind besser dokumentiert sind als bei anderen Antihypertensiva. Unerwünschte Wirkungen von Methyldopa (Sedation, neurologische und hämatologische Störungen) führen häufig zum Behandlungsabbruch.
Clonidin (Catapressan®), das einen ähnlichen Wirkungsmechanismus wie Methyldopa aufweist, ist wahrscheinlich in der Schwangerschaft ähnlich wirksam. Seine Wirksamkeit und die Langzeitfolgen für das Kind sind aber weniger genau dokumentiert.(14)

Betablocker, Labetalol

In einer Doppelblindstudie wurden 120 Frauen, bei denen eine leichte bis mittelschwere Hypertonie im letzten Schwangerschaftsdrittel auftrat, mit Atenolol (Tenormin® u.a., 100 bis maximal 200 mg/Tag) oder Placebo behandelt. Atenolol senkte die Blutdruckwerte, verminderte das Neuauftreten von Proteinurie und verringerte die Zahl der Spitaleinweisungen. Atemnotsyndrome wurden nur bei Neugeborenen der Placebogruppe beobachtet; unter Atenolol traten signifikant häufiger kindliche Bradykardien auf, die aber alle nicht behandlungsbedürftig waren.(15) Im Gegensatz dazu zeigt eine neuere Doppelblindstudie bei 33 Schwangeren mit leicht erhöhten Blutdruckwerten (Mittel: 146/86 mm Hg) eine Verzögerung des intrauterinen Wachstums unter Atenolol (50 bis maximal 200 mg/Tag). In dieser Studie wurde die Behandlung durchschnittlich schon in der 16. Woche begonnen; Neugeborene der behandelten Gruppe hatten im Mittel ein signifikant kleineres Geburtsgewicht als diejenigen der Placebogruppe.(16)
In offenen Vergleichsstudien wurde ausserdem Oxprenolol (Trasicor®) mit Methyldopa verglichen, wobei sich die Substanzen im grossen und ganzen ebenbürtig waren.(9) Ebenfalls nur offen geführte Studien zur Anwendung in der Schwangerschaft existieren für Labetalol (Trandate®), das wegen der zusätzlichen Blockierung von a-adrenergen Rezeptoren von einigen Autoren bevorzugt wird. Die Resultate dieser Studien widersprechen sich. In einer Studie war das durchschnittliche Geburtsgewicht der Neugeborenen unter Labetalol grösser als unter Atenolol, in einer anderen war es kleiner als ohne Behandlung.(17,18) Labetalol kann zur notfallmässigen Blutdrucksenkung z.B. unter der Geburt auch intravenös gegeben werden.(11)
Betablocker gelten heute zusammen mit Methyldopa als Antihypertensiva der ersten Wahl in der Schwangerschaft. Sie sind die zur Zeit einzigen Antihypertensiva, bei welchen eine günstige Wirkung auf den Verlauf der Präeklampsie in kontrollierten Studien gezeigt werden konnte. Was fehlt, sind Studien von genügender Grösse, die diese Wirkung bestätigen und die Frage klären, in welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft eine Betablockerbehandlung begonnen werden soll.

Vasodilatatoren

Eine orale Monotherapie mit Hydralazin (Slow-Apresolin ®) oder Dihydralazin (Nepresol®) ist wahrscheinlich wegen der unerwünschten Sympathikusstimulation in der Schwangerschaft ungünstig; die Medikamente können aber als Zweitsubstanzen mit Betablockern oder Methyldopa kombiniert werden. In einzelnen Fällen wurde eine Thrombopenie bei Neugeborenen von behandelten Müttern beobachtet.(5,19)
Die intravenöse Gabe von Hydralazin oder Dihydralazin gilt als eine Methode erster Wahl in der Behandlung einer hypertensiven Krise in der Schwangerschaft.(5,11)

Diuretika

In einer Zusammenstellung von verschiedenen Studien mit Thiaziddiuretika bei insgesamt etwa 7000 schwangeren Frauen konnte gezeigt werden, dass Diuretika den Blutdruck senken und Ödeme reduzieren, aber die Häufigkeit der Präeklampsie und die perinatale Sterblichkeit nicht signifikant verringern. Immerhin konnten auch keine negativen Auswirkungen auf die Schwangerschaft nachgewiesen werden.(10) Thiaziddiuretika werden seit vielen Jahren in der Schwangerschaft verwendet und gelten deshalb als relativ sicher. Bei Neugeborenen von Müttern mit latentem Diabetes mellitus wurden in Einzelfällen schwere Hypoglykämien beobachtet.(20)
Da eine Schwangerschaftshypertonie durch eine weitere Reduktion der zirkulierenden Plasmamenge verschlimmert werden kann, wird heute davon abgeraten, sie in dieser Situation einzusetzen. Niedrig dosierte Diuretika scheinen aber bei Frauen mit vorbestehender Hypertonie problemlos toleriert zu werden.

Andere Antihypertensiva

Zur Anwendung von Kalziumantagonisten in der Schwangerschaft liegen kaum Daten vor. Verapamil (Isoptin® u.a.) scheint die Entwicklung einer Präeklampsie nicht zu beeinflussen. Nifedipin (Adalat® u.a.) und andere Dihydropyridine vermindern in Tierexperimenten die utero-plazentare Durchblutung. Ein kurzfristiger Einsatz in der Spätschwangerschaft scheint allerdings keine nachteiligen Auswirkungen auf Mutter und Kind zu haben. Dabei muss beachtet werden, dass die gleichzeitige Verabreichung von Magnesium zu einer verstärkten Blutdrucksenkung führen kann.(4,11) ACE-Hemmer wie Captopril (Lopirin® u.a.) und Enalapril (Reniten®) eignen sich nicht zur Anwendung in der Schwangerschaft, weil sie die utero-plazentare Durchblutung vermindern und die fetale Reifung behindern; bei Anwendung in der Spätschwangerschaft kann es ausserdem zu einem akuten Nierenversagen beim Neugeborenen kommen.(20)

Schlussfolgerungen

Obwohl hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft häufig sind und eine Gefährdung für Mutter und Kind darstellen, stützen sich Behandlungsempfehlungen auf relativ wenige kontrollierte Studien. Zudem sind diese Studien meistens klein und erlauben daher keine definitiven Aussagen über Nutzen und Risiko der geprüften Medikamente. Eindeutig ist die Lage nur bei einem diastolischen Blutdruck über 110 mm Hg, wo eine Behandlung wegen unmittelbar drohender Komplikationen unumgänglich erscheint. Die vorhandenen Daten deuten darauf hin, dass selektive b1-Blocker oder Labetalol eine gute Option bei leichten Blutdruckerhöhungen im letzten Schwangerschaftsdrittel darstellen. Bei längerdauernder Anwendung hat Methyldopa möglicherweise weniger negative Auswirkungen auf die intrauterine Entwicklung des Kindes. Die Behandlung einer leichten vorbestehenden Hypertonie wird vermutlich in der Frühschwangerschaft mit Vorteil ausgesetzt, zumal die Blutdruckwerte in dieser Periode physiologischerweise erniedrigt sind. Später kann die Behandlung wieder aufgenommen werden, wofür mit Ausnahme der ACE-Hemmer und der Kalziumantagonisten die meisten gebräuchlichen Antihypertensiva in Frage kommen.

Kommentar

Die Möglichkeit einer Prophylaxe der hypertensiven Erkrankungen in der Schwangerschaft mittels niedrig dosierter Acetylsalicylsäure scheint nach den bisherigen Erfahrungen sehr vielversprechend zu sein. Eine klare Indikationsliste besteht allerdings noch nicht und Cunningham und Gant lehnen sicher zu Recht eine generelle «Prophylaxe» bei allen Schwangeren ab.(8) Als vorläufige Indikationen dürfen akzeptiert werden: Status nach bestimmten Schwangerschaftskomplikationen (Hypertonie, intrauterine Wachstumsverzögerung, rezidivierende Spätaborte, vorzeitige Plazentalösung), chronische Hypertonie, chronische Nierenerkrankung, systemischer Lupus erythematodes, Diabetes mellitus, Mehrlingsgravidität. Zu empfehlen ist eine Behandlung von der 12. bis zur 37. Schwangerschaftswoche. Am einfachsten wird (statt der empfohlenen 1 mg/kg KG) täglich eine «Kindertablette» von 100 mg verabreicht. Möglicherweise wird man in Zukunft diese Dosierung reduzieren beziehungsweise zeitlich fraktionieren können.
G. Drack

Literatur

  1. 1) WHO Study Group. WHO Technical Report Series No. 758; Geneva: 1987
  2. 2) Wallenburg H. In: Rubin PC, ed. Hypertension in Pregnancy. Amsterdam: Elsevier, 1988: 66-102
  3. 3) Davey DA, MacGillivray I. Am J Obstet Gynecol 1988; 158: 892-8
  4. 4) Working Group on High Blood Pressure in Pregnancy. Am J Obstet Gynecol 1990; 163: 1689-712
  5. 5) Maikranz P, Lindheimer MD. Med Clin N Am 1987; 71: 1031-43
  6. 6) Benigni A et al. N Engl J Med 1989; 321: 357-62
  7. 7) Schiff E et al. N Engl J Med 1989; 321: 351-6
  8. 8) Cunningham FG, Gant NF. N Engl J Med 1989; 321: 606-7
  9. 9) Fletcher AE, Bulpitt CJ. In: Rubin PC, ed. Hypertension in Pregnancy. Amsterdam: Elsevier, 1988: 186-201
  10. 10) Collins R et al. Br Med J 1985; 290: 17-23
  11. 11) Silver HM. Med Clin N Am 1989; 73: 623-38
  12. 12) Redman CWG et al. Lancet 1976; 2: 753-6
  13. 13) Cockburn J et al. Lancet 1982; 1: 647-9
  14. 14) Horvath JS. Austr Prescr 1987; 10: 74-6
  15. 15) Rubin PC et al. Lancet 1983; 1: 431-4
  16. 16) Butters L et al. Br Med J 1990; 301: 587-9
  17. 17) Lardoux H et al. Arch Mal Coeur 1983; 76: 172-6
  18. 18) Cruickchank DJ, Campbell DM. Br Med J 1990; 301: 1103
  19. 19) Widerlöv E et al. N Engl J Med 1980: 303: 1235
  20. 20) Folb PI, Dukes MNG, eds. Drug Safety in Pregnancy. Amsterdam: Elsevier, 1990: 153-71

Standpunkte und Meinungen

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Hypertonie in der Schwangerschaft (14. April 1991)
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