Tropisetron

Synopsis

Tropisetron (Navoban®) ist ein Antiemetikum, das zurPrävention von Zytostatika-induziertem Erbrechen empfohlenwird.

Chemie/Pharmakologie

Tropisetron ist wie Granisetron (Kytril®) und Ondansetron (Zofran®) ein Antagonist im Bereich bestimmter Serotonin-Rezeptoren, ein 5-HT3-Rezeptor-Antagonist. Es hat eine ganz ähnliche chemische Struktur wie Granisetron. Die antiemetische Wirkung dieser Medikamente beruht offenbar auf der selektiven Blockade von zentralen 5-HT3-Rezeptoren in der «Chemorezeptor Trigger Zone» des Hirnstammes;(1,2) auch Serotonin-Effekte an peripheren 5-HT3-Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt werden antagonisiert. Dagegen haben die spezifischen 5-HT3-Rezeptorantagonisten im Gegensatz zu Metoclopramid (Paspertin® u.a.) keine Affinität zu Dopaminrezeptoren.

Pharmakokinetik

Tropisetron wird gastrointestinal gut resorbiert, aber in individuell unterschiedlichem, z.T. dosisabhängigem Ausmass präsystemisch metabolisiert. Die biologische Verfügbarkeit beträgt um 60%. Maximale Plasmaspiegel werden nach 2-3 Stunden erreicht. Etwa 70% einer Dosis werden als Metaboliten über die Nieren ausgeschieden.
Die mittlere Eliminationshalbwertszeit beträgt 7-8 Stunden. Der Metabolismus von Tropisetron hängt von einem genetisch polymorph bestimmten Zytochrom-P450-Enzym ab (Debrisoquin/Spartein-Polymorphismus). Bei etwa 8% der Schweizer Bevölkerung ist deshalb die Eliminationshalbwertszeit auf 30-40 Stunden verlängert. Trotzdem ist bei der empfohlenen Dosierung eine Dosisanpassung nicht nötig, da es sich immer um eine zeitlich beschränkte Therapie handelt.
Bei der Mehrheit der Patienten hält der antiemetische Effekt etwa 24 Stunden an. Einige Autoren beobachteten aber, dass nach Injektionen bei einzelnen Patienten die Wirkung nach acht Stunden nachliess.(3,4)

Klinische Studien

Die Wirksamkeit von Tropisetron wurde vorwiegend bei Patienten mit Cisplatin-induziertem Erbrechen geprüft. Einige wichtige der meist offenen Vergleichsstudien sind jedoch nicht im Detail beschrieben worden. Dosisfindungsstudien hatten gezeigt, dass sich die antiemetische Wirkung durch Dosissteigerung über 5 mg/Dosis nicht verbessern liess.(1) Die Behandlung erfolgte im allgemeinen mit einer täglichen Gabe (teilweise 5 mg oral am Vorabend, immer 5 mg intravenös am ersten Tag unmittelbar vor Beginn der Chemotherapie, gefolgt von 5 mg/Tag oral an den fünf folgenden Tagen).

Akutes Erbrechen

Die Wirkung von Tropisetron auf akutes Erbrechen (innerhalb der akuten Phase von 24 Stunden nach der Cisplatin- Verabreichung) wurde in einer einfachblinden Crossover- Studie bei 20 Patienten mit Metoclopramid (2 mg/kg i.v.) + Lorazepam (Temesta®, 1 mg oral) verglichen. Mit Tropisetron hatten 75%, mit Metoclopramid/Lorazepam nur 30% der Behandelten gar kein Erbrechen.(5) In einer offenen Studie mit 102 Patienten, die mit Carboplatin (Paraplatin ®) und anderen stark emetogen wirkenden Zytostatika behandelt wurden, waren 44% der mit Tropisetron und 22% der mit Metoclopramid/Lorazepam Behandelten frei von Erbrechen.(4)

In der grössten bisher publizierten Vergleichsstudie erhielten 259 Personen, die mit Cisplatin behandelt wurden, entweder Tropisetron in der beschriebenen Dosierung oder die Kombination von hochdosiertem Metoclopramid (zuerst 2mal 3 mg/kg i.v., anschliessend 3mal täglich 10 mg per os) und Dexamethason (z.B. Decadron®, einmal 20 mg i.v.) sowie eventuell Lorazepam (2mal 1 mg am ersten Tag). Mit beiden Behandlungsarten wurde eine gleichwertige Wirkung erreicht; 63% der Behandelten waren frei von akutem Erbrechen.(6)
In drei weiteren Studien wurde Tropisetron bei insgesamt 447 Patienten mit ähnlichen Metoclopramid/Dexamethason- Kombinationen verglichen. Tropisetron verhinderte akutes Erbrechen bei 35 bis 62% der Patienten vollständig, die antiemetischen Kombinationen bei 52 bis 64%.(4) In zwei dieser Studien war Tropisetron etwas weniger wirksam als die Kombination. Die antiemetische Wirkung von Tropisetron scheint über drei Chemotherapiezyklen fortzubestehen, in den anschliessenden Zyklen aber abzunehmen.(7)

Der akute Brechreiz wurde in der Regel von allen Medikamenten etwas weniger gut beeinflusst. Tropisetron erwies sich wirksamer als Metoclopramid, aber schwächer wirksam als die Kombinationen.

Verzögertes Erbrechen

Wie andere Antiemetika reduziert Tropisetron in der Regel auch das verzögerte Erbrechen (an den Tagen, die dem Behandlungstag folgen).(1) Nur in einzelnen Studien war die Wirkung am ersten Tag deutlich besser als an den folgenden.(7)

Kombination mit Steroiden

Eine Doppelblindstudie zeigte bei 62 Patienten, die auf Tropisetron nur teilweise ansprachen, dass die zusätzliche Gabe von Dexamethason (20 mg i.v. am ersten Tag, dann 2mal täglich 4,5 mg oral) akutes und verzögertes Erbrechen und Brechreiz deutlich reduzieren konnte.(8)

Vergleich mit anderen 5-HT3-Antagonisten

Von besonderer praktischer Bedeutung, aber bisher erst wenig untersucht, ist der Vergleich mit anderen 5-HT3- Antagonisten. In zwei offenen Crossover-Studien wurde bei Chemotherapien ohne Cisplatin die Wirkung von Tropisetron mit Granisetron und Ondansetron verglichen. In der einen Studie erhielten 166 Patienten vor der Chemotherapie intravenös 3 mg Granisetron oder 8 mg Ondansetron oder 5 mg Tropisetron. Mit Granisetron waren durchschnittlich 80% der Patienten frei von Erbrechen, mit Tropisetron 75% und mit Ondansetron 69%.(9)
In der anderen Studie (47 Patienten) wurde Ondansetron oder Tropisetron mit Dexamethason (10 mg i.v.) kombiniert. Die Kombination mit Ondansetron (8 mg i.v., gefolgt von 2mal 8 mg oral) unterdrückte das akute Erbrechen bei 97% der Patienten vollständig, diejenige mit Tropisetron (5 mg i.v.) bei 82%.(10)

Weitere Untersuchungen

Gemäss Resultaten aus vorläufigen Studien ist Tropisetronauch bei Patienten, die auf andere Antiemetika nichtangesprochen haben und bei Kindern, die mit verschiedenenZytostatika behandelt wurden, ein wirksames Antiemetikum.
Bei 69 Patientinnen reduzierte die prophylaktische Gabe von Tropisetron (5 mg i.v.) am Ende von gynäkologischen Operationen postoperatives Erbrechen gegen über Placebo um die Hälfte.(11)

Unerwünschte Wirkungen

Das Nebenwirkungsprofil von Tropisetron entspricht weitgehend demjenigen von Granisetron und Ondansetron. Am häufigsten sind Kopfschmerzen (bei 22% der Behandelten), Obstipation (11%) und Durchfall mit Bauchschmerzen (5%). Gelegentlich kommen Müdigkeit, Schwindel, Benommenheit und leichte Blutdruckschwankungen, selten auch Exantheme oder ein vorübergehender Anstieg der Transaminasen vor.
Extrapyramidale Symptome, die bei 5 bis 10% der mit hohen Metoclopramid-Dosen behandelten Personen auftreten, sind nur in wenigen Fällen (ohne eindeutigen Zusammenhang mit Tropisetron) beobachtet worden.(1)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Tropisetron (Navoban®) ist als 5-ml-Ampullen zu 1 mg/ml und als Kapseln zu 5 mg erhältlich. Die Ampullen sind (im Rahmen einer stark emetogenen Chemotherapie) kassenzulässig. Tropisetron wird an den ersten sechs Tagen jedes Zyklus einer zytostatischen Chemotherapie verabreicht. 5 mg werden am ersten Tag kurz vor Beginn der Chemotherapie als Kurzinfusion oder als langsame intravenöse Injektion gegeben. An den folgenden fünf Tagen soll eine Stunde vor dem Frühstück 1 Kapsel (5 mg) eingenommen werden.
Die Herstellerfirma empfiehlt, die injizierte Dosis bei Leberzirrhose und Niereninsuffizienz um 50% zu reduzieren. Wegen ungenügender Erfahrung soll Tropisetron nicht bei Kindern angewendet werden. In der Schwangerschaft und Stillzeit ist Tropisetron kontraindiziert. Die Kosten für eine sechstägige Tropisetron-Behandlung betragen Fr. 292.50. Eine analoge Behandlung mit Ondansetron kostet 402 Franken.

Kommentar

Tropisetron ist nach Granisetron und Ondansetron der dritte antiemetisch wirksame 5-HT3-Antagonist. Alle drei Substanzen weisen bei Zytostatika-induziertem Erbrechen eine besonders hohe antiemetische Wirksamkeit auf und verursachen kaum extrapyramidale Nebenwirkungen. Ob klinisch relevante Unterschiede zwischen diesen Medikamenten bestehen, kann vorläufig nicht mit Sicherheit gesagt werden. Tropisetron ist aber zurzeit bedeutend weniger gut dokumentiert als die Vergleichssubstanzen. Wünschenswert wäre insbesondere ein Vergleich mit der relativ kostengünstigen Dexamethason- Monotherapie.

Literatur

  1. 1) Lee CR et al. Drugs 1993; 46: 925-43
  2. 2) Ringele F. pharma-kritik 1991; 13: 81-4
  3. 3) Aapro MS. Drugs 1991; 42: 551-68
  4. 4) de Bruijn KM. Drugs 1992; 43 (Suppl 3): 11-22
  5. 5) Dogliotti L et al. Drugs 1992; 43 (Suppl 3): 6-10
  6. 6) Sorbe BG et al. Cancer 1994; 73: 445-54
  7. 7) de Wit R et al. Ann Oncol 1992; 3 (Suppl 5): 185
  8. 8) Schmidt M et al. Ann Oncol 1993; 4 (Suppl 3): 31-4
  9. 9) Jantunen IT et al. Eur J Canc 1993; 29A: 1669-72
  10. 10) Jantunen IT et al. Act Oncol (Stockholm) 1992; 31: 573
  11. 11) Zomers PJW et al. Br J Anaesth 1993; 71: 677-80

Standpunkte und Meinungen

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Tropisetron (14. November 1993)
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pharma-kritik, 15/No. 21
PK496
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