Azelastin-Nasenspray
- Autor(en): Urs Dieter Kappeler
- pharma-kritik-Jahrgang 16
, Nummer 17, PK479
Redaktionsschluss: 14. September 1994 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Azelastin (Allergodil®) ist ein Histamin-H1-Antagonist, der zur intranasalen Anwendung bei allergischer Rhinitis empfohlen wird. Entgegen den Angaben im Arzneimittel-Kompendium 1995 ist das Medikament bisher in der Schweiz nicht in Tablettenform erhältlich.
Chemie/Pharmakologie
Azelastin, ein Phthalazinon-Derivat, blockiert selektiv und kompetitiv Histamin-H1-Rezeptoren. Zu anderen Rezeptorsystemen scheint es eine geringe Affinität zu haben; serotonerge Bindungsstellen konnten in Tierversuchen nur mit hohen Dosen antagonisiert werden. In verschiedenen Modellen in vitro hemmte Azelastin zudem die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen;(1,2) in einer klinischen Doppelblind-Untersuchung bei Allergikern konnte diese Eigenschaft allerdings nicht bestätigt werden.(3)
Pharmakokinetik
Pharmakokinetische Studien wurden bisher fast nur mitoral verabreichtem Azelastin durchgeführt. Plasmaspiegelbestimmungen lassen aber annehmen, dass intranasal appliziertes Azelastin grösstenteils resorbiert und systemisch verfügbar wird. Im Gastrointestinaltrakt wird das Medikament praktisch vollständig aufgenommen. Die Bioverfügbarkeit beträgt mindestens 80%. Rund 4 Stunden nach derVerabreichung werden maximale Plasmakonzentrationen erreicht. Der Abbau von Azelastin zu einem aktiven Hauptmetaboliten erfolgt mit einer Halbwertszeit von ungefähr 25 Stunden. Die Halbwertszeit des Hauptmetaboliten beträgt 42 Stunden. Die Ausscheidung erfolgt mehrheitlich mit dem Stuhl.(1)
Klinische Studien
Aussagekräftige Studien zur Wirksamkeit des Azelastin-Nasensprays sind bisher erst in kleiner Zahl publiziertworden. Neben Vergleichen mit Placebosprays interessieren insbesondere Studien, in denen das neue Medikament mit Steroid-Nasensprays und oralen Antihistaminika verglichen wird.
Vergleich mit Budesonid
In einer offenen Multizenterstudie erhielten 193 Patienten mit perennialer allergischer Rhinitis während 6 Wochenrandomisiert Azelastin-Nasenspray (2mal täglich 0,14 mgin jedes Nasenloch) oder Budesonid-Nasenaerosol (Rhinocort®, 2mal täglich 0,05 mg in jedes Nasenloch). Mit beiden Substanzen besserten sich die Rhinitis-Symptome innerhalb einer Woche. Gemäss einer Bewertungsskala ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den zwei Gruppen. Nach 6 Wochen hatten 79% aus der Azelastingruppe auf die Therapie angesprochen; in der Budesonidgruppe waren es 73%. Was die Wirkung auf die einzelnen Symptome (Rhinorrhoe, Niesen, verstopfte Nase usw.) betrifft, ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Azelastin und Budesonid.(4)
Vergleich mit Terfenadin
Azelastin-Nasenspray wurde bei 167 Patienten mit saisonaler und bei 52 Patienten mit perennialer allergischer Rhinitis in zwei parallelen Studien mit Terfenadin-Tabletten (Teldane®) verglichen. Die Patienten erhielten während sechs Wochen doppelblind Azelastin-Nasenspray (2mal täglich 0,14 mg in jedes Nasenloch) oder Terfenadin-Tabletten (2mal 60 mg/Tag). Der Doppelblindcharakter der Studie wurde mit Placebospray und -tablettengewährleistet. Die Besserung der Symptome wurde nach Skalenpunkten gewertet. Innerhalb von acht Tagen war in beiden Patientengruppen eine hochsignifikante Abnahme der Skalenpunkte erreicht. Bei über 80% der Patienten hatten sich insbesondere die zu Beginn der Therapie am stärksten ausgeprägten Symptome (Jucken, Rhinorrhoe, Niesen, verstopfte Nase) mit beiden Medikamenten gebessert. Auch die Schwellung der Nasenschleimhaut sowie die Konjunktivitis konnten mit beiden Behandlungsmethoden gleich gut beeinflusst werden.(5)
Vergleich mit Chlorphenamin
In einer 30 Stunden dauernden Doppelblindstudie wurde in einer pollenreichen Umgebung Azelastin-Nasenspray (2 Sprühstösse in jedes Nasenloch, alle 12 oder alle 24 Stunden) mit einer relativ hohen oralen Chlorphenamin-Dosis und mit Placebo verglichen. (Chlorphenamin ist in der Schweiz nur in Kombinationspräparaten, z.B. Contac® Schnupfen erhältlich.) 294 Patienten, die an saisonaler allergischer Rhinitis litten, wurden behandelt. Alle dreiaktiven Behandlungsmethoden beeinflussten die Heuschnupfensymptome signifikant wirksamer als Placebo.(6)
Unerwünschte Wirkungen
In einer offenen Langzeitstudie über 6 Monate mit insgesamt 185 Patienten wurden am häufigsten folgende Nebenwirkungen verzeichnet: Jucken oder Brennen der Nasenschleimhaut (6,5%) und ein bitterer oder unangenehmer Geschmack (6%).7 In einer anderen Untersuchung war die Geschmackstörung deutlich häufiger (18% der Behandelten).(8) In der oben erwähnten doppelblinden Kurzstudie klagten zudem gegen 10% der Patienten über Somnolenz.(6)Vereinzelt kamen ferner vor: Übelkeit, Nasenbluten, Pharyngitis und Durst.(6,7)In einer Untersuchung in vitro fand sich ein ziliotoxischer Effekt des Nasensprays.(9) Eine andere Studie liefert allerdings gegenteilige Resultate: Hier bewirkte Azelastin eine Erhöhung der ziliären Schlagfrequenz.(10)
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Azelastin (Allergodil®) ist in der Schweiz vorerst nur als Nasenspray zu 0,1% erhältlich (ein Sprühstoss enthält 0,14 mg auf 0,14 ml). Das Präparat ist zur Zeit nicht kassenzulässig. Erwachsenen wird empfohlen, den Spray 2mal täglichanzuwenden (je 1 Sprühstoss in jedes Nasenloch). Die Anwendung soll bei aufrechter Kopfhaltung erfolgen. Schwangere Frauen und stillende Mütter sollten vorerstauf die Verwendung von Azelastin verzichten. Klinische Studien, in denen die Anwendung bei Kindern geprüft worden wäre, sind bisher nicht publiziert worden. Die Behandlung mit der erwähnten Dosis kostet Fr. 11.30 pro Woche. Eine vergleichbare Therapie mit Budesonid (Rhinocort®, 4 Dosen zu 0,05 mg täglich) kostet nur Fr.4.85. Auch eine orale Therapie mit Terfenadin (Teldane®) ist kostengünstiger (8 Franken/Woche).
Kommentar
Eine Lokaltherapie mit einem Antihistaminikum stellt eine neue Option in der Behandlung der allergischen Rhinitis dar. Nach den bisher veröffentlichten Studien ist der Azelastin-Nasenspray ähnlich gut wirksam wie Steroid-Nasensprays oder wie orale Antihistaminika. In welchem Ausmass systemische Effekte der vergleichsweise kleinen intranasal applizierten Azelastin-Dosis zur Wirkung beitragen, ist unklar. Im Vergleich mit modernen oralen Histamin-H1-Antagonisten fällt die Nebenwirkungsbilanz in Anbetracht der gelegentlich störenden Lokaleffekte (Geschmackstörung) und der Möglichkeit einer Sedation nicht eindeutig zugunsten von Azelastin aus. Weitere Studien sollten erlauben, den Stellenwert des Azelastin-Nasensprays genauer zu bestimmen.
Literatur
- 1) McTavish D, Sorkin EM. Drugs 1989; 38: 778-800
- 2) Little MM, Casale TB. J Allerg Clin Immunol 1989; 83: 862-5
- 3) Naclerio RM. Otolaryngol Head Neck Surg 1993; 108: 723-30
- 4) Gastpar H et al. Arzneimittelforschung 1993; 43: 475-9
- 5) Gastpar H et al. Allergy 1994; 49: 152-8
- 6) Meltzer EO et al. Ann Allergy 1994; 72: 354-9
- 7) Gastpar H et al. Arzneimittelforschung 1993; 43: 771-6
- 8) Davies RJ et al. Rhinology 1993; 31: 159-64
- 9) Su XY, Po AL. J Clin Pharm Ther 1993; 18: 219-22
- 10) Tamaoki J et al. Thorax 1993; 48: 542-6
Standpunkte und Meinungen
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