Eletriptan
- Autor(en): Regina Suter
- pharma-kritik-Jahrgang 24
, Nummer 1, PK46
Redaktionsschluss: 29. Mai 2002
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2002.46 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Eletriptan (Relpax®) ist ein weiteres Triptan, das für die Behandlung von akuten Migräneanfällen mit und ohne Aura entwickelt wurde.
Chemie/Pharmakologie
Als Serotoninrezeptoragonisten binden sich Triptane mit hoher Affinität an bestimmte Subtypen des 5-HT1-Rezeptors, vornehmlich an 5-HT1D und 5-HT1B. Als mögliche Wirkmechanismen beim Migräneanfall werden eine Vasokonstriktion erweiterter kranialer Blutgefässe sowie eine Hemmung der perivaskulären aseptischen Entzündung von Dura-Gefässen diskutiert. Die Pathophysiologie der Migräne ist bis heute nicht vollständig geklärt. Eine gestörte Balance im serotoninergen System wird als ein pathogenetischer Faktor angenommen.(1,2)
In ihrem pharmakologischen Profil unterscheiden sich die heute erhältichen Triptane nur wenig. Im Vergleich zu Sumatriptan weist Eletriptan eine höhere Affinität zum 5-HT1D- und 5- HT1B-Rezeptor auf.(3,4)
Pharmakokinetik
Eletriptan wird nach oraler Gabe bei Gesunden rasch resorbiert und erreicht Plasmaspitzenwerte nach ungefähr 1,5 Stunden. Im Migräneanfall wurden Maximalwerte hingegen erst nach durchschnittlich 2,8 Stunden gemessen. Dies dürfte durch eine verzögerte Magenentleerung verursacht sein und wurde ähnlich auch bei anderen Triptanen beobachtet. Die Bioverfügbarkeit von Eletriptan beträgt etwa 50%, seine Eliminations-Halbwertszeit 4 bis 5 Stunden. Eletriptan wird überwiegend in der Leber über das Zytochrom CYP3A4 metabolisiert. Ein Metabolit weist eine der Muttersubstanz vergleichbare Wirkung auf. Es ist nicht bekannt, in welchem Ausmass dieser Metabolit zur therapeutischen Wirkung beiträgt.(2,3)
Eletriptan diffundiert gut ins Hirngewebe. Anders als andere Triptane wird es aber als Substrat des P-Glykoproteins aktiv aus dem zentralen Nervensystem abtransportiert. Das könnte der Grund sein, weshalb Eletriptan für eine vergleichbare Wirksamkeit höher dosiert werden muss als andere neuere Triptane.(4)
Klinische Studien
Zu Eletriptan liegen verschiedene placebokontrollierte Studien bei akuten Migräneanfällen mit oder ohne Aura vor. Mehrheitlich wurden Frauen behandelt. Als Therapieerfolg wurde gewertet, wenn «mittelstarke» oder «starke» Schmerzen innerhalb von 2 Stunden zum Verschwinden gebracht oder zu «leichten» Schmerzen reduziert wurden. Ausserdem wurde meistens auch die Besserung oder das Verschwinden der Schmerzen nach 30 Minuten, 1 und 4 Stunden beurteilt.
Placebokontrollierte
Studien In 4 placebokontrollierten Studien wurde mit Eletriptan eine Schmerzlinderung innerhalb von 2 Stunden bei durchschnittlich 62% (40 mg) und 68% (80 mg) erreicht, was einem signifikan ten Unterschied gegenüber Placebo (25%) entspricht.3 Eine von der Herstellerfirma bestellte Cochrane-Metaanalyse fasst die Ergebnisse von sechs veröffentlichten und unveröffentlichten placebokontrollierten Studien mit 20, 40 oder 80 mg Eletriptan bei rund 2’000 Individuen mit Migräne zusammen. Für alle drei Dosierungen fand sich ein signifikanter Nutzen bezüglich Schmerzlinderung innerhalb von 1, 2 und 4 Stunden sowie Schmerzfreiheit innerhalb von 2 Stunden und anhaltende Besserung über 24 Stunden. Als «Number Needed to Treat» (NNT) ausgedrückt mussten 3 Personen 40 oder 80 mg Eletriptan anstelle von Placebo einnehmen, damit eine Person zusätzlich eine Schmerzlinderung innerhalb von 2 Stunden erreichte. Vier Personen mussten behandelt werden, damit eine zusätzlich schmerzfrei wurde. Zwischen 40 mg und 80 mg fanden sich keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit.(5)
Vergleiche mit anderen Triptanen
Veröffentlicht wurde bisher eine Doppelblindstudie, in der Eletriptan direkt mit Sumatriptan (Imigran ® ) verglichen wurde. 692 Personen erhielten entweder 20, 40 oder 80 mg Eletriptan, 100 mg Sumatriptan oder Placebo. Eine Stunde nach Einnahme fand sich ein signifikanter Vorteil von 40 mg und 80 mg Eletriptan bezüglich Schmerzlinderung gegenüber 100 mg Sumatriptan (38% und 41% gegenüber 20%). Zwei Stunden nach Einnahme war nur noch die höhere Dosis signifikant überlegen (77% gegenüber 55%). Keine Unterschiede fanden sich in der Rückfallrate (je etwa ein Drittel) und in der Zahl der Personen, die eine zweite Dosis des Medikamentes einnehmen mussten. Unerwünschte Wirkungen wurden nach 80 mg Eletriptan häufiger registriert als nach 100 mg Sumatriptan (Unterschied nicht signifikant). Es ist denkbar, dass in dieser Studie durch die Verkapselung der Medikamente (zur Verblindung) die Resorption von Sumatriptan verzögert und damit das Resultat zu Gunsten von Eletriptan verfälscht wurde.(6)
Indirekt verglichen wurden die Triptane in einer Metaanalyse von 53 placebokontrollierten Doppelblindstudien bei 24’000 Migräneanfällen. Von der Ansprechrate der einzelnen Substanz wurde die Placebo-Ansprechrate in der jeweiligen Studie subtrahiert und der so ermittelte «therapeutische Gewinn» mit dem von anderen Triptanen verglichen. Dabei erschienen 80 mg Eletriptan wirksamer als 100 mg orales Sumatriptan bezüglich Schmerzlinderung innerhalb von 2 Stunden (42% gegenüber 29%).(7)
Vergleich mit Ergotamin
Direkt verglichen wurde Eletriptan bei Migräneanfällen auch mit einer Ergotamin/Coffein-Kombination (2 mg/200 mg, entsprechend 2 Tabletten Cafergot ® ). Eine Schmerzlinderung innerhalb von zwei Stunden trat bei 54% (40 mg Eletriptan) und bei 68% (80 mg Eletriptan) ein, signifikant häufiger als nach der Ergotamin/ Coffein-Kombination. Auch bezüglich Schmerzfreiheit innerhalb von 2 Stunden und bezüglich Reduktion der Begleitsymptome (Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit) war das Triptan überlegen.(8)
Unerwünschte Wirkungen
Die in den kontrollierten Studien mit Eletriptan registrierten unerwünschten Ereignisse gleichen denjenigen der anderen Triptane. Am häufigsten waren Asthenie, Benommenheit, Übelkeit, Schwindel und Parästhesien. Mit höheren Dosen nimmt das Risiko für unerwünschte Wirkungen zu. So berichteten in einer Studie nach Einnahme von 80 mg Eletriptan 33% der Behandelten über eines oder mehrere dieser Symptome, im Vergleich mit 13% nach 40 mg Eletriptan und 4% nach Placebo.6 Auch die Cochrane-Metaanalyse der placebokontrollierten Studien mit Eletriptan bestätigt das erhöhte Risiko für unerwünschte Wirkungen bei höheren Dosierungen. Im Vergleich mit Placebo verursacht Eletriptan auf 4 Behandlungen mit 80 mg, auf 7 Behandlungen mit 40 mg und auf 11 Behandlungen mit 20 mg eine zusätzliche unerwünschte Wirkung («Number Needed to Harm», NNH).(5)
Triptane führen häufig zu einem Blutdruckanstieg. Sie können Herzinfarkte und vermutlich auch zerebrovaskuläre Insulte auslösen. Eine Untersuchung zeigte, dass nach wiederholter Einnahme von Triptanen Entzugs-Symptome in Form von Kopfschmerzen auftreten können und zwar bei geringerer Einnahmefrequenz und nach kürzerer Anwendungszeit als bei Analgetika oder Ergotaminderivaten.(9)
Kontraindikationen: Basiliarismigräne, hemiplegische Migräne («Migraine accompagnée»), Niereninsuffizienz und schwere Leberinsuffizienz, nicht-kontrollierte Hypertonie, nachgewiesene koronare Herzkrankheit, Vorgeschichte von zerebrovaskulären Insulten oder transitorischen ischämischen Attacken, periphere arterielle Verschlusskrankheit. Die Sicherheit bei schwangeren und stillenden Frauen sowie bei Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren ist nicht genügend dokumentiert. Weitere Kontraindikationen siehe unter «Interaktionen».
Interaktionen
Wegen ihrer ähnlich vasokonstriktiven Wirkung sollen andere Triptane, Ergotamin oder Ergotaminanaloga nicht mit Eletriptan kombiniert werden. Eletriptan soll nicht innerhalb von 24 Stunden nach Einnahme eines solchen Medikamentes verabreicht werden. Im übrigen Interaktionsprofil unterscheidet sich Eletriptan deutlich von den anderen erhältlichen Triptanen. Die gleichzeitige Verabreichung von Eletriptan mit einem der vielen Hemmer von CYP3A4 und/oder P-Glykoprotein kann zu unerwünschten Wirkungen führen. Zu erwähnen sind Makrolid-Antibiotika wie Clarithromycin (Klacid ® ), Antimykotika wie Itraconazol (Sporanox ® ), einzelne Chinolone, Antidepressiva und antiretrovirale Medikamente, aber auch die Kalziumantagonisten Verapamil (Isoptin ® u.a.) und Diltiazem (Dilzem ® u.a.). Die Herstellerfirma empfiehlt, in diesen Fällen die Eletriptan-Dosis auf 20 mg und die maximale Tagesdosis auf 40 mg zu begrenzen. Ob Induktoren des CYP3A4 wie Antiepileptika, Teerprodukte im Tabakrauch oder Johanniskraut (Hypericum in Jarsin ® u.a.) zu einer Abschwächung der Wirkung von Eletriptan führen, wurde bisher nicht untersucht.
Dosierung/Verabreichung/Kosten
Eletriptan (Relpax® ) ist als Tabletten zu 40 mg und 80 mg erhältlich. Während der Kopfschmerzphase der Migräne (mit oder ohne Aura) beträgt die empfohlene Initialdosis 40 mg; bei nicht ausreichender Wirkung kann beim nächsten Anfall eine Dosis von 80 mg eingenommen werden. Eine prophylaktische Einnahme vor Beginn der Schmerzen ist wirkungslos. Bei Rückfällen kann die Dosis frühestens nach 2 Stunden wiederholt werden. Die maximale Tagesdosis sollte 160 mg nicht überschreiten. Unabhängig von der Dosis kostet eine Tablette CHF 15.95 in der Viererpackung, CHF 13.40 in der Sechserpackung und CHF 10.75 in der Zwanzigerpackung. Andere Triptan-Tabletten sind im Vergleich je nach Grösse der Packung etwas billiger oder etwas teurer. Viel günstiger als jedes erhältliche Triptan sind hingegen einfache Analgetika, Entzündungshemmer oder Ergotderivate.
Kommentar
Eletriptan ist das fünfte bei uns eingeführte Triptan. Die klinische Wirksamkeit der Triptane ist gut belegt, was ihren Einsatz rechtfertigt, wenn Analgetika oder Entzündungshemmer bei Migräneanfällen ungenügend wirken oder schlecht vertragen werden. In den empfohlenen Dosierungen scheint Eletriptan etwas besser wirksam als orales Sumatriptan. Die bessere Wirksamkeit geht allerdings mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Wirkungen einher, was den Schluss nahelegt, dass es sich dabei vorwiegend um einen dosisabhängigen Effekt handelt. Wegen der vergleichsweise langen Halbwertszeit kann Eletriptan bei Migränekranken mit häufigen Rückfällen von Vorteil sein. Gegen den Einsatz als Triptan der ersten Wahl spricht das Interaktions-Potential. Der Metabolismus über das CYP3A4 und die Bedeutung des P-Glykoproteins für seine Wirkung machen die Kombination von Eletriptan mit einer ganzen Reihe von Medikamenten problematisch.
Literatur
- 1) Spanaus K. pharma-kritik 1998; 20: 45-8
- 2) Jhee SS et al. Clin Pharmacokinet 2001; 40: 189-205
- 3) Tfelt-Hansen P et al. Drugs 2000; 60: 1259-87
- 4) Tepper SJ. Med Clin North Am 2001; 85: 959-70
- 5) Smith LA et al. Cochrane Database Syst Rev 2001; 3: CD003224
- 6) Goadsby PJ et al. Neurology 2000; 54: 156-63
- 7) Ferrari MD et al. Lancet 2001; 358: 1668-75
- 8) Diener HC et al. Eur Neurol 2002; 47: 99-107
- 9) Katsarava Z et al. Drug Saf 2001; 24: 921-7
Standpunkte und Meinungen
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