Reisedurchfall
- Autor(en): Urspeter Masche
- Reviewer: Ludwig T. Heuss, Robert Steffen
- pharma-kritik-Jahrgang 31
, Nummer 1, PK28
Redaktionsschluss: 26. August 2009
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2009.28 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Übersicht
Reisedurchfall gehört bei Personen, die fremde Länder mit unzureichenden hygienischen Verhältnissen aufsuchen, zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen. Er äussert sich als akute Diarrhoe, die gewöhnlich in der ersten oder zweiten Woche des Aufenthaltes auftritt und meistens ohne Behandlung nach drei bis fünf Tagen ausheilt.
Definiert wird ein Reisedurchfall üblicherweise durch mindestens drei ungeformte Stühle pro Tag, begleitet von krampfartigen Bauchschmerzen, Stuhldrang, Übelkeit, Unwohlsein oder Müdigkeit. In der Mehrheit der Fälle sind die Durchfälle wässrig. Treten blutige Durchfälle oder Fieber über 38,5°C auf, spricht man von einer Dysenterie; in Südamerika und Afrika fallen 5 bis 10% der Reisedurchfälle, in Südostasien bis zu 20% in diese Kategorie.
Ursache eines Reisedurchfalls sind in bis zu 90% der Fälle Bakterien, unter denen enterotoxische und andere E.-coli-Stämme die wichtigsten Erreger sind. Zu den invasiven Keimen, die blutige Durchfälle hervorrufen können, zählen zum Beispiel Salmonellen, Shigellen oder Campylobacter. Viren – in Industrieländern hauptverantwortlich für infektiöse Diarrhoen und in Entwicklungsländern häufiger Grund für schwere Durchfälle bei Kindern – spielen bei Reisedurchfall eine weniger wichtige Rolle. Noro-, Rota- oder Adenoviren können bei 5 bis 25% der Reisedurchfälle nachgewiesen werden, jedoch oft zusammen mit bakteriellen Erregern; Noroviren waren wiederholt Auslöser von Durchfällen auf Kreuzfahrtschiffen. Ein viraler Infekt ist zu vermuten, wenn Erbrechen ein vorherrschendes Symptom ist (Erbrechen kann auch auf eine Lebensmittelvergiftung hindeuten, die auf einem bakteriellen Toxin beruht, wie es zum Beispiel von Staphylococcus aureus oder Bacillus cereus gebildet wird). Protozoen (Giardien, Amöben, Kryptosporidien, Cyclosporidien) sind nur selten Ursache eines Reisedurchfalls; daran zu denken ist insbesondere, wenn Durchfälle einen längeren Verlauf nehmen.(1-4)
Die intestinale Infektion geschieht über die Einnahme von fäkal kontaminierten Lebensmitteln. Als risikobehaftet gelten rohes Gemüse, Salate, ungeschälte Früchte, rohe Eier (Mayonnaise), Salatsaucen, Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchte, die nicht durchgebraten sind, sowie aufgewärmtes Essen. Bei den Getränken droht Gefahr von unpasteurisierter Milch und Eiswürfeln. Wie man nicht-abgekochtes Leitungswasser einschätzen muss, ist im Einzelfall schwierig, so dass man im Allgemeinen ebenfalls darauf verzichten sollte. Als sicher können Nahrungsmittel betrachtet werden, die heiss serviert werden (über 60°C), die wenig Feuchtigkeit (z.B. Brot) oder die viel Zucker enthalten (Konfitüre, Honig); bei den Flüssigkeiten sind es Wein, Bier und andere Getränke, die in Flaschen abgefüllt und mit Kohlensäure versetzt sind.
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Auftreten eines Reisedurchfalls begünstigen. Am entscheidendsten ist das Reiseziel. Reisedurchfall tritt hauptsächlich in den Subtropen und Tropen bzw. in weniger entwickelten Ländern auf. Ein hohes Erkrankungsrisiko (20 bis 90%) besteht in Mittelund Südamerika, Afrika, Asien und im Nahen Osten. Ausnahmen bilden Argentinien, Chile, Südafrika, Isreal, Japan und Teile Thailands (Phuket, Chiang Mai), wo das Risiko als intermediär (8 bis 20%) eingestuft wird, wie auch in Süd- und Osteuropa und in Russland. Mit einem niedrigen Risiko (unter 8%) ist im nördlichen Europa, in Nordamerika, Australien und Neuseeland zu rechnen.(5) Ebenfalls eine Rolle spielen Reisesaison und Reiseart; die Gefährdung nimmt während der Sommermonate oder Regenzeit sowie auf sogenannten Abenteuerreisen zu und hängt auch vom Verpflegungsstil ab. Ausserdem können individuelle Gegebenheiten oder genetische Prädispositionen das Erkrankungsrisiko beeinflussen. So scheint es erhöht zu sein bei Personen, die an einer Immunschwäche leiden (HIV-Infektion, IgA-Mangel, Chemotherapie) oder eine verminderte Magensäureproduktion (Achlorhydrie, Protonenpumpenhemmer u.a.) aufweisen. Dagegen bedeutet eine nicht weit zurückliegende Reise in ein Hochrisikoland einen kurzfristigen Schutz vor einem Reisedurchfall.
Schätzungsweise 40% der Betroffenen müssen wegen des Durchfalls ihre Reisepläne ändern, 20% sind für ein bis zwei Tage ans Bett gebunden und 1% müssen hospitalisiert werden. Die Hauptgefahr eines Reisedurchfalls liegt in der Entwicklung einer Dehydratation, die vor allem bei Säuglingen, Kindern oder älteren Personen ein gefährliches Ausmass erreichen kann. Bei den dysenterischen Erkrankungen drohen in ungünstigen Fällen Komplikationen wie ein toxisches Megakolon oder eine Sepsis. Daher sollte eine Dysenterie, die mehr als 48 Stunden dauert oder bei geschwächten oder betagten Personen auftritt, immer ärztlich abgeklärt werden. Mit gewissen Erregern (Salmonellen, Shigellen, Campylobacter) werden reaktive Arthritiden (Reiter-Syndrom) als mögliche Langzeitfolge in Verbindung gebracht. Etwa 3 bis 10% der Reisenden klagen als Folge des Durchfalls über chronische Abdominalbeschwerden, die sich als postinfektiöses Reizdarmsyndrom interpretieren lassen.
Prophylaxe
Es gibt verschiedene Massnahmen, mit denen Reisedurchfälle verhütet werden sollen. Namentlich handelt es sich um Ernährungsempfehlungen, Impfungen sowie eine medikamentöse Prophylaxe.
Ernährungsempfehlungen
Alle Reisenden kennen den Satz «boil it, cook it, peel it or forget it», mit dem zusammengefasst ist, wie man sich bezüglich Essen und Trinken verhalten soll. Allerdings konnte in mehreren retrospektiven bzw. unkontrollierten Untersuchungen nicht erhärtet werden, dass mit einer sorgfältigen Auswahl von Speisen und Getränken die Häufigkeit von Reisedurchfällen reduziert werden kann.(6) Ein Grund dafür ist vermutlich, dass auf Reisen die Verpflegung mehrheitlich in Restaurants oder Hotels stattfindet, wo das Risiko höher anzusetzen ist als bei der Zubereitung in der eigenen Küche. Dennoch gebietet es schon der gesunde Menschenverstand, bei der Auswahl der Speisen Sorgfalt walten zu lassen. Auch auf keimfreies Trinkwasser muss geachtet werden. Am besten ist Wasser aus der Flasche. Als Alternative kann es mit einem Filter (z.B. Katadyn®-Filter) oder mit chemischer Desinfektion trinkbar gemacht werden. Für die chemische Desinfektion werden diverse Produkte angeboten, zum Beispiel auf Chlorbasis (Micropur® forte, Aquatabs ® u.a.); zur Not kann auch alkoholische, 2%-ige Jodtinktur verwendet werden (5 Tropfen pro Liter Wasser; führt jedoch zu einer Braunfärbung des Wassers). Ausserdem kann Wasser mit UV-Licht desinfiziert werden. Es ist ein tragbares, batteriebetriebenes – allerdings auch teures – Gerät auf dem Markt (SteriPEN®), mit dem in 1,5 Minuten ein Liter Wasser desinfiziert werden kann. Dagegen wird die Empfehlungen, Wasser in sauberen Plastikflaschen während mindestens 6 Stunden dem Sonnenlicht auszusetzen («solare Desinfektion»), als wenig praktikabel betrachtet; dasselbe gilt für das Abkochen von Wasser.
Impfungen
Gegen Vibrio cholerae – das allerdings kaum je Ursache eines klassischen Reisedurchfalls ist – gibt es einen oralen Impfstoff (Dukoral®), der gegen Cholera eine vorübergehende Schutzwirkung von über 80% verspricht. Der Impfstoff enthält inaktivierte Vibrio-cholerae-Organismen sowie die Untereinheit B des Choleratoxins in rekombinanter Form. Diese Untereinheit B stimmt in der Aminosäurensequenz in grossen Teilen mit dem hitzelabilen Toxin von enterotoxischen E. coli überein. Deshalb ist der Impfstoff mit einer immunologischen Kreuzreaktion verbunden, so dass sich auch ein Schutz gegen enterotoxische E. coli vermuten lässt, die das hitzelabile Toxin produzieren. Eine gute Schutzwirkung konnte aber in klinischen Studien bislang nicht überzeugend nachgewiesen werden.(7) Dennoch ist der orale Choleraimpfstoff in einigen wenigen Ländern, darunter auch in der Schweiz, zur Prophylaxe von E.-colibedingtem Reisedurchfall zugelassen. Jedoch selbst zur Choleraprophylaxe wird er nur in speziellen Risikosituationen befürwortet; umso mehr sollte er als Reisedurchfall- Prophylaxe höchstens in Ausnahmesituationen zum Zuge kommen.
Reisende sind häufig der irrigen Meinung, die Impfung ge gen Salmonella typhi (Vivotif®) schütze auch vor Reisedurchfall (ohnedies ist beim Abdominaltyphus Durchfall nicht das prägende Symptom). Auch die Impfung gegen Rotaviren (Rotarix®) hat in der Reisemedizin keine Indikation, da Rotaviren-Infekte fast nur bei Kleinkindern vorkommen.
Medikamentöse Prophylaxe
Für eine medikamentöse Prophylaxe stehen einerseits nichtantibiotische Medikamente wie Bismut-Subsalicylat und Probiotika, andererseits Antibiotika zur Verfügung.
Bismut-Subsalicylat – in Nordamerika frei, in Europa indessen nicht erhältlich – besitzt antimikrobielle, antisekretorische und entzündungshemmende Eigenschaften. Mit der Einnahme von Bismut-Subsalicylat (4-mal 525 mg/Tag) konnte die Häufigkeit eines Reisedurchfalls im Vergleich zu einer mit Placebo behandelten Gruppe um 65% gesenkt werden.(8) Als häufige Nebenwirkung beobachtet man eine – harmlose – Schwarzverfärbung von Zunge und Stuhl; auch Übelkeit, Verstopfung und Tinnitus können vorkommen. Bismut-Subsalicylat kann die Resorption von Doxycyclin (Vibramycin® u.a.) stören, das manchmal zur Malariaprophylaxe eingesetzt wird. Kindern soll kein Bismut- Subsalicylat verabreicht werden, weil hohe Salicylat- Konzentrationen resultieren können. Eine Prophylaxe mit Bismut-Subsalicylat ist im Prinzip während der ganzen Reisedauer durchzuführen; jedoch ist nur eine Verabreichungsdauer von bis zu 3 Wochen geprüft und somit als relativ unbedenklich einzustufen.(9)
Probiotika enthalten lebensfähige Mikroorganismen, die über eine Kolonisierung des Darmes und Verminderung des pH-Wertes die Darmflora bei Durchfallerkrankungen günstig beeinflussen sollen; der exakte Wirkmechanismus ist aber unklar. Die in der Schweiz angebotenen Produkte enthalten Milchsäure-produzierende Enterokokken (Bioflorin ®), Laktobazillen (Lactoferment® u.a.) oder Saccharomyzeten (Perenterol® u.a.). Studien zur Prophylaxe mit Probiotika ergaben widersprüchliche Resultate. Gemäss einer neueren Metaanalyse lässt sich mit Probiotika eine Reduktion des relativen Risikos um rund 15% erzielen, wobei die posipharma-kritik, Jahrgang 31, Nr.1/2009 3 tiven Effekte vor allem mit Saccharomyzeten-Präparaten beobachtet wurden.(10) Wegen dieser höchstens minimen Wirkung werden Probiotika nicht einstimmig befürwortet.
Den besten Schutz erreicht man durch eine Prophylaxe mit Antibiotika, die eine Schutzwirkung von 70 bis 90% verspricht. Trotzdem wird aus mehreren Gründen von einer generellen Antibiotika-Prophylaxe abgeraten:
(1) Antibiotika führen zu Nebenwirkungen; dazu zählt auch das vermehrte Auftreten anderer Infekte wie Vaginalsoor oder pseudomembranöse Kolitis;
(2) die Resistenzbildung wird gefördert;
(3) eine Einnahme, die mehr als zwei bis drei Wochen dauern würde, ist kaum durch Daten abgesichert;
(4) angesichts der vielen Millionen Reisenden ist mit substantiellen Kosten zu rechnen;
(5) letztlich stellt Reisedurchfall meistens eine harmlose Erkrankung dar, die eine solche Prophylaxe kaum rechtfertigt.
Eine Antibiotika-Prophylaxe sollte deshalb nur durchgeführt werden, wenn eine Durchfall-Episode unbedingt verhindert werden muss (gewisse Fachleute halten sogar bei Immunschwäche eine Antibiotika-Prophylaxe nicht für zwingend). Für eine Prophylaxe wären Antibiotika während des ganzen Aufenthaltes plus ein bis zwei Tage nach der Rückkehr einzunehmen (einmal pro Tag). Früher wurden dafür Cotrimoxazol (Bactrim® u.a.) oder Doxycyclin verwendet; beide Mittel sind aber wegen weltweit verbreiteter Resistenzen für diese Indikation obsolet. Heute werden Chinolone empfohlen, wobei vor allem Norfloxacin (Noroxin® u.a.) und Ciprofloxacin (Ciproxin® u.a.) bei der Reisedurchfall-Prophylaxe untersucht worden sind. Allerdings werden steigende Resistenzraten gegen Chinolone beobachtet; besonders hoch sind sie in Südostasien (Thailand u.a.) bei Campylobacter. Azithromycin (Zithromax® u.a.), das bezüglich Resistenzen günstiger wäre, ist für die Reisedurchfall- Prophylaxe nicht geprüft. Ein weiteres Antibiotikum ist Rifaximin, das zwar nicht in der Schweiz, aber in anderen europäischen Ländern und in den USA auf dem Markt ist. Es handelt sich um ein Derivat von Rifampicin (Rimactan® u.a.) und hat den Vorteil, das es praktisch nicht resorbiert wird. In einer in Mexiko durchgeführten placebokontrollierten Studie liess sich mit Rifaximin die Durchfall-Häufigkeit von 39% auf 9% reduzieren.(11) Allerdings sind in Mexiko enterotoxische E. coli die vorherrschenden Keime, und ob Rifaximin gegen andere Erreger gleich gut schützen würde, ist nicht klar. Ferner ist zu befürchten, dass bei einer breiten Anwendung dieses Medikamentes Rifampicin-Resistenzen gefördert würden.
Behandlung
Da sich Reisedurchfälle mit den üblichen prophylaktischen Massnahmen nicht vollständig zu umgehen lassen, ist die korrekte Therapie ein wesentlicher Aspekt. Weil das Erregerspektrum weitgehend bekannt ist, können Reisende bei Auftreten von Durchfall eine Selbstbehandlung beginnen, ohne dass eine Fachperson konsultiert werden muss. Entsprechende Präparate werden am besten von zu Hause mitgenommen, auch um zu verhindern, dass man im Ausland an falsche, nicht mehr gebräuchliche oder keinen Wirkstoff enthaltende Produkte gerät.
Rehydratation
Bei Reisedurchfall ist es oberstes Ziel, eine Dehydratation abzuwenden bzw. zu behandeln. Bei leichtem Durchfall ist ein Flüssigkeits- und Elektrolytersatz in Form von gezuckertem Tee, industriell hergestellten Fruchtsäften, Bouillon und salzigem Gebäck (z.B. Crackers) ausreichend. In schwereren Fällen bedarf es oraler Rehydratationslösungen, die Elektrolyte und Glukose enthalten (z.B. Elotrans®, Normolytoral ®). Falls man keine solche Lösung zur Hand hat, kann behelfsmässig auch selbst eine hergestellt werden, indem man ½ Teelöffel Kochsalz und etwa 15 g (3 Teelöffel) Zucker in einem Liter Wasser auflöst. Cola-Getränke eignen sich wegen des Missverhältnisses von Glukose und Elektrolyten sehr schlecht, würden aber immerhin Flüssigkeit zuführen.
Symptomatische Therapie
Zur symptomatischen Therapie eignet sich Loperamid (Imodium® u.a.), ein synthetisches Opioid, das in normaler Dosierung keine zentralnervösen Wirkungen erwarten lässt und als Motilitätshemmer Peristaltik und Flüssigkeitssekretion vermindert. Im Durchschnitt verkürzt Loperamid die Durchfall-Symptome um etwa einen Tag.(12) Es sollte nicht länger als 48 Stunden eingenommen und bei Fieber oder blutigem Stuhl mit einem Antibiotikum kombiniert werden. Um eine Obstipation zu vermeiden, muss Loperamid nach dem ersten geformten Stuhl gestoppt werden. Bei Kindern unter 3 Jahren ist Loperamid kontraindiziert, weil das Risiko von Nebenwirkungen höher ist als der potentielle Nutzen. Bei älteren Kindern kann der Einsatz von Loperamid im Einzelfall gerechtfertigt sein, wobei der adäquate Flüssigkeits- und Elektrolytersatz nicht zu vergessen ist.(13)
Andere Mittel stehen für die symptomatische Behandlung praktisch nicht zur Auswahl. In Frage käme theoretisch einzig noch Bismut-Subsalicylat, das aber weniger gut wirkt als Loperamid.
Antibiotika
Wird bei einem Reisedurchfall auf ein Antibiotikum zurückgegriffen, verkürzt sich die Krankheitsphase im Durchschnitt um 0,7 bis 1,5 Tage. 84% der mit Antibiotika Behandelten sind nach 72 Stunden durchfallfrei; mit Placebo liegt dieser Prozentsatz bei 50%.(14) Einzuwenden ist, dass dieser Unterschied keine grosse klinische Relevanz besitzt und sich auch auf einen ziemlich weichen Endpunkt bezieht. Deshalb sollten Antibiotika nur eingesetzt werden, wenn schwere oder dysenterische Durchfallsymptome vorliegen.
Chinolone sind auch zur Therapie von Reisedurchfällen die Antibiotika erster Wahl. Lediglich in Südostasien, wo Chinolon- resistente Campylobacter vorkommen, soll auf Azithromycin ausgewichen werden. Azithromycin ist zudem das Antibiotikum, das sich am ehesten bei Kindern oder schwangeren Frauen eignet. In Studien sind auch mit Rifamixin Reisedurchfälle behandelt worden; der Effekt bei enteroinvasiven Keimen ist aber nicht genügend dokumentiert. (15)
Die optimale Therapiedauer ist nicht festgelegt. Es wird empfohlen, das Antibiotikum als Einzeldosis einzusetzen und die Einnahme nur auf 3 Tage auszudehnen, wenn sich die Symptome nicht innerhalb von 12 bis 24 Stunden gebessert haben.
Wenn Antibiotika mit Loperamid kombiniert werden, zeigt sich besonders in den ersten ein bis zwei Tagen eine bessere Wirkung als mit Antibiotika alleine.(16)
Schlussfolgerungen
Durchfall manifestiert sich bei 20 bis 50% der Personen, die aus entwickelten Ländern in die Tropen oder Subtropen reisen. In den meisten Fällen handelt es sich um eine selbstlimitierende Erkrankung, die zwar lästig, aber von gutartigem Verlauf ist. Da die klinische Symptomatik eindeutig ist, braucht es zur Diagnose eines Reisedurchfalls keine zusätzlichen Untersuchungen. Obschon nicht dokumentiert ist, dass vorsichtiges Verhalten beim Essen und Trinken einen Reisedurchfall verhindern kann, gilt es trotzdem als sinnvoll, auf sauberes Wasser zu achten und riskante Nahrungsmittel zu meiden. Alle anderen prophylaktischen Massnahmen sind mit Unzulänglichkeiten behaftet, so dass sie nur in Einzelfällen in Frage kommen; insbesondere gilt das für die – an sich sehr wirksame – Prophylaxe mit Antibiotika. Hingegen sollten alle Reisenden über die Selbstbehandlung eines Durchfalls instruiert werden; das heisst, dass sie über den korrekten Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sowie über die Anwendung von Loperamid informiert werden. Ob auch ein Antibiotikum mitgeführt werden soll, wird kontrovers beurteilt. Aus infektiologischer Sicht sollten aufgrund der weltweit bedrohlich zunehmenden Resistenzproblematik Notfall-Antibiotika sehr restriktiv verschrieben werden, zum Beispiel Abenteuerreisenden, die sich weit weg von ärztlicher Versorgung bewegen, oder Personen mit Immunschwäche. Als ein Gegenargument steht im Raum, dass dank einer gut ausgestatteten Reiseapotheke, die auch ein Antibiotikum umfasst, Gewähr geboten ist, dass ein Durchfall mit den korrekten Medikamenten bzw. gemäss den hiesigen Grundsätzen behandelt wird. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man Reisende darauf aufmerksam macht, dass Antibiotika nur bei febrilen oder dysenterischen Durchfällen verwendet werden sollen.
Eine Übersicht zu den erwähnten und in der Schweiz erhältlichen Medikamenten liefert die Tabelle 1.
Literatur
- 1) Al-Abri SS et al. Lancet Infect Dis 2005; 5: 349-60
- 2) Hill DR, Ryan ET. BMJ 2008; 337: a1746
- 3) Casburn-Jones AC, Farthing MJ. J Gastroenterol Hepatol 2004; 19: 610-8
- 4) DuPont HL. Gastroenterol Clin North Am 2006; 35: 337-53
- 5) Steffen R et al. J Travel Med 2003; 10: 38-45
- 6) http://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/432947
- 7) http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/dukoral/408903en6.pdf
- 8) http://jama.ama-assn.org/cgi/reprint/257/10/1347%20
- 9) http://wwwn.cdc.gov/travel/yellowBookCh4-Diarrhea.aspx
- 10) McFarland LV. Travel Med Infect Dis 2007; 5: 97-105
- 11) DuPont HL et al. Ann Intern Med 2005; 142: 805-12
- 12) Thielman NM, Guerrant RL. N Engl J Med 2004; 350: 38-47
- 13) Li ST et al. PLoS Med 2007; 4: e98
- 14) De Bruyn G et al. Cochrane Database Syst Rev 2000; (3): CD002242
- 15) Robins GW, Wellington K. Drugs. 2005; 65: 1697-713
- 16) Riddle MS et al. Clin Infect Dis 2008; 47: 1007-14
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