Zytokine

Mini-Übersicht

Viele moderne Medikamente gehören zu den Zytokinen. Diese Medikamente spielen mehr und mehr auch in der Allgemeinpraxis eine Rolle. Das britische «Drug and Therapeutics Bulletin » hat in seiner Nummer vom August 2009 übersichtlich dargestellt, um welche Verbindungen es sich bei den Zytokinen handelt, was sie leisten und welche Bedeutung ihnen bei Krankheiten oder als Medikamente zukommt. Diese Übersicht wird im Folgenden zusammengefasst.

Natur und Varianten von Zytokinen

Über 100 verschiedenartige kleine Proteine werden als Zytokine bezeichnet. Diese Zellprodukte binden sich an spezifische Rezeptoren an der Zelloberfläche und beeinflussen quasi alle wichtigen biologischen Vorgänge – Zellvermehrung, Entzündung, Immunität und viele andere mehr. Im Gegensatz zu den endokrinen Hormonen werden Zytokine nicht nur von einer spezialisierten Zellart, sondern von verschiedenen Zelltypen synthetisiert. Die meisten Zytokine wirken nur kurz und vorwiegend in der nahen Umgebung des Produktionsorts

Es gibt keine systematische Nomenklatur der Zytokine; ihre Bezeichnungen hängen oft mit der ersten Funktion, die entdeckt wurde, zusammen. So wurden z.B. die Tumor-Nekrose- Faktoren (TNF) zuerst nach einem Experiment in vitro benannt, in dem ein solches Zytokin Tumorzellen abtötete. Tatsächlich haben TNF aber eine Vielzahl von Funktionen. Interferone werden in drei Klassen eingeteilt, die mit den ersten Buchstaben des griechischen Alphabets bezeichnet sind. Interferon- alpha und Interferon-beta sind Typ-1-Interferone, die antiviral aktiv sind. Interferon-gamma führt in erster Linie zu einer Immunstimulation; dieses Interferon wird nur von bestimmten Immunzellen («T-Helper»-Zellen, «Killer»-Zellen) produziert. Die Interleukine sind eine grosse und vielfältige Gruppe – es gibt mindestens 35 Zytokine, die als Interleukine (IL-1, IL-2 usw.) bezeichnet werden. Hämatopoietine umfassen die Granulozyten- und Granulozyten-Monozyten-Kolonienstimulierenden Faktoren (G-CSF, GM-CSF).

Funktion

Die wichtigsten Wirkungen der Zytokine lassen sich folgendermassen umschreiben:

• Entzündungsfördernde Wirkung (z.B. IL-1, TNF)
• Steuerung der Vermehrung und Differenzierung von T- und B-Zellen (z.B. IL-2, Interferon-gamma)

• Entzündungshemmende Wirkung (z.B. IL-4)

• Blutbildende Wirkung (Differenzierung und Vermehrung von hämatologischen Stammzellen; z.B. G-CSF, IL-3)

• Chemokinetische Wirkung (Beeinflussung der Mobilität der Immunzellen)

Die meisten Zytokine haben verschiedene Funktionen. Zudem überlappt die Funktion eines Zytokins oft mit derjenigen eines anderen (siehe oben). Oft kommt es zu einer Abfolge verschiedener Wirkungen: wenn beispielsweise ein bakterielles Toxin in den Kreislauf gelangt, werden hintereinander TNF, dann IL und schliesslich Chemokine nachweisbar.

Zytokine bei Krankheiten

Zytokine sollen an der Pathogenese sehr zahlreicher, höchst diverser Erkrankungen beteiligt sein, so z.B. bei koronaren und zerbrovaskulären Ereignissen, aber auch bei multipler Sklerose und Alzheimer-Demenz. Bei einzelnen Krankheiten ist ein eindeutiger Zusammenhang mit einem bestimmten Zytokin bekannt: beim Morbus Still besteht eine Störung der Steuerung von IL-1 beta. TNF ist in der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis von entscheidender Bedeutung. Das von aktivierten Makrophagen in der entzündeten Synovia gebildete TNF führt dann dazu, dass noch weitere entzündungsfördernde Zytokine produziert werden. Zudem induziert TNF Enzyme, die zur Zerstörung des Knorpels und zu resorptiver Aktivität führen.

Zytokine als Medikamente

Mehrere Zytokin-Präparate sollen die Immunantwort bei bestimmten Krankheiten beeinflussen.

Aldesleukin (Proleukin®), ein rekombinantes IL-2, ist zur Behandlung des metastasierenden Nierenkarzinoms zugelassen. Interferon-alpha (Interferon-alfa-2a = Roferon® und Interferonalfa- 2b = Intron A®) werden in erster Linie zur Behandlung der chronischen Hepatitis B oder C verwendet,(1) können aber zudem bei Leukämien und anderen Malignomen eingesetzt werden.

Die verschiedenen Präparate mit Interferon-beta (Avonex®, Betaferon®, Rebif®) werden bei multipler Sklerose verwendet, (2) ihre (nicht eindeutig geklärte) Wirkung soll auf einem immunmodulatorischen Einfluss beruhen.

Interferon gamma-1b (Imukin®) soll die Häufigkeit gefährlicher Infektionen bei chronischer Granulomatose reduzieren. Es kann auch bei Osteopetrose verwendet werden.

Zwei rekombinante G-CSF stehen zur Verfügung: Filgrastim (Neupogen® Amgen) und Lenograstim (Granocyte®). Sie gelangen bei Chemotherapie-induzierten Neutropenien zum Einsatz.(3)

Medikamente, die Zytokine beeinflussen

Gegen TNF-alpha gerichtete monoklonale Antikörper, nämlich Adalimumab (Humira®) und Infliximab (Remicade®), sowie ein Fusionsprotein mit einem TNF-Rezeptor-Anteil – Etanercept (Enbrel®) – werden bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis und bei entzündlichen Darmkrankheiten verwendet.(4,5)

Bei rheumatoider Arthritis können ferner Interleukin- Antagonisten wirksam sein. In der Schweiz ist Tocilizumab (Actemra®) erhältlich; Anakinra (Kineret®) ist in der EU, jedoch bisher nicht in der Schweiz erhältlich.(4)

Standpunkte und Meinungen

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Zytokine (1. Oktober 2009)
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pharma-kritik, 31/No. 5
PK253
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