Verschwendung
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 29
, Nummer 9, PK184
Redaktionsschluss: 17. Oktober 2007
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2007.184 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
ceterum censeo
Obwohl es sich um eine Problematik handelt, auf die wir in dieser Zeitschrift schon wiederholt hingewiesen haben,(1) fühle ich mich veranlasst, eine gewisse Verschreibungspraxis nochmals anzuprangern. Chefärzte tun es, aber auch Gastroenterologinnen, Assistenzärzte und Rheumatologinnen: sie verschreiben alle Esomeprazol (Nexium®) als Protonenpumpenhemmer, noch dazu meistens in einer Tagesdosis von 40 mg. Protonenpumpenhemmer sind wichtige und hochwirksame Medikamente, die sehr häufig – meistens, aber nicht immer zu Recht – verordnet werden. Das heisst jedoch keineswegs, dass Esomeprazol das Mittel der Wahl für eine der verschiedenen Indikationen von Protonenpumpenhemmern wäre.
Esomeprazol ist bekanntlich das linksdrehende Enantiomer von Omeprazol (Antramups® u.a.); das rechtsdrehende Enantiomer ist allerdings auch aktiv. In vivo ergibt sich mg pro mg eine leicht stärkere Wirkung von Esomeprazol. Klinische Studien, in denen eine signifikante oder klinisch relevante Überlegenheit von 40 mg Esomeprazol im Vergleich mit 40 mg Omeprazol nachgewiesen worden wäre, liegen aber nicht vor. Wie beispielsweise in einer von der Herstellerfirma veröffentlichten Übersicht zur Behandlung der Reflux-Ösophagitis dargestellt, ist Esomeprazol in einer Tagesdosis von 40 mg zwar signifikant wirksamer als «übliche» Dosen anderer Protonenpumpenhemmer.(2) Als übliche Tagesdosis von Omeprazol gilt jedoch die Dosis von 20 mg! Um sicherzustellen, dass auch wirklich eine Überlegenheit von Esomeprazol gezeigt werden kann, wurde dieses in sehr vielen Studien so dosiert, dass a priori damit gerechnet werden konnte, es wirke sich besser aus als die relativ unterdosierten Vergleichssubstanzen.
Grundsätzlich darf deshalb angenommen werden, dass in der Praxis mit 40 mg Omeprazol dieselbe Wirkung wie mit 40 mg Esomeprazol erreicht wird. Diese Esomeprazol-Tagesdosis kostet zwischen CHF 3.35 und 4.60 (je nach Packungsgrösse) – in Deutschland ist sie bereits für (umgerechnet) CHF 2.50 erhältlich. Dank der Erhältlichkeit von Generika lassen sich die Kosten einer 40-mg-Dosis von Omeprazol auf CHF 2.20 bis 2.50 senken. Es gibt keine vernünftigen Gründe, weshalb nicht mit Omeprazol behandelt werden sollte, handelt es sich doch um ein ausserordentlich gut dokumentiertes Medikament. Man kann sich leicht ausrechnen, dass hier ein konsequenter Einsatz von Omeprazol-Generika Ressourcen in der Grössenordnung von Millionen freisetzen würde, die anderswo in unserem Gesundheitswesen hochwillkommen wären.
Vor kurzem wurde einer meiner Patientinnen zur Behandlung eines Magenulkus im Spital Esomeprazol in einer Dosierung von zweimal 40 mg täglich verschrieben. Da sie von der Wirksamkeit des Mittels sehr beeindruckt war, gelang es mir während vielen Wochen nicht, das Präparat oder die Dosis – für die es übrigens keine offizielle Indikation gibt – zu ändern. Mit anderen Worten: es ist für mich als Hausarzt oft schwierig, jemanden davon zu überzeugen, dass das im Spital oder in der spezialärztlichen Praxis verordnete, so unerhört wirksame Mittel ohne weiteres durch ein anderes ersetzt werden kann, das viel weniger kostet als Esomeprazol.Können wir uns diese Verschwendung wirklich leisten?
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