Arzneimittelinformation im Internet

Seit der letzten grösseren Revision unserer Liste zur Arzneimittelinformation im Internet sind drei Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich wieder einiges verändert – mehrere Angebote sind verschwunden, andere hinzugekommen und viele haben ihre Webadresse modifiziert. Unsere Liste findet sich wie bisher an der Adresse
http://www.infomed.org/pharma-kritik/arzneimittelinfo.php?catid=10
und ist wieder auf den aktuellen Stand gebracht worden. In der folgenden kurzen Übersicht soll lediglich auf einige Besonderheiten und auf neue Angebote hingewiesen werden.

Unabhängige Information

Wirklich unabhängige, kritische Arzneimittelinformation ist, gemessen an der unglaublichen Fülle von Texten über Medikamente, eine Rarität. Dies gilt besonders, wenn man Information in deutscher Sprache sucht. Die meisten unabhängigen Publikationen sind darauf angewiesen, den aktuellen Inhalt ihren Abonnentinnen und Abonnenten vorzubehalten, da sie ja die Abonnementseinnahmen benötigen, um überhaupt exisitieren zu können. Die Texte älterer Jahrgänge sind jedoch nicht nur von unseren eigenen Zeitschriften (pharma-kritik und infomed-screen), sondern auch von zwei unabhängigen deutschen «Drug Letters» kostenlos abrufbar. Es handelt sich um das arznei-telegramm und den Arzneimittelbrief. Wenn man nicht mit den entsprechenden Suchmöglichkeiten vertraut ist, kann es zwar etwas dauern, bis man Erfolg mit der Suche hat. Dafür wird man nicht selten mit nützlichen Informationen entschädigt, die sonst schwierig zu finden sind.
Vollständig kostenlos erhältlich sind die österreichische Publikation Pharmainformation und das Bulletin der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, «Arzneiverordnung in der Praxis». Diese beiden erscheinen allerdings nur viermal jährlich; eine Suche an diesen Adressen ist deshalb weniger ergiebig.
In englischer Sprache sind der britische Bandolier sowie australische und kanadische Publikationen gratis im Volltext erhältlich, nämlich der Australian Prescriber, der Canadian Adverse Drug Reaction Newsletter und der Therapeutics Letter. Vollständige Texte aus dem amerikanischen Medical Letter on Drugs and Therapeutics sind nur für Abonnentinnen und Abonnenten (oder gegen Bezahlung) erhältlich. Das britische Drug and Therapeutics Bulletin stellt neuerdings eine Anzahl aktueller Texte kostenlos zur Verfügung, wobei unklar ist, ob es sich dabei um eine temporäre Werbeaktion oder eine bleibende Institution handelt.

Publikationen von Behörden

Wer bereit ist, etwas mehr Aufwand zu treiben, kann sich auch auf den Websites der grossen Arzneimittelbehörden Informationen beschaffen, die üblicherweise «Insidern» vorbehalten bleiben. Insbesondere die amerikanische Behörde «Food and Drug Administration» (FDA) veröffentlicht im Rahmen ihrer «Freedom of Information»-Politik viele Dokumente mit Einzelheiten zu Studien (beispielsweise Daten zu Insulin-Glulisin, das in dieser pharma-kritik-Nummer besprochen wird). Wir werden zur Anwendung der FDA-Daten im Winter 2005/06 auf der Infomed-Website eine Kurzanleitung veröffentlichen. Die Website der europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) sollte theoretisch ein ähnliches Angebot wie diejenige der FDA offerieren, funktioniert aber leider oft nicht korrekt (teilweise in Abhängigkeit vom verwendeten Browser).
An der Adresse der kanadischen Gesundheitsbehörden (Health Canada) finden sich einige Besonderheiten, insbesondere eine frei zugängliche Datenbank, in der alle der Behörde gemeldeten Nebenwirkungen verzeichnet sind. Um Genaueres über die gemeldeten Probleme zu wissen, muss man allerdings die Einzeldokumente aufrufen, was recht zeitraubend sein kann. Health Canada bietet neben einem Verzeichnis der aktuell in Kanada erhältlichen Medikamente auch eine Liste der Medikamente, die im Laufe der letzten 10 Jahre aus dem Handel gezogen wurden.

Datenbanken und Suchmaschinen

Bei der Suche nach Arzneimittelinformation in Datenbanken besteht das hauptsächlichste Problem in der zu grossen Datenmenge. Datenbanken und Suchmaschinen sind jedoch durchaus brauchbare Informationsquellen, wenn es gelingt, die Suchkriterien sehr genau zu definieren und möglichst in englischer Sprache einzugeben.
Die Medline-Datenbank (Pubmed) hat zudem einige Besonderheiten «eingebaut», die die Chancen einer erfolgreichen Suche verbessern. Sucht man z.B. nach randomisierten Studien, so kann die Pubmed-Funktion «Clinical Queries» verwendet werden. Diese Funktion verwendet bestimmte Filter, die gewissermassen die Spreu vom Weizen trennen. Noch besser: jedermann kann sich (via My NCBI) selbst permanent diejenigen Filter einrichten, die man als sinnvoll erachtet. Wer z.B. pädiatrisch tätig ist, kann sich das «eigene» Pubmed («My NCBI») mit einem Filter versehen, so dass immer nur nach Studien bei Kindern gesucht wird.
Weniger umfangreiche, aber ebenfalls «personalisierte» Möglichkeiten bietet die grosse Zeitschriften-Site HighWire Press. Hier kann man sich von den mehr als 850 Zeitschriften, die bei HighWire beheimatet sind, diejenigen aussuchen, die man gerne regelmässig schnell durchsehen möchte. So erhält man dann eine Liste mit dem Titel «My Favorite Journals», die sich sehr leicht aufrufen lässt und es ermöglicht, den jeweils neuesten Inhalt zu überblicken.
Auch die meistverwendete Suchmaschine, Google, lässt sich in individualisierter Weise verwenden. Um diese Funktion zu verwenden, muss man einen kostenfreien «Google Account» haben. Dann kann man die persönliche Suchanamnese (permanent oder nach Wahl) aufzeichnen lassen. Dieses «Gedächtnis» erlaubt unter Umständen eine erhebliche Zeitersparnis, indem frühere Suchen rasch wieder abgerufen werden können. (Zur Zeit ist die «Search History» erst via die amerikanische Google-Site erhältlich.)
Medline, HighWire Press und Google bieten zudem alle auch an, neue Suchresultate, die einmal definierten Kriterien entsprechen, in wählbaren Abständen mittels e-mail mitzuteilen. Wir werden auch zu dieser Funktion im kommenden Winter auf unserer Website Kurzanleitungen publizieren.

Interaktionen

Seit Pharmavista die Datenbanken nicht mehr kostenlos zur Verfügung stellt, wird immer wieder nach Webadressen gefragt, die das Überprüfen von Arzneimittelinteraktionen erlauben. Dazu ist zu sagen, dass zur Zeit keine Gratis-Adresse bekannt ist, bei der sich sämtliche Interaktionen für die spezifisch in der Schweiz verwendeten Medikamente abfragen liessen. Da anderseits die Länderunterschiede heute nicht mehr so gross sind und man gut mit generischen Bezeichungen suchen kann, lassen sich Interaktions-Module aus anderen Ländern verwenden. Wer einen kleinen «Handcomputer» bzw. «Personal Digital Assistant» (mit Palm- oder Pocket-PC-Betriebssystem) besitzt, setzt am besten die kostenlose Version von epocrates ein. Dies hat den Vorteil, dass man schnell und recht zuverlässig auch Mehrfach-Interaktionen abfragen kann, ohne den richtigen Computer aufstarten zu müssen. Auf der epocrates-Website werden verschiedene Versionen angeboten, wobei die kostenpflichtigen Varianten nicht wesentlich mehr bringen als die Gratis-Version. Ein Praxishinweis: Bei der Verwendung von amerikanischen Verzeichnissen muss man daran denken, immer mit dem Begriff «warfarin» nach oralen Antikoagulantien zu suchen!
Zur Abfrage von Interaktionen direkt im Internet stehen mehrere Adressen zur Verfügung: Eine vollständig werbefreie Adresse, die allgemein und in Bezug auf Interaktionen gute Informationen vermittelt, ist das British National Formulary. Hier findet sich das Wichtigste knapp und bündig. Die Anwendung ist äusserst einfach: man schreibt die zu untersuchenden Medikamente nebeneinander in die Suchfläche und klickt «Interactions». Sogleich erhält man die nach zwei Gefahrenstufen differenzierte Information. Zur Verwendung dieser Website muss man sich (kostenlos) einschreiben.
DrugDigest ist eine Adresse, die sich primär an Patientinnen und Patienten wendet, aber auch ein recht brauchbares Interaktionsmodul anbietet. Eine weitere Möglichkeit ist der «Drug Interaction Checker», der sich bei Discovery Health und bei Drugs.com findet. Dieser ist aber im Vergleich mit dem DrugDigest-Angebot langsamer und fast zu ausführlich. Diese drei (amerikanischen) Adressen vermitteln auch Informationen zu Interaktionen mit Alkohol und Nahrungsmitteln; bei DrugDigest gibt es aber die Möglichkeit, diesen Teil der Information auszublenden.

Generika

Auch in der Schweiz gewinnen heute die Generika an Bedeutung. Um verschiedene Generika vergleichen zu können, war man bis vor wenigen Jahren auf den «medkalender» oder ähnliche gedruckte Listen angewiesen. Heute ist ein Vergleich auch im Internet ohne weiteres möglich.
Unter den verschiedenen Online-Angeboten, die in der Regel mindestens in den Grundfunktionen kostenlos erhältlich sind, gefällt mir Pro-Generika, das von der Krankenkasse Helsana angeboten wird, am besten. Zugang, Darstellung und Vergleichsmöglichkeiten sind hier einfach gestaltet. Zu jeder einzelnen Generika-Packung steht, wieviel man prozentual gegenüber dem Original einspart. Helsana offeriert zusätzlich (ebenfalls kostenlos) die Möglichkeit eines Downloads der Pro-Generika-Datenbank für Palm- oder Pocket-PC-basierte Kleinstcomputer. Damit verschafft man sich die Möglichkeit, auf dem kleinen Rechner ganz schnell nach Generika zu suchen.
Die anderen Generika-Sites sind jedoch ebenfalls sehr brauchbar – am besten probiert man zuerst die Such- und Vergleichsfunktionen an verschiedenen Adressen etwas aus, um sich dann für eines der Angebote zu entscheiden. Zu erwähnen sind in erster Linie die Generikasparte bei den «Krankenversicherern» und die vom Schweizerischen Apothekerverband und der Berufsgenossenschaft der Schweizer Apotheker (OFAC) gesponserte «OKGenerika»-Website. Letztere nennt neben den üblichen Vergleichsangaben zusätzlich eine Wertung, die auf dem durchschnittlichen Ersparnispotential, der Grösse des Sortiments und der Rückgabebestimmungen für Apotheker, der Qualität der Information und auf zusätzlichen Kriterien (Packung, ergänzendes Informationsmaterial u.a.) beruht. Über diese Wertung bzw. die Gewichtung der verschiedenen berücksichtigten Kriterien kann man durchaus verschiedener Meinung sein. Eine weitere Generika-Datenbank findet sich bei der «Open Drug Database», deren Haupt-Site jedoch durch störende Fremdwerbung auffällt. Wer diese Datenbank verwenden will, tut dies besser über die Adresse von PROVITA.
Transparenz in Bezug auf das Verhältnis zwischen Fabrikabgabepreis und Publikumspreis wird dank der Liste SL-preise.ch der Pharma-Firmen geschaffen, in der für jedes einzelne Präparat der Kostenanteil des Herstellers angegeben wird.

E. Gysling

Standpunkte und Meinungen

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Arzneimittelinformation im Internet (13. Oktober 2005)
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pharma-kritik, 27/No. 5
PK124
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