Unabhängige Quellen (März 2021)
- Autor(en): Natalie Marty
- pharma-kritik-Jahrgang 42
, Nummer 6, PK1139
Redaktionsschluss: 3. April 2021
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2020.1139 - PDF-Download der Printversion dieses Artikels
Artemisia: Gefährliches "Wundermittel"
Die Blätter von Artemisia annua, dem einjährigen Beifuss, enthalten Artemisinin, dessen synthetische Derivate Artemether, Artesunat und Artenimol in der Malariatherapie eingesetzt werden. Die chinesische Wissenschaftlerin Tu Youyou erhielt 2015 als Anerkennung für die Iso-lierung von Artemisinin den Medizin-Nobelpreis. In der chinesischen Medizin wird Beifuss (Qing-Guo) unter anderem als Mittel gegen Fieber verwendet. Neuerdings wird Artemisia auch als Mittel gegen COVID-19 diskutiert. Ein Bericht in «La Revue Prescrire» erinnert aber anhand von zwei Fallberichten aus der neuseeländischen Pharmakovigilanz-Behörde daran, dass eine Verlängerung der QT-Zeit eine bekannte, dosisabhängige Nebenwirkung von Artemisinin-Derivaten ist. Gemäss einem der Fallberichte erlitt eine Frau nach der Einnahme eines solchen Nahrungsergänzungsmittels einen Herzstillstand. Die Konzentration von Artemisinin in den als Nahrungsergänzungsmittel verkauften Extrakten von Artemisia annua unterliegt grossen Schwankungen. Das «Wundermittel» kann somit zu schweren, manchmal tödlich verlaufenden Herzrhythmusstörungen führen.
Tramadol: Vorsicht bei Kindern und alten Leuten
Im neuseeländischen «Prescriber Update» wird auf eine Änderung der dortigen Altersempfehlungen für die Verordnung von Tramadol (Tramal® u.a.) hingewiesen. Aufgrund der vorhandenen Sicherheitsdaten soll Tramadol bei Kindern unter 12 Jahren nicht mehr eingesetzt wer-den. Das Medikament ist auch bei Jugendlichen unter 18 Jahren zur Behandlung von postoperativen Schmerzen nach Tonsillektomie und/oder Adenoidektomie nicht indiziert. Bei Personen über 75 Jahren soll Tramadol aufgrund von erhöhten Serumkonzentrationen und verlängerter Eliminationshalbwertszeit mit Vorsicht verwendet werden, mit einer maximalen Tagesdosis von 300 mg. Da die Bildung eines wichtigen aktiven Metaboliten vom polymorph vererbten CYP2D6 abhängt, ist zudem bei Personen mit rascher Metabolisierung auch im üblichen Dosisbereich mit einem erhöhten Risiko von unerwünschten Wirkungen zu rechnen.
Fluconazol in der Schwangerschaft
Die Studiendaten über die Verabreichung von oralem Fluconazol (Diflucan® u.a.) in der Schwangerschaft sind widersprüchlich und beruhen teilweise auf Tierversuchen und Fallberichten. Im britischen «Drug and Therapeutics Bulletin» wurde nun über eine neue Studie berichtet, in der die Auswirkung einer Gabe von oralem Fluconazol und lokal angewendeten Azolen während des ersten Schwangerschaftstrimesters in einer Kohorte von fast zwei Millionen Schwangerschaften untersucht wurde. Die orale Fluconazol-Anwendung im ersten Trimester erhöhte das Risiko für muskuloskelettale Fehlbildungen; ein Zusammenhang mit anderen Missbildungen wurde nicht gefunden. Wir erinnern an den Hinweis in den «100 wichtigen Medikamenten», Fluconazol in der Schwangerschaft zu vermeiden.
Medikamente bei Autismus
Nicht-steroidale Antirheumatika in der Schwangerschaft
Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat gemäss einem Bericht im «Medical Letter» einen neuen Warnhinweis in den Packungsbeilagen von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) angeordnet, der vor einer Ein-nahme ab der 20. Schwangerschaftswoche abrät. Es be-steht das Risiko einer Nierenfunktionsstörung beim ungeborenen Kind, die zu einem Oligohydramnion führen kann. Eine Untersuchung der FDA ergab, dass die meisten im Zusammenhang mit einer NSAR-Anwendung während des dritten Trimesters veröffentlichten Oligohydramnion-Fälle erst nach einigen Tagen bis Wochen der Behandlung auftraten, einige aber bereits nach 48 Stunden. Das Oligohydramnion bildete sich in der Regel innerhalb von 3-6 Tagen nach Absetzen der Schmerzmitteltherapie zurück. Auch über Nierenfunktionsstörungen bei Neugeborenen nach einer mütterlichen NSAR-Einnahme wurde berichtet, in einigen Fällen mit tödlichem Verlauf.
Vitamin D bei COVID-19: Nutzen unsicher
Vitamin D wird zur Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion oder zur Vermeidung von schweren COVID-19-Verläufen propagiert. Das deutsche «arznei-telegramm» ist der Evidenz für diese Empfehlung nachgegangen. Drei publizierte randomisierte Studien zu Vitamin D bei CO-VID-19 wurden gefunden. Mögliche Vorteile einer Gabe von Vitamin D wurden in zwei kleinen Studien von frag-würdiger Qualität beschrieben; in einer als Preprint publizierten placebokontrollierten Doppelblindstudie mit 240 schwer Erkrankten beeinflusste die orale Gabe von Vita-min D3 weder die Länge des Spitalaufenthaltes noch den Verlauf signifikant. Derzeit gibt es keine hinreichenden Belege für den Nutzen von Vitamin D zur Prophylaxe oder Therapie von COVID-19.
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