Unabhängige Quellen (September 2020)
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 42
, Nummer 3, PK1115
Redaktionsschluss: 12. Oktober 2020
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2020.1115 - PDF-Download der Printversion dieses Artikels
Kounis-Syndrom
Die neuseeländische Publikation «Prescriber Update» macht auf das Kounis-Syndrom aufmerksam. An ein Kounis-Syndrom ist zu denken, wenn kurz nach der Verabreichung eines Medikaments ein pektanginöser Anfall auftritt. Es handelt sich um eine allergische Reaktion auf Medikamente, Nahrungsmittel oder Umweltallergene, die zu einer akuten Vasokonstriktion der Koronarien führt. Dies ist unter anderem im Zusammenhang mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern, Betalaktam-Antibiotika und intravenös verabreichten Eisenpräparaten beobachtet worden. Das auslösende Medikament darf nicht mehr verabreicht werden; bei der Behandlung des kardialen Problems sind Medikamente, die allenfalls zu einer Histaminfreisetzung führen könnten, zu vermeiden. (Eine Zürcher Gruppe hat in einer Arbeit von 2019 die Daten der Nebenwirkungs-Datenbank der WHO zum Kounis-Syndrom zusammengefasst und ist u.a. zum Schluss gekommen, dass lebensbedrohliche Reaktionen in mehr als einem Drittel der Fälle nach intravenöser Medikamenten-Verabreichung aufgetreten sind.)
Rheumamittel lokal wirksam
Eine Übersicht in der deutschen Publikation «Arzneiverordnung in der Praxis» kommt aufgrund neuerer Arbeiten zum Schluss, lokal applizierte nicht-steroidale Entzündungshemmer wie z.B. Diclofenac oder Ibuprofen eigneten sich gut für eine primäre Therapie von Arthrosen. Gemäss einer Netzwerk-Metaanalyse wäre ein Diclofenac-Pflaster (wie z.B. Flector EP®) am wirksamsten gegen Gonarthrose-Schmerzen und Piroxicam-Gel (in der Schweiz kein Lokalpräparat erhältlich) verbessere die Gelenkfunktion am besten. Hervorgehoben wird auch die vergleichsweise gute Verträglichkeit. Diese recht optimistische Sicht steht im Gegensatz zu den Resultaten einer Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2015: Diese kommt zum Schluss, dass lokal applizierte Antirheumatika nur einer Minderheit der Personen mit einer schmerzhaften Arthrose mehr helfen als eine lokale Placebo-Anwendung.
Erhöhte Mortalität infolge Tramadol?
Im britischen «Drug and Therapeutics Bulletin» wird eine grosse retrospektive Kohortenstudie kommentiert, in der die Mortalität bei Personen im Alter über 50 untersucht wurde, die wegen Arthroseschmerzen mit verschiedenen Schmerzmitteln behandelt wurden. Zwei Opioide – Tramadol (Tramal® u.a.) und Codein – wurden mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern wie z.B. Diclofenac (Voltaren® u.a.) verglichen. Innerhalb eines Jahres nach der initialen Verschreibung war die Mortalität unter Tramadol gegenüber nicht-steroidalen Entzündungshemmern signifikant höher («Hazard Ratio» um 1,8). Im Vergleich mit Codein ergab sich dagegen kein signfikanter Unterschied. Der Befund ist insofern zu relativieren, als möglicherweise nicht sämtliche weiteren Einflüsse («Confounders») berücksichtigt werden konnten.
Gestagene verursachen Meningeome
Meningeome sind (meistens gutartige) Tumoren der Meningen, die Kopfschmerzen, Sehstörungen oder auch epileptische Anfälle verursachen können und bei einer MRI-Untersuchung entdeckt werden können. Solche Tumoren sind unter der Behandlung mit verschiedenen Gestagenen – z.B. Medroxyprogesteron (Depo-Provera® u.a.), Cyproteron (Androcur® u.a.) – etwa zweimal häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung. Die «Revue Prescrire» weist nun darauf hin, dass Meningeome auch unter Chlormadinon und Nomegestrol (beides Bestandteile von oralen Kontrazeptiva) gehäuft auftreten. Die Schweizer Fachinformation (z.B. im Arneimittel-Kompendium) enthält bei den Gestagenen keinen Hinweis auf die Möglichkeit auf ein gehäuftes Auftreten von Meningeomen. Nach dem Absetzen der Gestagene können sich die Meningeome zurückbilden.
Pharmakotherapie optimieren
Die Hausärztinnen und Hausärzte in der kanadischen Provinz British Columbia haben die Möglichkeit, ihr persönliches Verschreibungs-Profil unabhängig beurteilen zu lassen. Dieses Angebot stammt von der «Therapeutics Initiative» und vermittelt einen Vergleich zwischen den Verschreibungen in einer Arztpraxis und denjenigen in anderen Praxen der Provinz. Ergänzt wird das Profil durch Hinweise auf geeignete Literatur – für die Verschreibenden und die Behandelten. Ein (im Internet frei abrufbares) Profil zeigt am Beispiel der Verschreibung von Protonenpumpenhemmern, wie dies zu einer Optimierung der Pharmakotherapie beitragen könnte.
Trommelfellperforation unter Chinolon-haltigen Ohrentropfen
Das deutsche «arznei-telegramm» warnt aufgrund einer neuen Kohortenstudie vor dem Risiko einer Trommelfellperforation, wenn mit Chinolon-haltigen Ohrentropfen behandelt wird. Die für die Studie verwendeten Daten stammen aus dem Medicaid-System (USA) und umfassen über 90'000 Personen unter 65, die wegen einer Otitis externa mit Ohrentropfen behandelt wurden. Als antibakteriellen Wirkstoff enthielten diese Ohrtropfen entweder ein Chinolon (Ofloxacin oder Ciprofloxacin) oder das Aminoglykosid Neomycin. Nach Korrektur für andere Einflüsse ergab sich z.B. für Ciprofloxacin + Hydrocortison (Ciproxin® HC Susp Auric) ein signifikant höheres Risiko einer Trommelfellperforation («Hazard Ratio» 2,2) gegenüber Neomycin-haltigen Ohrenpräparaten (z.B. Panotile®). Das Risiko war bei Kindern und Erwachsenen vergleichbar. Die Gesamtzahl (63) der Fälle einer Trommelfellperforation war zwar klein, aber auch persistierende Perforationen fanden sich viel häufiger nach Anwendung von Chinolon-haltigen Präparaten.
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