Unabhängige Quellen (August 2020)

Hohe B12-Spiegel = erhöhtes Sterberisiko?

Das niederländische «Geneesmiddelenbulletin» berichtet über die Post-hoc-Analyse einer grossen Kohortenstudie, in der initial unter anderem einmal die B12-Plasmaspiegel bestimmt und die Individuen für rund 10 Jahre beobachtet wurden. Die Kohorte umfasste einen Teil der Bevölkerung von Groningen (NL), wobei zwei Drittel der Teilnehmenden aufgrund ihrer Mikroalbuminurie (≥10 mg/l) aufgenommen wurden. Im Studienverlauf ergab sich ein signifikanter Mortalitäts-Unterschied zu Ungunsten der Personen mit einem hohen B12-Spiegel: In der Quartile mit den niedrigsten B12-Werten betrug die Mortalität 3,4/1000 Personenjahre, in der Quartile mit den höchsten B12-Werten aber 6,6/1000 Personenjahre. Dieses Resultat ist mit verschiedenen Vorbehalten zu interpretieren; so ist z.B. unklar, welche Bedeutung der Albuminurie zukommt. Es gibt jedoch einige andere Studien, die auf eine erhöhte Mortalität bei Individuen mit hohen B12-Spiegeln hinweisen.  

Epilepsie und Antidepressiva

Das britische «Drug and Therapeutics Bulletin» (DTB) informiert in einer Übersicht über Zusammenhänge zwischen Epilepsie und Antidepressiva. Fast ein Viertel der Personen mit einer Epilepsie sind depressiv (Prävalenz in der Durchschnittsbevölkerung: etwa 8%). Anderseits haben Depressive mehr epileptische Anfälle. Höhere Antidepressiva-Dosen und die gleichzeitige Verabreichung von mehreren Antidepressiva können zu vermehrten Anfällen führen. Wenn nicht-medikamentöse Therapien nicht genügen, ist jedoch auch bei diesen Patientinnen und Patienten eine Antidepressiva-Behandlung indiziert. In üblichen Dosen ist das Anfallsrisiko bei fast allen Antidepressiva gering. Das DTB empfiehlt, primär Citalopram (Seropram® u.a.) oder Sertralin (Zoloft® u.a.) einzusetzen. Aber auch Mittel wie Mirtazapin (Remeron® u.a.) oder Moclobemid (Aurorix® u.a.) kommen in Frage. Clomipramin (Anafranil®) und Bupropion (Wellbutrin®) scheinen sich dagegen ungünstig auszuwirken.

Behandlung einer Proteinurie

Eine Proteinurie stellt einen behandelbaren Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen und die Zunahme einer Niereninsuffizieinz dar. Im «Australian Prescriber» ist in einem neu publizierten Text zusammengestellt, was die aktuellen Guidelines zur Behandlung einer Proteinurie aussagen. Die Wirksamkeit von ACE-Hemmern und von Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB, Sartanen) wurde in mehreren Studien gut dokumentiert. Diese Medikamente reduzieren nicht nur die Proteinurie, sondern senken auch das Risiko einer weiteren Abnahme der Nierenfunktion um etwa 50%. Die günstigen Auswirkungen sind bei Personen mit als auch bei solchen ohne Diabetes festzustellen. Die Kombination von verschiedenen Medikamenten, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System hemmen (z.B. ACE-Hemmer + ARB), erscheint theoretisch attraktiv, ergibt jedoch ein Übermass an unerwünschten Wirkungen (Hyper­kaliämie, Abnahme der Nierenfunktion) und soll deshalb vermieden werden.

Citalopram + Omeprazol: eine lebensgefährliche Interaktion

«La Revue Prescrire» weist in einer aktuellen Ausgabe auf die Gefahr einer QT-Verlängerung bei gleichzeitiger Verabreichung von Citalopram (Seropram® u.a.) oder Escitalopram (Cipralex® u.a.) und Omeprazol (Antramups® u.a.) oder Esomeprazol (Nexium® u.a.) hin. Infolge der durch den Protonenpumpenhemmer verursachten Hemmung von CYP2C19 können die Citalopramspiegel auf ein gefährliches Niveau ansteigen. In einer grossen taiwanesischen Kohortenstudie wurde die Häufigkeit eines plötzlichen Herzstillstands unter Citalopram allein, Citalopram und Omeprazol sowie bei einer nicht-exponierten Vergleichskohorte untersucht. Gegenüber der Vergleichspopulation betrug die «Hazard Ratio» eines Herzstillstands unter Citalopram 1,32, unter der kombinierten Behandlung mit Citalopram und Omeprazol aber 2,23 (95%-Vertrauensintervall: 1,79-2,78). Bei anderen Protonenpumpenhemmern – z.B. Pantoprazol (Pantozol® u.a.) – ist das Risiko einer relevanten CYP2C19-Hemmung offenbar kleiner.

Verfalldaten fragwürdig

Hersteller und Behörden gehen der Frage, ob Medikamente nach dem offiziellen Verfalldatum noch wirksam und verträglich seien, konsequent aus dem Wege. Der amerikanische «Medical Letter» berichtet nun zu neueren Untersuchungen zu diesem Thema. Einmal mehr wird unterstrichen, dass bei adäquater Lagerung quasi alle festen Arzneimittelformen noch mindestens fünf Jahre nach dem Verfalldatum problemlos verwendet werden können. Lösungen und Suspensionen sind wohl weniger stabil. Besonders bei ophthalmologischen Präparaten wird zu Vorsicht geraten. Bei Adrenalin-Injektoren (z.B. Epipen®) ist nach dem Verfalldatum mit einem Verlust der Wirksamkeit zu rechnen, auch weil sie oft nicht ideal gelagert werden können. Naloxon-Notfallpräparate wie z.B. Nasensprays (Nyxoid®) sind dagegen gemäss einer aktuellen Qualitätsüberprüfung noch jahrelang verwendbar. Hinweise, dass die heute verfügbaren Arzneimittel nach dem Verfall eine erhöhte Toxizität aufweisen würden, sind zurzeit nicht vorhanden.

Cannabis-Hautpräparate nutzlos

In einer Publikation der RxFiles, der unabhängigen Arzneimittel-Informationsstelle der Universität von Saskatchewan, wird der von den Händlern propagierte Nutzen von Cannabis-Salben bei Haut- oder Gelenkleiden analysiert. Lokal applizierte Cannabinoide könnten theoretisch eine immunsuppresssive oder auch analgetische Wirkung haben. Adäquate Studien zur Wirkung fehlen; denkbar ist, dass weitere Salbenbestandteile etwas nützen oder dass die Präparate einen guten Placeboeffekt haben. Unerwünschte Wirkungen sind ebenfalls ungenügend dokumentiert.    

Standpunkte und Meinungen

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Unabhängige Quellen (August 2020) (31. August 2020)
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