Unabhängige Quellen (Juli 2020)
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 42
, Nummer 1, PK1101
Redaktionsschluss: 25. Juli 2020 - PDF-Download der Printversion dieses Artikels
Montelukast: ungünstige Nutzen/Risiko-Bilanz
Die Annahme, Montelukast (Singulair® u.a.) hätte kaum zentralnervöse Auswirkungen, ist offensichtlich falsch. Zwar hatten wir schon 2013 in einem «Bad Drug News» auf das Risiko neuropsychiatrischer Nebenwirkungen hingewiesen. Aber aktuell enthält die offizielle Schweizer Arzneimittelinformation immer noch die nicht zutreffende Angabe, Rattenstudien hätten eine «minimale Verteilung durch die Blut-Hirn-Schranke» gezeigt. Die Publikation RxISK macht jetzt in einer ausführlichen Dokumentation auf diese Fehlinformation aufmerksam. Viele junge Patientinnen und Patienten haben unter Montelukast Albträume oder andere Schlafstörungen und depressive Symptome oder gar suizidale Tendenzen. Schlimmer noch: bei einzelnen Individuen nehmen die neuropsychiatrischen Probleme nach dem Absetzen zu («Montelukast Withdrawal Syndrome»). Die Nutzen/Risiko-Bilanz ist deshalb für viele unvorteilhaft.
Buprenorphin-Depot subkutan sinnvoll?
In der EU ist ein Buprenorphin-Präparat (Buvidal®) erhältlich, das sich zur Substitution bei Opioid-abhängigen Personen anbietet. Dieses bisher in der Schweiz nicht verfügbare Präparat kann als (teure) Alternative zur oralen oder transkutanen Buprenorphin-Substitution eingesetzt werden und muss einmal wöchentlich oder einmal monatlich injiziert werden. Gemäss der Analyse der französischen Zeitschrift «La Revue Prescrire» ist Buprenorphin-Depot hinsichtlich der Abstinenz ähnlich wirksam wie die Sublingual-Tabletten der Buprenorphin-Naloxon-Kombination (Suboxone®). Lokalreaktionen an der Injektionsstelle sind möglich. Die Injektion darf nicht von den Betroffenen selbst vorgenommen werden; vor einer intravenösen Injektion ist wegen der Möglichkeit einer Thrombose zu warnen. «Prescrire» hält das Präparat für eine geeignete Option bei Individuen, für die sich eine tägliche Behandlung nicht bewährt hat.
Gefahren der Gabapentinoide
Der amerikanische Medical Letter berichtet, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA seit Dezember 2019 einen neuen Warnhinweis in der Fachinformation zu Gabapentin (Neurontin® u.a.) und Pregabalin (Lyrica® u.a.) vorschreibt. Die Gabapentinoide können allein – besonders bei Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen – und in Kombination mit anderen zentralnervös dämpfenden Mitteln zu einer lebensbedrohlichen Atemdepression führen. Gabapentin und Pregabalin haben zwar ein geringeres Missbrauchsrisiko als die Opioide, können aber ebenfalls zu psychischer und körperlicher Abhängigkeit führen. Aktuell kommt diese Problematik in der Schweizer Arzneimittel-Information nur ungenügend zum Ausdruck.
Therapie des systemischen Lupus erythematodes
Im «Australian Prescriber» findet sich eine Übersicht zur Diagnose und Therapie eines systemischen Lupus. Die Diagnose dieser Krankheit beruht einerseits auf klinischen Zeichen (unter anderem im Bereich der Haut und der Gelenke sowie auf hämatologischen, neurologischen und renalen Abnormitäten), anderseits auf serologischen Kriterien (verschiedene Antikörper, reduzierte Komplement-Werte). Junge Frauen sind weitaus am häufigsten betroffen. Die Ziele der Therapie sind die Verhütung von Symptomen und Exazerbationen und die Verminderung chronischer Or-ganschäden bei gleichzeitiger Minimierung von toxischen Auswirkungen der Immunsuppression. Wichtig ist ein guter Sonnenschutz. Medikamentös ist Hydroxychloroquin (Plaquenil® u.a., 200 mg/Tag) das geeignetste Mittel, wobei die okulären Nebenwirkungen sorgfältig überwacht werden müssen. Ausserdem können Kortikosteroide, Immunsuppressiva wie z.B. Methotrexat, Azathioprin (Imurek® u.a.) eingesetzt werden. Biologika bringen oft keinen überzeugenden Nutzen.
Magenschutz bei Entzündungshemmern
Nicht-steroidale Entzündungshemmer sind eine bedeutsame Ursache von gastrointestinalen Problemen. Das britische «Drug and Therapeutics Bulletin» bietet eine Übersicht zu den Möglichkeiten, vor diesen Komplikationen zu schützen. Sofern überhaupt ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer indiziert ist, ergeben sich aus der Kombination eines COX-2-spezifischen Medikamentes – Celecoxib (Celebrex® u.a.) oder Etoricoxib (Arcoxia®) – mit einem Protonenpumpenhemmer die geringsten Magenrisiken. Ein COX-2-Hemmer allein oder die Kombination eines anderen nicht-steroidalen Entzündungshemmers mit einem Protonenpumpenhemmer beinhaltet etwas höhere Risiken. Gerade bei älteren Leuten sind jedoch andere mögliche Nebenwirkungen zu berücksichtigen. So ergibt sich im Einzelfall aus der Kombination von Naproxen (Proxen® u.a.) und einem Protonenpumpenhemmer allenfalls das kleinere Gesamtrisiko, weil Naproxen kardiovaskulär besser verträglich ist. Bei Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion sind alle diese Medikamente möglichst zu meiden.
Nachteile hoher Vitamin-D-Dosen
Die kanadische Publikation RxFiles kommt – in erster Linie aufgrund einer im August 2019 veröffentlichten Doppelblindstudie – zum Schluss, dass sich höhere Vitamin-D-Dosen nicht zur Primärprävention der Osteoporose eignen. Vitamin-D-Tagesdosen von 4000 und 10'000 E wurden bei gesunden Männern und Frauen zwischen 55 und 70 Jahren mit niedrigen Dosen (400 E = 10 μg/Tag) verglichen. Die Teilnehmenden hatten primär keine Osteoporose und normale 25(OH)D3-Werte (über 30 nmol/l). Nach drei Jahren konnte unter den hohen Dosen kein klinisch relevanter Anstieg der Knochendichte beobachtet werden, wohl aber eine Häufung von unerwünschten Wirkungen (Hyperkalzämie, Hyperkalziurie, eventuell auch Abnahme der Knochendichte). Die Empfehlungen stimmen mit früheren Untersuchungen überein, wonach auch Frakturen und Stürze unter hohen Vitamin-D-Dosen möglicherweise gehäuft auftreten.
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
PK1101
Gratisbuch bei einem Neuabo!
pharma-kritik abonnieren
-
Jahrgang 46 / 2024
Jahrgang 45 / 2023
Jahrgang 44 / 2022
Jahrgang 43 / 2021
Jahrgang 42 / 2020
Jahrgang 41 / 2019
Jahrgang 40 / 2018
Jahrgang 39 / 2017
Jahrgang 38 / 2016
Jahrgang 37 / 2015
Jahrgang 36 / 2014
Jahrgang 35 / 2013
Jahrgang 34 / 2012
Jahrgang 33 / 2011
Jahrgang 32 / 2010
Jahrgang 31 / 2009
Jahrgang 30 / 2008
Jahrgang 29 / 2007
Jahrgang 28 / 2006
Jahrgang 27 / 2005
Jahrgang 26 / 2004
Jahrgang 25 / 2003
Jahrgang 24 / 2002
Jahrgang 23 / 2001
Jahrgang 22 / 2000
Jahrgang 21 / 1999
Jahrgang 20 / 1998
Jahrgang 19 / 1997
Jahrgang 18 / 1996
Jahrgang 17 / 1995
Jahrgang 16 / 1994
Jahrgang 15 / 1993
Jahrgang 14 / 1992
Jahrgang 13 / 1991
Jahrgang 12 / 1990
Jahrgang 11 / 1989
Jahrgang 10 / 1988
Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?
Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.