Dequalinium bei bakterieller Vaginose

Der folgende Text beruht wie derjenige, der allgemein über die Behandlung der bakteriellen Vaginose (BV) orientiert,(1) auf einem Artikel im britischen «Drug and Therapeutics Bulletin» vom Mai 2017.(2) Er wurde für Schweizer Verhältnisse ergänzt und kommentiert.

Dequalinium ist eine quaternäre Ammoniumverbindung mit Chinolinstruktur, die eine antiseptische Wirkung mit breitem antimikrobiellem Wirkspektrum aufweist (verschiedene gram-positive und gram-negative Bakterien, auch Hefen und Protozoen wie Trichomonas vaginalis). Als oberflächenaktive Substanz erhöht Dequalinium primär die Zellpermeabilität, worauf es zu einer verminderten Enzymaktivität und schliesslich dem Absterben der Zellen kommt. Dequalinium wird seit längerem in Form von Gurgellösungen oder Lutschtabletten zur Behandlung von Racheninfekten verwendet (Dequonal® u.a.). Seit 2007 ist es in Form von Vaginaltabletten (Fluomizin®) zur Behandlung von verschiedenen Vaginalinfekten in der Schweiz erhältlich. In Grossbritannien ist es hingegen erst seit 2015 und lediglich für die Indikation «bakterielle Vaginose» zugelassen.

Dequalinium wird lokal in der Vagina angewendet, dabei wird nur eine äusserst geringe Menge der Substanz systemisch resorbiert.

Klinische Studien

Zur Wirkung von Dequalinium bei BV ist eine Phase-3-Studie publiziert, in der gezeigt werden sollte, dass Dequalinium-Vaginaltabletten einer Clindamycin-Vaginalcrème nicht unterlegen ist.(3) Es wurden insgesamt 321 prämenopausale Frauen im Alter von 18 bis 55 Jahren untersucht, bei denen anhand der Amsel-Kriterien (siehe Tabelle 1a) eine BV diagnostiziert worden war. Dabei mussten nicht nur 3, sondern alle 4 Kriterien erfüllt sein. Die Frauen erhielten nach dem Zufall entweder Dequalinium-Vaginaltabletten zu 10 mg für 6 Tage oder Clindamycin-Vaginalcrème (2%) für 7 Tage. Der primäre Endpunkt war als «klinische Heilung» 7 Tage nach Behandlungsende definiert. Eine weitere Beurteilung fand 25 Tage nach Behandlungsende statt. Um als geheilt zu gelten, durften die Frauen keine «Clue Cells» im Nativpräparat (siehe Tabelle 1) mehr aufweisen und 2 von 3 weiteren Amsel-Kriterien durften ebenfalls nicht mehr vorhanden sein.

Die Heilungsrate erreichte mit Dequalinium 81,5% und mit Clindamycin 78,4%, entsprechend einem Unterschied von 3,1% (95% CI -7% bis 13%). Da die untere Grenze des Vertrauensintervalls den festgelegten maximalen Bereich von -15% nicht unterschritten hatte, konnte somit die Nicht-Unterlegenheit bestätigt werden. Allerdings wurde dieser Bereich mit -15% eher unüblich hoch angesetzt und keine Begründung für diese Wahl genannt. Auch die anhand eines Scores gemessenen subjektiven Symptome 7 und 25 Tage nach Behandlungsende (sekundäre Endpunkte) waren in beiden Gruppen vergleichbar. Mit Dequalinium wurden 7 Tage nach Behandlungsende etwas niedrigere pH-Werte erzielt, dafür traten nach 25 Tagen nummerisch etwas mehr Rezidive auf (Unterschied allerdings statistisch nicht signifikant).

Ausser der Tatsache, dass der akzeptierte Nichtunterlegenheits-Bereich für das Vertrauensintervall unüblich weit festgelegt wurde, wird die Aussagekraft der Studie auch noch von weiteren Schwachstellen beeinträchtigt: Die Studie wurde lediglich einfach-blind durchgeführt und die Nachbeobachtungszeit von 25 Tagen in Anbetracht der hohen Rezidivraten innerhalb der ersten 3 Monate nach Behandlung eher kurz angesetzt.

In einer früheren randomisierten Studie wurde Dequalinium bei 180 Frauen mit Povidon-Jod (Betadine®) verglichen.4 Sowohl 2-3 Tage wie auch 2-3 Wochen nach Behandlungsende wurden in beiden Gruppen vergleichbare Heilungsraten sowie auch Verbesserungen des pH-Wertes erzielt.

Unerwünschte Wirkungen

Im Rahmen der obigen Studie traten keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen auf und gemäss Angaben des Herstellers wurden solche bislang auch nicht im Rahmen von verschiedenen Postmarketing-Studien beobachtet.

Die am häufigsten beschriebenen unerwünschten Wirkungen sind vermehrter Fluor (9,2%) und Juckreiz (4,9%), beides Symptome, welche teilweise auch auf die Grunderkrankungen zurückgeführt werden können.

Im Gegensatz zur Clindamycin-Salbe, welche aufgrund der darin enthaltenen öligen Komponente Kondome beschädigen kann, sollten Dequalinium-Vaginaltabletten die Schutzwirkung von Kondomen nicht beeinträchtigen. Studiendaten zu dieser Fragestellung fehlen allerdings.

Es gibt zwar Bakterien, welche natürlicherweise auf Dequalinium resistent sind wie beispielsweise Proteus und Chlamydien; erworbene Resistenzen sind jedoch bis jetzt nicht beschrieben worden. Auch sind keine Interaktionen mit anderen Medikamenten dokumentiert. Allerdings wird empfohlen, auf eine gleichzeitige intravaginale Anwendung von anderen Produkten zu verzichten.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Dequalinium-Vaginaltabletten (Fluomizin®) können gemäss der schweizerischen Zulassung zur Behandlung von bakteriellem oder mykotischem Fluor vaginalis verwendet werden. Die Dosierung beträgt einmal täglich eine Vaginaltablette zu 10 mg vor dem Schlafen während 6 Tagen. Bei sehr trockener Scheide kann die Vaginaltablette vor dem Einführen mit einem Tropfen Wasser angefeuchtet werden. Beim Vorliegen von Scheiden-Ulzera ist die Behandlung mit Dequalinium-Vaginaltabletten kontraindiziert. Da es keine Studien zur Anwendung bei Frauen von weniger als 18 Jahren oder mehr als 55 Jahren gibt, sollte Dequalinium in diesen Alterskategorien mit Vorsicht angewendet werden.

Eine Packung mit 6 Tabletten kostet 19.15 CHF, ist rezeptpflichtig und wird von der Krankenkasse gemäss Spezialitätenliste vergütet. Eine Packung Clindamycin-Crème ist mit 18.30 CHF ähnlich teuer. Die kleinste Packung eines Metronidazol-Generikums (20 Tabletten zu 500 mg) ist mit 14.45 CHF etwas günstiger und kann sogar für 2 Behandlungszyklen zu je 5 Tagen oder 2x2 Einmaldosen verwendet werden.

Schlussfolgerungen

Obwohl die BV ein sehr häufiges Problem ist, ist unser Wissen dazu sehr lückenhaft. Insbesondere die Frage, wieweit der Nutzen einer antibiotischen Therapie – ob ausserhalb oder während der Schwangerschaft – über die reine Symptombehandlung hinausgeht, wird unterschiedlich beurteilt. Denn in den Studien wird zumeist die Wirkung auf die Symptome dokumentiert und nicht auf das mit der Infektion verbundene Komplikationsrisiko. Entscheidet man sich schliesslich zu einer Behandlung, so bestimmen eher lokale Gepflogenheiten und die Vorlieben der betroffenen Frauen als wissenschaftliche Evidenz die Wahl des Therapieschemas – zumal es nur wenige Studien gibt, in welchen die verschiedenen Behandlungsoptionen direkt miteinander vergleichen werden.

Für das Antiseptikum Dequalinium ist die Situation grundsätzlich vergleichbar. Auch die Aussagekraft der damit durchgeführten randomisierten Studie wird durch qualitative Mängel eingeschränkt. Auch hier sagen die untersuchten Endpunkte nichts über den Einfluss der Behandlung auf das Komplikationsrisiko aus. Wenn es um eine symptomatische Behandlung von Frauen mit Beschwerden geht, stellt dieses Präparat somit vermutlich eine gute Alternative zur antibiotischen Behandlung dar. Doch wenn präoperativ oder bei Risikoschwangeren primär die Komplikationsrate gesenkt werden soll, dann ist es möglicherweise nicht die ideale Wahl, obwohl es aufgrund der minimalen systemischen Resorption zur Verwendung während der Schwangerschaft geradezu prädisponiert zu sein scheint.

Ergänzende Lektüre:

Bakterielle Vaginose – eine kurze Übersicht zu dieser Symptomatik (Zusammenfassung eines Textes aus "Drug and Therapeutics Bulletin"; Referenz 1)

Standpunkte und Meinungen

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Dequalinium bei bakterieller Vaginose (6. März 2018)
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Dequalinium bei bakterieller Vaginose