Mepolizumab

Mepolizumab (Nucala®) steht zur subkutanen Behandlung des sogenannten eosinophilen Asthmas zur Verfügung.

Chemie/Pharmakologie

Eosinophile Granulozyten sind sowohl beim allergisch wie beim nicht-allergisch bedingten Asthma bronchiale häufig die vorherrschenden Entzündungszellen und stehen im Zentrum von verschiedenen Signalwegen, die zu der Hyperreagibilität, Schleimproduktion und dem «Remodelling» der Atemwege beitragen. Findet sich eine hohe Eosinophilenzahl im Sputum oder Blut, spricht man von einem eosinophilen Asthma, im Gegensatz zum nicht-eosinophilen Asthma, bei dem andere immunpathologische Prozesse beteiligt sind.(1,2) Was im Übrigen ein eosinophiles Asthma kennzeichnet, ist aber nicht exakt definiert.

Eine entscheidende Rolle bei der Bildung, Reifung und Aktivierung von eosinophilen Granulozyten spielt Interleukin-5 (IL-5). Mepolizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG-Antikörper, der gegen Interleukin-5 gerichtet ist und verhindert, dass sich Interleukin-5 an den IL-5-Rezeptor bindet, der auf eosinophilen Granulozyten sitzt. Dadurch wird die Proliferation und die Funktion der eosinophilen Granulozyten gehemmt, was beim eosinophilen Asthma günstige Effekte erwarten lässt.

Pharmakokinetik

Nach subkutaner Verabreichung von Mepolizumab vergehen 6 bis 8 Tage, bis der maximale Plasmaspiegel erreicht ist. Die biologische Verfügbarkeit bewegt sich zwischen 64 und 75%. Mepolizumab wird wie andere IgG-Antikörper über proteolytische Enzyme abgebaut, die überall im Körper vorhanden sind. Die Halbwertszeit beträgt 18 bis 20 Tage.(3)

Klinische Studien

Zur Anwendung von Mepolizumab beim eosinophilen Asthma liegen drei placebokontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studien vor. In diesen Studien wurde Mepolizumab alle 4 Wochen subkutan oder intravenös verabreicht. Zu den Aufnahmekriterien gehörte, dass bereits eine Dauertherapie mit einem inhalativen Steroid in hoher Dosis bestand (in einer Äquivalenz-Tagesdosis von mindestens 880 mcg Fluticason [Axotide®]) und dass die Eosinophilenzahl im Blut oder Sputum ein eosinophiles Asthma annehmen liess. Neben Erwachsenen wurde auch eine minimale Zahl an Adoleszenten behandelt.

In die DREAM-Studie wurden 616 Personen aufgenommen, die im zurückliegenden Jahr im Durchschnitt drei bis vier Asthmaexazerbationen erlitten hatten, die eine systemische Behandlung mit Steroiden erforderten. Man verabreichte ihnen ein Jahr lang Mepolizumab intravenös (75, 250 oder 750 mg) oder Placebo. Als primärer Endpunkt zählten Asthmaexazerbationen, die so gravierend waren, dass eine orale Steroidbehandlung begonnen oder das Spital aufgesucht werden musste. Unter Placebo traten sie mit einer Häufigkeit von 2,4 pro Person und Jahr auf, unter Mepolizumab mit einer Häufigkeit von 1,24 (75 mg), 1,46 (250 mg) und 1,15 (750 mg). Dies entspricht einem signifikanten Unterschied zwischen Mepolizumab und Placebo. Eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung war bei den drei Mepolizumab-Dosen nicht zu erkennen.(4)

Das mehr oder weniger gleiche Protokoll galt für die ein halbes Jahr dauernde MENSA-Studie (n=576), in der Mepolizumab subkutan (100 mg) oder intravenös (75 mg) verabfolgt wurde. Mit Placebo zählte man 1,74 schwere Asthmaexazerbationen pro Person und Jahr, mit Mepolizumab 0,93 (75 mg) bzw. 0,83 (100 mg). Diese Studie dient als Beleg, dass die subkutane und die intravenöse Gabe als gleichwertig gelten können.(5)

Die SIRIUS-Studie (n=135) stützte sich auf ein Kollektiv ab, das zusätzlich zur inhalativen auch eine orale Dauerbehandlung mit Steroiden benötigte (in einer Prednison-Äquivalenzdosis von 5 bis 35 mg/Tag). Die Patienten und Patientinnen erhielten subkutan Mepolizumab (100 mg) oder Placebo. Während der Studie wurde die orale Steroiddosis alle vier Wochen reduziert, sofern das Asthma gut kontrolliert und keine Nebenniereninsuffizienz festzustellen war. Nach 24 Wochen wurde in den beiden Gruppen verglichen, wie sich die Steroiddosis hatte senken lassen. Dabei zeigte sich, dass die Reduktion der Steroiddosis unter Mepolizumab insgesamt ein signifikant grösseres Ausmass erreicht hatte als unter Placebo (OR 2,39, 95% CI 1,25–4,56). Allerdings war es auch unter den Mepolizumab-Behandelten bei rund einem Drittel nicht möglich, die Steroiddosis zu vermindern.(6)

Die drei Studien sind zusammen mit einer vierten, kleineren Studie in einer Metaanalyse zusammengefasst. Sie ergab, dass der Anteil der Personen, die pro Behandlungsjahr eine oder mehrere schwere Asthmaexazerbationen erleiden, mit Mepolizumab um rund 40% gesenkt wird.(7) Bezogen auf den absoluten Nutzen müssen mindestens 15 Personen ein Jahr lang Mepolizumab erhalten, damit bei 1 Person keine Asthmaexazerbation auftritt.

Es ist auch eine Cochrane-Übersicht veröffentlicht, in der man Daten der DREAM-, der MENSA- und von sechs kleinen Studien verwertet hat. Deren Fazit lautet, dass Mepolizumab im Vergleich zu Placebo die Häufigkeit von schweren Asthmaexazerbationen vermindert und die gesundheitsbezogene Lebensqualität verbessert; weniger klar sind dagegen die Auswirkungen auf die Lungenfunktion, da zum Beispiel die forcierte Erstsekundenkapazität (FEV1) und der exspiratorische Spitzenfluss (PEF) nicht in allen Studien signifikant verbessert wurden.(8)

Vor allem um die Verträglichkeit bei längerer Verabreichung zu testen, wurde die COSMOS-Studie durchgeführt. Es handelte sich um eine offen geführte Anschlussstudie, für die sich ein grosser Teil der Teilnehmer und Teilnehmerinnen der MENSA- und der SIRIUS-Studie zur Verfügung gestellt hatten und die ein Jahr dauerte. Daten zur Wirksamkeit wurden ebenfalls erfasst. Asthmaexazerbationen traten mit einer Frequenz von 0,93 pro Jahr auf.(9)

Bei einem Teil der Leute mit eosinophilem Asthma besteht eine allergische, IgE-vermittelte Pathogenese. Für dieses Kollektiv bietet sich nicht nur Mepolizumab an, sondern auch der IgE-blockierende Antikörper Omalizumab (Xolair®). Zu den beiden Substanzen gibt es nur indirekte Vergleiche, die als Netzwerk-Metaanalysen publiziert sind und die bei den Endpunkten, die untersucht wurden, keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Antikörpern ermitteln konnten.(10,11)

Unerwünschte Wirkungen

Als häufigste Nebenwirkungen von Mepolizumab wurden Kopfschmerzen, Nasopharyngitis, Reizungen und Schmerzen an der Injektionsstelle, Hautausschäge, Überempfindlichkeitsreaktionen, Bauchbeschwerden und Rückenschmerzen angegeben. Vereinzelt ist ein Herpes zoster aufgetreten. Ob Mepolizumab den Schutz gegen Infektionen mit Parasiten (z.B. Würmern) vermindert, ist nicht geprüft. Bei ungefähr 5% der Behandelten wurden Antikörper gegen Mepolizumab nachgewiesen, allerdings meist nur in niedriger Konzentration und vorübergehend.(3)

Interaktionen

Es sind keine Interaktionen mit anderen Medikamenten oder mit Impfstoffen bekannt.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Mepolizumab (Nucala®) wird als Trockenpulver zu 100 mg angeboten, aus dem eine Injektionslösung hergestellt wird, und alle 4 Wochen subkutan verabreicht. Zugelassen ist Mepolizumab zur Behandlung von erwachsenen Personen, die an einem eosinophilen Asthma leiden und bei denen im vergangenen Jahr mindestens zwei Exazerbationen aufgetreten sind oder eine fortwährende orale Steroidbehandlung nötig ist; ausserdem muss die Eosinophilenzahl im Blut bei Therapiebeginn mindestens 150/mcl betragen. Mepolizumab dient zur Prophylaxe und nicht zur Behandlung von Asthmaexazerbationen. Die Anwendung in der Schwangerschaft oder Stillzeit ist nicht umfassend untersucht und sollte möglichst vermieden werden.

Mepolizumab darf nur auf fachärztliche Anordnung eingesetzt werden. Es ist limitiert kassenzulässig. Eine einzelne Dosis kostet 1572 Franken. Bei Omalizumab liegt der entsprechende Preis – abhängig von der Dosis – zwischen 525 und 2099 Franken.

Kommentar

Der Hauptnutzen von Mepolizumab bezieht sich darauf, dass es bei eosinophilem Asthma die Häufigkeit von Exazerbationen vermindert; keinen bedeutsamen Effekt scheint es hingegen auf die Lungenfunktion auszuüben. Der finanzielle Aufwand für Mepolizumab ist enorm: Um bei einer asthmakranken Person das Auftreten von Exazerbationen zu verhindern, sind im Minimum 300’000 Franken aufzuwenden. Gemäss amerikanischen Berechnungen müsste der Mepolizumab-Preis um zwei Drittel bis drei Viertel sinken, damit die Behandlung als kosteneffizient bezeichnet werden könnte.(12) Leider gibt es auch keinen validierten Biomarker, mit dem sich eine Population eingrenzen liesse, die am ehesten von Mepolizumab profitierte. Da es sich beim Asthma um eine chronische Erkrankung handelt, die einer Dauerbehandlung bedarf, bleibt überdies zu klären, was man von einer Mepolizumab-Verabreichung in Bezug auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen zu erwarten hat, wenn sie sich über mehr als nur ein Jahr erstreckt.

Standpunkte und Meinungen

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Mepolizumab (11. Dezember 2017)
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pharma-kritik, 39/No. 8
PK1027
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