Rofecoxib zu spät zurückgezogen?

  • m -- Jüni P, Nartey L, Reichenbach S et al. Risk of cardiovascular events and rofecoxib: cumulative meta-analysis. Lancet 2004 (4. Dezember); 364: 2021-9 [Link]
  • Zusammenfassung: Eva Blozik
  • Kommentar: Hans Rudolf Koelz
  • infomed screen Jahrgang 9 (2005) , Nummer 1
    Publikationsdatum: 1. Januar 2005
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Studienziele
Aufgrund eines erhöhten Herzinfarktrisikos wurde Rofecoxib (Vioxx®) Ende September 2004 von der Firma Merck Sharp & Dohme (MSD) vom Markt genommen. Bereits im Jahr 2000 war in der VIGOR-Studie («Vioxx Gastrointestinal Outcomes Study») ein erhöhtes Herzinfarktrisiko festgestellt worden, das allerdings einem kardioprotektiven Effekt der Vergleichsubstanz Naproxen (Proxen® u.a.) zugeschrieben wurde. In der vorliegenden Metaanalyse wurde untersucht, ob schon vor September 2004 stichhaltige Evidenz für kardiovaskuläre Nebenwirkungen unter Rofecoxib vorhanden war.

Methoden
In einer umfassenden Literatursuche wurden randomisierte kontrollierte Studien identifiziert, in denen Rofecoxib bei chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates mit einem anderen nicht-steroidalen Antirheumatikum oder mit einem Placebo verglichen wurde. Ausserdem wurden Fall-Kontrollund Kohortenstudien zur kardiovaskulären Wirkung von Naproxen zusammengefasst. Primärer Endpunkt war das Auftreten eines akuten Herzinfarkts. Zusätzlich untersuchte man, wie Dosierung, Art der Kontrollgruppe (Naproxen, andere nicht-steroidale Antirheumatika oder Placebo), Studiendauer und Vorhandensein einer externen Beurteilung des kardiovaskulären Endpunktes die Studienergebnisse beeinflusste. In einer sogenannten kumulativen Metaanalyse wurde untersucht, zu welchem Zeitpunkt ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko erstmals nachweisbar war.

Ergebnisse
18 randomisierte kontrollierte Studien und 11 Fall-Kontrolloder Kohortenstudien erfüllten die Einschlusskriterien. In der kumulativen Metaanalyse lag das mit Rofecoxib assoziierte relative Risiko für Myokardinfarkt bereits Ende 2000 bei 2,3 (95% Vertrauensintervall 1,2–4,3). Dosierung, Art der Kontrollgruppe und Studiendauer hatten keinen Einfluss auf das Risiko. Eine deutlichere Risikoerhöhung wurde in Studien beobachtet, in denen der Endpunkt extern beurteilt wurde (relatives Risiko 3,9). In den Fall-Kontroll- und Kohortenstudien zeigte sich nur eine geringe kardioprotektive Wirkung von Naproxen (relatives Risiko 0,86; 95% Vertrauensintervall 0,75–0,99), welche die Resultate der VIGOR-Studie nicht zu erklären vermag.

Schlussfolgerungen
Die Studienverantwortlichen folgern, dass Rofecoxib schon früher hätte zurückgezogen werden müssen, da ein erhöhtes Infarktrisiko seit 2000 belegt war. Die Ergebnisse werfen die Frage auf, warum Pharmaindustrie und Zulassungsbehörden nicht früher entsprechende Analysen veranlasst bzw. durchgeführt haben.

Zusammengefasst von Eva Blozik

Die «freiwillige» Rücknahme des Antirheumatikums Rofecoxib (Vioxx®) am 30. September 2004 wegen erhöhter Inzidenz von Herzinfarkten und anderen kardiovaskulären Ereignissen hat von einem fast beispiellosen kommerziellen Erfolg zu einem riesigen Verlust an finanziellen Werten und Ansehen der Pharmafirma geführt. Ganz neue Daten haben angeblich die Firma zu diesem Schritt bewogen. Die Autoren der vorliegenden Metaanalyse zeigen jedoch klar, dass die Evidenz für ein erhöhtes Risiko bereits 4 Jahre früher da gewesen wäre, hätte man die jeweils verfügbaren Daten systematisch aufgearbeitet. Wer wusste wann was, wer hätte wann was wissen sollen, oder gar handeln müssen? Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen die Firma MSD, sondern auch gegen die Zulassungsbehörden. Schliesslich: Handelt es sich um ein isoliertes Problem dieser Substanz oder um eine unvermeidliche Folge der selektiven COX-2-Hemmung, also einen «class effect»?

Hans-Rudolf Koelz

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Rofecoxib zu spät zurückgezogen? ( 2005)