Sertralin bei Kindern wirksam?
- r -- Wagner KD, Ambrosini P, Rynn M et al. Efficacy of sertraline in the treatment of children and adolescents with major depressive disorder: two randomized controlled trials. JAMA 2003 (27. August); 290: 1033-41 [Link]
- Kommentar: Martin Brütsch
- infomed screen Jahrgang 7 (2003)
, Nummer 11
Publikationsdatum: 1. November 2003 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Bei Erwachsenen sind die Wirksamkeit und die Verträglichkeit von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) bei Depressionen gut untersucht und bekannt. Für Kinder und Jugendliche gibt es noch wenig und nur kleinere Untersuchungen. In zwei placebokontrollierten Studien wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Sertralin (Gladem®, Zoloft®) bei Kindern und Jugendlichen untersucht.
Methoden
Die Teilnehmenden waren zwischen 6 und 17 Jahre alt und litten an einer typischen Depression («major depressive disorder») von mindestens mittlerer Schwere. Nach einer 2wöchigen Untersuchungsphase erhielten sie während 10 Wochen nach dem Zufall Placebo oder Sertralin, individuell dosiert von 25 mg bis 200 mg täglich. Vor und während der Behandlung wurde der Zustand der Teilnehmenden klinisch und anhand verschiedener Tests beurteilt, insbesondere wurde der CDRS-R («Childrens Depression Rating Scale-Revised») vor Beginn, dann während der Behandlung zunächst wöchentlich, dann 2wöchentlich durchgeführt.
Ergebnisse
376 Kinder und Jugendliche konnten in die beiden Studien aufgenommen werden. In der Sertralingruppe brachen 46 (17 wegen Arzneimittel-Nebenwirkungen) die Behandlung ab, in der Placebogruppe waren es 31 (5 wegen Nebenwirkungen). Wegen «nicht-interpretierbaren» Resultaten wurden mehrere Teilnehmende von der Analyse ausgeschlossen. Beide Studien zusammengenommen liess sich ein grenzwertig signifikanter Vorteil bezüglich Abnahme der Depressions- Scores für Sertralin beobachten; nach 10 Wochen hatten 69% der Kinder unter Sertralin und 59% unter Placebo eine Verbesserung des CDRS-R um mindestens 40% erreicht (NNT=10). Die mittlere Sertralindosis betrug 131 mg. Die häufigsten Nebenwirkungen waren bei den Kindern Schlafstörungen und Durchfall und bei den Jugendlichen Erbrechen und Durchfall.
Schlussfolgerungen
In der gepoolten Analyse von zwei Studien bei Kindern und Jugendlichen mit typischen Depressionen war Sertralin statistisch grenzwertig signifikant wirksamer als Placebo.
Es macht skeptisch, dass nach über 10jährigen Erfahrungen mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahme- Hemmern mit dieser Studie erst die dritte (bzw. vierte) Untersuchung vorliegt, in welcher bei der medikamentösen Behandlung von depressiven Kindern und Jugendlichen signifikante Unterschiede gegenüber Placebo aufgezeigt werden. Und wie erreicht ein SSRI nun einen signifikanten Unterschied gegenüber Placebo, wo dies bei den trizyklischen Antidepressiva nie nachzuweisen gelang, obwohl in den Erwachsenen-Studien die Unterschiede in den «outcomes» mit trizyklischen Antidepressiva gegenüber Placebo früher grösser waren als heute bei den SSRI gegenüber Placebo? Sind die Studien-Kinder krank genug, wenn 50-60% von ihnen auf Placebo ansprechen und ein Teil von ihnen nach 10 Wochen trotz «response» noch immer die Einschlusskriterien des Studienbeginns erfüllen?
Martin Brütsch
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