Fraglicher Nutzen eines Debriefing nach Trauma
- m -- van Emmerik AA, Kamphuis JH, Hulsbosch AM et al. Single session debriefing after psychological trauma: a meta-analysis. Lancet 2002 (7. September); 360: 766-71 [Link]
- Kommentar: Jan Gysi
- infomed screen Jahrgang 7 (2003)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 1. März 2003 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Der Nutzen von Kurzinterventionen zur Verarbeitung eines seelischen Traumas (Debriefing) ist bereits öfters in Frage gestellt worden. Trotzdem wird Debriefing noch häufig angewendet. In dieser Metaanalyse wurde der Nutzen eines Debriefing in Form einer einzelnen Sitzung zur Verhinderung von posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen posttraumatischen Psychopathologien untersucht.
Methoden
Für die Metaanalyse wurde eine systematische Suche in verschiedenen Datenbanken und eine Handsuche durchgeführt. 7 Studien genügten den Einschlusskriterien. Insgesamt 5 Interventionen in Sinne eines «Critical Incident Stress Debriefing» (CISD) und 3 andere Debriefing-Methoden wurden in diesen Studien mit 6 Kontrollgruppen (ohne Interventionen) verglichen. Beim CISD werden Menschen, die einer traumatisierenden Belastung ausgesetzt waren, angeleitet, sich möglichst innerhalb von 72 Stunden mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen.
Ergebnisse
Gegenüber der Untersuchung bei Studienbeginn verbesserten sich die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung in den Gruppen mit und ohne Intervention. Die Besserung war tendenziell ausgeprägter in den Gruppen ohne Intervention und mit einer anderen Intervention als nach einem CISD (Unterschied nicht signifikant). Ähnliches galt für die Besserung anderer psychischer Symptome, die Unterschiede waren allerdings noch geringer.
Schlussfolgerungen
Ein Debriefing in einer Einzelsitzung verbessert den spontanen Heilungsverlauf nach psychischem Trauma nicht.
Diese Metaanalyse bestätigt, dass ein Debriefing nach Trauma wirkungslos oder eventuell sogar retraumatisierend wirken kann. Leider fehlen zurzeit Studien, die Aufschlüsse darüber geben könnten, welche Interventionen Opfern nach Traumata helfen könnten. Vorderhand gilt als Empfehlung: bei Bedarf kurzes Erklären und Mitgabe von Unterlagen zu posttraumatischen Symptomen (Übererregung, Intrusion, Vermeidung/ Verleugnung) mit der Information, dem Impuls zum (inneren und äusseren) Rückzug nicht nachzugeben und traumaassoziierte Symptome nicht mit Alkohol zu «behandeln». Professionelle Unterstützung sollte angeboten und nicht aufgedrängt werden.
Jan Gysi
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