Antirheumatika zur Parkinson-Prophylaxe?
- k -- Chen H, Zhang SM, Hernan MA et al. Nonsteroidal anti-inflammatory drugs and the risk of Parkinson disease. Arch Neurol 2003 (August); 60: 1059-64 [Link]
- Kommentar: Hans-Peter Ludin
- infomed screen Jahrgang 7 (2003)
, Nummer 11
Publikationsdatum: 1. November 2003 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Beim Morbus Parkinson scheinen Entzündungsvorgänge am Untergang der dopaminergen Neuronen mitbeteiligt zu sein. In Tierversuchen wurde festgestellt, dass nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR) eine schützende Wirkung gegenüber Morbus Parkinson entfalten können. In der folgenden Studie wurde anhand von prospektiven Daten geprüft, ob dies auch beim Menschen zutrifft.
Methoden
Die Daten zu dieser Arbeit stammen von 2 in den 1980er und 90er Jahren durchgeführten amerikanischen Kohortenstudien, der «Health Professionals Follow-up Study» und der «Nurses' Health Study», und beziehen sich auf etwa 99'000 Frauen und 44'000 Männer. Es wurden die Fälle von Morbus Parkinson gezählt, die im Verlaufe der Studien neu aufgetreten aufgetreten waren. Ferner ermittelte man, ob und wie häufig Acetylsalicylsäure oder andere NSAR verwendet worden waren, wobei als «regelmässige Einnahme» der Konsum von mindestens 2 Tabletten/Woche definiert wurde. Die Auswertung wurde in Bezug auf andere Faktoren wie Alter, Rauchen, Alkohol- und Kaffeekonsum korrigiert.
Ergebnisse
Bei den Frauen hatten 33% regelmässig Acetylsalicylsäure und 4% regelmässig ein anderes NSAR verwendet; die Diagnose eines Morbus Parkinson war bei 179 Frauen gestellt worden. Bei den Männern waren es 32% bzw. 6% und 236 Parkinson-Fälle. Acetylsalicylsäure zeigte keinen wesentlichen Einfluss auf das Parkinson-Risiko; eine gewisse Abnahme des Risikos war lediglich bei denjenigen Personen zu beobachten, die mindestens 2 Tabletten pro Tag geschluckt hatten. Für die übrigen NSAR hingegen war der Effekt bedeutender, indem das relative Risiko mit 0,55 signifikant tiefer lag als bei denen, die keine NSAR einnahmen; das Parkinson- Risiko war um so niedriger, je länger die regelmässige Einnahme dauerte.
Schlussfolgerungen
Eine regelmässige Einnahme eines nicht-steroidalen Entzündungshemmers oder einer höheren, entzündungshemmend wirkenden Dosis von Acetylsalicylsäure scheint das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken, zu verringern.
Die Studie zeigt an einem Kollektiv von rund 140'000 Teilnehmenden, dass Personen, welche regelmässig nicht-steroidale Entzündungshemmer nehmen, ein um 45% vermindertes Risiko haben, an einem Parkinsonsyndrom zu erkranken. Dabei konnte die Wirkung von potenziell interferierenden Faktoren (Nikotin-, Kaffee- und Alkoholkonsum) weitgehend ausgeschlossen werden. Es ist wahrscheinlich, dass auch atypische Parkinsonsyndrome eingeschlossen wurden. Das Ergebnis wird dadurch aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt.Beim idiopathischen Parkinsonsyndrom, dessen Ursache weiterhin nicht bekannt ist, sind in den letzten Jahren mehrere Ansätze zur Neuroprotektion vorgeschlagen worden (z.B. MAO-B-Hemmer, Amantadin, Dopaminagonisten, aber auch Nikotin- und Kaffeekonsum), deren klinische Relevanz aber nie bewiesen werden konnte.
Für die Praxis stellen sich aufgrund der vorliegenden Studie vor allem 2 Fragen: 1. Sollen (ältere) Personen routinemässig mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern behandelt werden? 2. Können wir die Progredienz bei Parkinsonkranken durch nicht-steroidale Entzündungshemmer verlangsamen?
Beide Fragen können nicht schlüssig beantwortet werden. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit neuroprotektiven Massnahmen wird man die erste Frage nicht ohne weiteres bejahen können. Zuerst müssten die Fragen einerseits nach der geeignetsten Substanz und der optimalen Dosierung und anderseits des Risikos von Nebenwirkungen beantwortet werden. Zum Problem der Neuroprotektion durch nicht-steroidale Entzündungshemmer bei bestehendem Parkinsonsyndrom existieren überhaupt keine Daten. Für eine diesbezügliche Empfehlung fehlen uns die Grundlagen. Ob diese in absehbarer Zeit vorliegen können, ist sehr fraglich.
Hans-Peter Ludin
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