Amitriptylin bei chronischer Lumbalgie

  • r -- Urquhart DM, Wluka AE, van Tulder M et al. Efficacy of low-dose amitriptyline for chronic low back pain: A randomized clinical trial. JAMA Intern Med. 2018 Nov 1;178:1474-81 [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Gnädinger
  • infomed screen Jahrgang 23 (2019) , Nummer 1
    Publikationsdatum: 21. Februar 2019
  • PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)

Warum diese Studie?

In der adjuvanten Schmerztherapie finden neben Antiepilep­tika wie Gabapentin (Neurontin® u.a.) oder Pregabalin (Ly­rica® u.a.) auch Antidepressiva Verwendung. Mangels quali­tativ guter Studien fehlt es an Evidenz für diese Therapie, und Guidelines enthalten oft widersprüchliche Empfehlungen. Trotzdem findet das tri­­­zyklische Antidepressivum Amitripty­lin (Saroten®) bei dieser Indi­ka­tion weite Anwendung. In der vor­liegenden Studie sollte des­halb die Wirksamkeit von nied­rig dosiertem Amitriptylin bei chronischen unspezifischen lum­balen Rückenschmerzen unter­sucht werden.

Was hat man gefunden?

146 Personen mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen erhielten doppelblind während 6 Monaten entweder Ami­trip­tylin (25 mg täglich) oder Benztropinmesilat (ein in der Schweiz nicht erhältliches Anticholi­nergikum). Nach 3 und nach 6 Monaten wurde die Schmerzintensität anhand der «Visual Analog Scale» und der «Descriptor Differential Scale» gemessen. Mit verschiedenen anderen Skalen und Frage­bo­gen wur­den u.a. der Grad der Behinderung, Aus­fälle am Ar­beitsplatz oder der allgemeine Gesundheits­zu­stand erfasst. Die Teilnehmenden waren durchschnitt­lich 55 Jahre alt; 62% waren männlich, die Schmerzen be­standen im Mittel seit 14 Jahren. 118 Per­sonen blieben bis zum Ende in der Studie. Nach 6 Monaten wurde kein Unter­schied zwi­schen den bei­den Gruppen bezüg­lich Behinde­rung, Arbeits­ausfällen oder Therapieabbrüchen auf­grund von un­erwünschten Wirkun­gen festgestellt. In der Ami­triptylin-Gruppe war je­doch nach 3 Monaten das Ausmass der Behin­derung signi­fi­kant kleiner und nach 6 Monaten wurde eine (nicht-signi­fikante) Besse­rung der Schmerzintensität gefun­den.

Wie wird es gedeutet?

Die Autorinnen und Autoren schliessen aus den Resultaten, dass niedrig dosier­tes Amitriptylin eine wirksame und gut ver­trägliche Therapie bei chronischen Rückenschmerzen dar­stellen könnte. Sie for­dern grössere randomisierte Stu­dien, um diesen Effekt zu be­stäti­gen und die optimale Dosis zu er­mitteln. Solange solche Stu­dien fehlen, empfehlen sie, im Einzelfall Amitriptylin zu er­wägen, vor allem dann, wenn die einzige Alternative eine Therapie mit Opioiden wäre.

Screen-Kommentar

Diese australische Studie zeigt, wo die Schwierigkeiten indust­rieunabhängi­ger klinischer For­schung liegen: Die Rekrutierung musste auf 5 Jahre ausge­dehnt wer­den, es mussten zusätzliche Studienzen­tren eröffnet und Inse­rate geschaltet werden; das Ziel, nur Per­so­nen mit «neuro­pathischem» Rücken­schmerz einzu­schlies­sen, musste fallen­gelassen werden; trotz­dem konnte nur ein Viertel aller gescreenten Personen eingeschlos­sen wer­den. Das Krite­rium für eine klinisch be­deutsame Bes­serung (15 mm auf der visu­ellen Analogskala) wurde nicht er­reicht. - Was bedeutet das für uns in der Schweiz? Die anato­mische Basis der Rücken­schmerzen ist so verschie­den wie un­sere Patientinnen und Pa­tienten. Unser Land ist gut bestückt mit MRI-Geräten, um die anatomischen Ur­sachen zu lokali­sie­ren, und es besteht kein Mangel an Wirbel­säu­len­chirurgen, die mit Infiltra­tionen und operati­ven Eingrif­fen oft Erleich­te­rung verschaffen kön­nen. Auch phy­siothera­peu­tisch sind wir gut unterwegs. Trotz­dem gibt es im­mer wie­der Rücken­patienten, die in die Ab­wärtsspirale gera­ten: Schmer­zen, Schonung, Angst, Vermei­dung, Rückzug. Hier gibt es die Mög­lichkeit, im Einzelfall das Leiden mit Amitripty­lin zu lin­dern.

Zusammengefasst und kommentiert von Markus Gnädinger

Standpunkte und Meinungen
  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 23 -- No. 1
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Amitriptylin bei chronischer Lumbalgie ( 2019)