Lieber fett und fit statt faul

  • k -- McAuley PA, Blaha MJ, Keteyian SJ et al. Fitness, fatness, and mortality: the FIT (Henry Ford exercise testing) project. Am J Med 2016 (September); 129: 960-65 [Link]
  • Zusammenfassung: Alexandra Röllin
  • infomed screen Jahrgang 20 (2016) , Nummer 5
    Publikationsdatum: 5. Oktober 2016
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Körpergewicht und körperliche Fitness haben einen Einfluss auf  Gesundheit und Sterblichkeit, soviel ist unbestritten. Welcher dieser beiden Faktoren wichtiger ist, wird hingegen kontrovers diskutiert. Da zum Zusammenhang zwischen körperlicher Leistungsfähigkeit und Sterblichkeit weniger Daten vorliegen, wird in der vorliegenden Kohortenstudie der Fokus auf diese Fragestellung gelegt. Das FIT-Projekt («Henry Ford Exercise Testing-Project») ist eine Kohorte von fast 70'000 Personen, bei welchen in den Jahren 1991-2009 eine Belastungsergometrie (auf dem Laufband) im «Henry Ford Hospital» in Detroit durchgeführt worden war. Für die vorliegende Untersuchung wurden diejenigen 29'257 Teilnehmenden ausgewählt, bei denen der «Body Mass Index» (BMI) bekannt (und nicht kleiner als 18) war und die weder an Diabetes oder Herz¬insuffizienz litten, noch einen Herzinfarkt in der Vorgeschichte hatten. Sowohl hinsichtlich BMI als auch hinsichtlich körperlicher Belastungsfähigkeit (gemessen in «Metabolic Equivalent of Task» MET) wurden die Teilnehmenden in 4 Risikokategorien eingeteilt und der Zusammenhang dieser Parameter mit der Sterblichkeit  ausgewertet.

29'257 Teilnehmende mit einem durchschnittlichen Alter von 53 Jahren (52% Frauen) erfüllten die Auswahlkriterien. Während der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 10,8 Jahren starben insgesamt 1'898 der untersuchten Personen (6,5%). Nach Korrektur für diverse Störfaktoren (Alter, Geschlecht, Ethnizität, Medikation, kardiovaskuläre Risikofaktoren und Grund für die Durchführung der Belastungsergometrie), zeigte sich ein ausgeprägter Zusammenhang zwischen körperlicher Belastungsfähigkeit und Sterblichkeit. Personen mit der geringsten Belastungskapazität (<6 MET) hatten ein fast vierfach so hohes Risiko zu sterben verglichen mit denjenigen mit der höchsten Belastungskapazität (>12 MET; «Hazard Ratio» HR 3,96, 95% CI 3,20-4,91). Pro erreichtem zusätzlichen 1 MET konnte ein Überlebensbenefit von 14% berechnet werden. Der Zusammenhang zwischen BMI und Sterblichkeit hingegen war weniger eindeutig. Bei leicht Übergewichtigen bis mässig Adipösen (BMI 25-35) konnte gar eine leicht geringere Sterblichkeit als bei Normalgewichtigen gefunden werden – das sogenannte «obesity paradox», das auch schon in anderen Untersuchungen gefunden wurde und Anlass zu Diskussionen gab.

Ob nun leichtes Übergewicht oder gar mässige Adipositas (in dieser Studie immerhin bis BMI 35!) tatsächlich besser sein soll als ein normales Körpergewicht, da setze ich ein Fragezeichen. Zum einen sind Kohortenstudien anfällig für Verzerrungen durch unerkannte Störfaktoren, zum anderen gibt es Untersuchungen, die zu anderen Schlüssen gekommen sind. Doch der positive Einfluss einer besseren körperlichen Leistungsfähigkeit auf die Sterblichkeit ist beeindruckend und bestärkt mich in meinem bisherigen Vorgehen: Seit geraumer Zeit setze ich den Fokus bei der Lebensstilberatung von Übergewichtigen und Adipösen eher auf die Steigerung der körperlichen Aktivität als auf die Reduktion der Kalorienzufuhr. Zwar braucht es so meist länger, bis eine Gewichtsreduktion erreicht wird – aber es ist einfacher, für ein «positives» Ziel («etwas erreichen wollen») die notwendige Motivation aufzubauen als für ein «negatives» («auf etwas verzichten müssen»). Und das daraus resultierende bessere Körpergefühl hilft häufig, diese aufrecht zu erhalten. Umso besser, wenn dadurch selbst bei fehlender oder nur minimaler Reduktion des Körpergewichts die Lebenserwartung verbessert wird!

Zusammengefasst und kommentiert von Alexandra Röllin

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