Fördert ein niedriger Blutdruck die Demenzprogression?

  • k -- Mossello E, Pieraccioli M, Nesti N et al. Effects of low blood pressure in cognitively impaired elderly patients treated with antihypertensive drugs. JAMA Intern Med 2015 (April): 175: 578-85 [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Häusermann
  • infomed screen Jahrgang 19 (2015) , Nummer 3
    Publikationsdatum: 15. Juni 2015
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Über den prognostischen Einfluss einer Hypertonie und über den Nutzen einer antihypertensiven Behandlung bei Demenz zeigen Studien widersprüchliche Resultate. Anhand dieser Beobachtungsstudie bei 172 Männern und Frauen von zwei Demenzambulatorien in Florenz untersuchten die Studienverantwortlichen diese Fragestellung. Aufgenommen wurden Personen im Alter von mindestens 65 Jahren und mit 10 bis 27 von 30 Punkten im Mini-Mental-Status (MMS). Bei 68% war eine Demenz und bei den übrigen 32% ein «mild cognitive impairment» (MCI) diagnostiziert worden. 120 Kranke (70%) wurden mit Antihypertensiva behandelt. Alle erhielten eine 24-Stunden-Blutdruckmessung und wurden für die Auswertung gemäss ihrem Blutdruck in drei gleich grosse Terzilen (systolisch unter 129 mm Hg; 129-144 mm Hg; über 145 mm Hg) eingeteilt.

Das mittlere Alter der Studienteilnehmenden betrug 79 Jahre, 63% waren Frauen. Nach einer Beobachtungszeit von median neun Monaten nahm der durchschnittliche MMS signifikant von 22,1 auf 20,7 Punkte ab. Demenzkranke mit BD-Werten in der untersten Terzile in der 24-Stunden-Blutdruckmessung hatten eine grössere durchschnittliche Abnahme des MMS von –2,8 Punkten im Vergleich zu den anderen beiden Terzilen mit je –0,7 Punkten. Wenn man Personen mit und ohne antihypertensive Therapie gesondert auswertete, dann war dieser Zusammenhang nur unter Antihypertensiva nachzuweisen: in dieser Gruppe betrug die Abnahme des MMS für die unterste BD-Terzile sogar –3,9 Punkte. Berücksichtigte man die Sprechstunden-Blutdruckwerte, war dieser Effekt weniger ausgeprägt und statistisch nicht signifikant. In der untersten Blutdruck-Terzile gab es mehr Synkopen und mehr Hospitalisationen als in den übrigen Kategorien (bei kleiner Zahl statistisch nicht signifikant).

Es ist zwar eine reine Beobachtungsstudie an einer kleinen Personenzahl, und ein kausaler Zusammenhang zwischen medikamentöser Blutdrucksenkung und Demenz-Progression ist damit nicht bewiesen. Trotzdem gibt es zu denken, dass die Assoziation von niedrigem Blutdruck und Fortschreiten einer Demenz ausschliesslich unter Antihypertensiva beobachtet wurde. Es fällt weiter auf, dass ein ganzes Drittel der Kranken einen systolischen Blutdruck von unter 129 mm Hg hatten und dass unter diesen gleich viele mit Blutdrucksenkern behandelt waren wie unter denjenigen mit dem höchsten Blutdruck, was den Schluss nahe legt, dass viele Kranke überbehandelt waren. Randomisierte Studien über Nutzen oder Schaden von Antihypertensiva in dieser Population werden wahrscheinlich nie durchgeführt werden. Bis auf weiteres tun wir also gut daran, bei Männern und Frauen über 75 Jahren das Blutdruck-Ziel nicht auf 130, sondern um 150 mm Hg systolisch anzusetzen und gerade in dieser Gruppe die Wirkung der Medikamente mit 24-Stunden-Blutdruckmessungen zu kontrollieren.

Zusammengefasst und kommentiert von Markus Häusermann

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Fördert ein niedriger Blutdruck die Demenzprogression? ( 2015)