Schleudertrauma: Intensivere Betreuung bringt wenig

  • r -- Lamb SE, Gates S, Williams MA et al. Emergency department treatments and physiotherapy for acute whiplash: a pragmatic, two step, randomised controlled trial. Lancet 2012 (18. Dezember); 381: 546-56 [Link]
  • Zusammenfassung:
  • Kommentar: Bogdan Radanov
  • infomed screen Jahrgang 17 (2013) , Nummer 2
    Publikationsdatum: 18. April 2013
  • PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)

Studienziele

In der Behandlung des zervikalen Beschleunigungstraumas ist vergleichsweise wenig belegt. In dieser randomisierten Studie, die aus zwei Schritten bestand, ging man erstens der Frage nach, ob ein aktives Management («active management consultation») bei frisch Betroffenen wirksamer sei als eine übliche Behandlung (1. Schritt) und zweitens, ob bei Betroffenen mit persistierenden Beschwerden eine intensivere physiotherapeutische Behandlung gegenüber einer einmaligen Instruk­tion überlegen sei (2. Schritt). 

Methoden

Die Studie wurde an 12 britischen Spitälern mit insgesamt 15 Notfallstationen durchgeführt. Die Spitäler wurden für den 1. Schritt nach dem Zufall einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt («cluster randomisation»). In den Spitälern der Interventionsgruppe wurden die Behandelnden geschult, und für die Betroffenen (akute zervikale Beschleunigungstraumata Grad I bis III) ein aktives Management mit verschiedenen Behandlungsprogrammen eingeführt. In der Kontrollgruppe wurde das übliche Vorgehen («usual care consultation») beibehalten. Für den 2. Schritt wurden Betroffene mit anhaltenden Beschwerden nach dem Zufall einer Physiotherapie mit 6 Behandlungen zugeführt. Die übrigen erhielten eine einmalige physiotherapeutische Instruktion. Die Ergebnisse nach 4, 8 und 12 Monaten wurden durch «verblindetes» Stu­dienpersonal erfasst. Als primärer Endpunkt diente der NDl («Neck Disability Index»), quasi ein Befindlichkeitsindex mit einer Skala von 0 (keine Veränderung) bis 5 (viel besser).

Ergebnisse

In Schritt 1 konnten in den 12 Spitälern 3'851 von 6'952 möglichen Personen in die Studie aufgenommen werden, 1'598 Verunfallte in den Spitälern der Kontrollgruppe und 2'253 in den Spitälern mit dem aktiven Management. Von 2'704 Untersuchten (70%) konnten nach 12 Monaten die Daten ausgewertet werden. Zu diesem Zeitpunkt fand sich kein signifikanter Unterschied bezüglich des primären Endpunktes zwischen den beiden Gruppen. In Schritt 2 konnten 599 Personen mit anhaltenden Beschwerden aufgenommen werden; 299 von diesen erhielten eine einzelne physiotherapeutische Instruk­tion und 300 eine Behandlungsserie. Nach 12 Monaten konnten die Daten von 479 Untersuchten (80%) ausgewertet werden. Die intensivere physiotherapeutische Behandlung zeigte nach 4 Monaten einen bescheidenen Vorteil gegenüber der einzelnen Instruktion. Aber nach 8 bzw. 12 Monaten fand sich kein Unterschied mehr. Das aktive Management und die physiotherapeutische Behandlungsserie waren deutlich kostenintensiver als die Vergleichsbehandlungen. Schwere unerwünschte Nebenwirkungen oder Tote waren keine zu beklagen. 

Schlussfolgerungen

Ein aktives Management von Personen mit zervikalem Beschleunigungtrauma zeigte nach 12 Monaten keinen Nutzen. Eine intensivere Physiotherapie, führte zu einem etwas schnelleren Beschwerderückgang bei persistierenden Beschwerden – das Kosten/Nutzen-Verhältnis war aber gegenüber einer einmaligen physiotherapeutischen Instruktion unvorteilhaft. Generell wird bei zerikalem Beschleunigungstrauma eine einfache Konsultation und bei persistierenden Beschwerden eine einzelne physiotherapeutische Instruktion empfohlen.

Zusammengefasst von Thomas Koch 

Schmerz ist eine multifaktoriell determinierte Störung. Ungeachtet der Genese (traumatisch oder nicht-traumatisch) und der betroffenen Region können vergleichbare neurobiologische Veränderungen auf diversen Niveaus des Nervensystems nachgewiesen werden. Entsprechend haben sich in der Praxis hauptsächlich multimodale Therapieverfahren bewährt. Diese resultieren aus der Forschung der Schmerzbehandlung. In der vorliegenden Studie wurden Methoden der Physiotherapie eingesetzt, die auch bei «active management consultation» zur Anwendung kommen. Mit Physiotherapiemethoden können die potentiellen Einflussfaktoren der Schmerzen nicht beeinflusst werden. Das Studienresultat, dass die monomodale Schmerzbehandlung keine Vorteile bringt, erstaunt nicht und ist für die Leistungsträger bedeutsam.

Bogdan Radanov

Standpunkte und Meinungen
  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 17 -- No. 2
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Schleudertrauma: Intensivere Betreuung bringt wenig ( 2013)